Intrigen in der AfD Kleinkrieg der Euro-Gegner

AfD-Parteichef Lucke: Die Euphorie ist verblasst
Foto: Jörg Carstensen/ dpaBerlin - Immerhin eines kann die Mitglieder der "Alternative für Deutschland" derzeit erfreuen: der Blick auf die Umfragen. Mit vier Prozent liegt die Partei seit Wochen stabil vor der FDP, die bei drei Prozent dümpelt.
Die Aussichten, bei den kommenden Europawahlen im Mai ein erkleckliches Ergebnis einzufahren und die Drei-Prozent-Hürde für den Einzug ins Brüsseler Parlament zu überspringen, sind theoretisch gut. Das, so sagte jüngst Parteichef Bernd Lucke, "schaffen wir locker".
Es gibt nur ein Problem: der Kleinkrieg in einzelnen Landesverbänden. Seit Wochen beharken sich Mitglieder, werden E-Mails versendet, in denen es vor gegenseitigen Anschuldigungen nur so strotzt. In Hessen endete kürzlich ein Parteitag im Chaos, der Landesverband steht seitdem ohne Führung da und wird von einem "Notvorstand" geleitet. Nun soll am 14. Dezember eine reguläre Spitze gewählt werden.
Anderswo kam es ebenfalls zu Turbulenzen: In Nordrhein-Westfalen wählten die Delegierten nach heftiger Debatte eine neue Führung, in Rheinland-Pfalz trat der Vorstand zurück und wurde durch eine neue Mannschaft ersetzt.
In Sachsen, wo die "Alternative für Deutschland" (AfD) sich auf die kommenden Landtagswahlen vorbereitet und zu einer ernsthaften Konkurrenz für die mit der CDU regierende FDP werden könnte, scheint die Lage stabil zu sein. Auf dem Landesparteitag wurde die 38-jährige Unternehmerin Frauke Petry jüngst mit 80 Prozent als Vorsitzende wiedergewählt.
Lucke hofft auf Konsens in Hessen
Doch die Euphorie vom 22. September, als die erst in diesem Jahr gegründete AfD auf 4,7 Prozent kam und nur knapp den Einzug in den Bundestag verpasste, ist in Teilen der Partei vergangen. Die Vorgänge in Hessen veranlassten Lucke kürzlich zu einem Brandschreiben an die Parteifreunde vor Ort. Durch "den beschämenden Verlauf des hessischen Parteitags hat die AfD einen erheblichen Ansehensverlust erlitten, der sich nicht nur auf den hessischen Landesverband beschränkt", schrieb er in einer E-Mail.
Lucke sagt gegenüber SPIEGEL ONLINE, die Gesamtlage der Partei sei "weniger dramatisch". Fast alle Landesverbände seien ruhig. Nur in Hessen hätten sich "ein paar läppische Konflikte hochgeschaukelt", bei einer neuen Wahl eines Vorstandes werde die große Mehrheit Kandidaten stützen, "die konsensorientiert und ausgleichend arbeiten können".
Reizwort Islam
Wie manche Gruppierung, die sich einst abseits von CDU/CSU und FDP im bürgerlichen Spektrum gründete, zieht die rund 17.000 Mitglieder starke AfD auch einen Personenkreis an, der sich vor allem mit Lust der Intrige hingibt. Ein Sprecher eines hessischen Kreisverbands stellte jüngst in einer E-Mail an den AfD-Vorsitzenden Lucke fest: "Diese Auseinandersetzungen werden manchmal mit einer unvorstellbaren Härte, Unnachgiebigkeit und Unverzeihlichkeit, auch Unversöhnlichkeit geführt, so dass man sich fragt, warum ein sich dabei offenbarender Mangel an Sozialkompetenz ausgerechnet in der AfD (sind die Menschen anderer Parteien sensibler?) so deutlich einstellt."
Es kracht nicht nur menschlich, sondern auch inhaltlich in der AfD, die sich Mitte Januar auf ihrem Bundesparteitag eigentlich fit machen will für die Europawahl. Weil das Thema Islam die Gemüter besonders erregt, versandte Lucke vor kurzem ein Rundschreiben mit zehn Thesen, die er zur Debatte stellte. Der Wirtschaftsprofessor aus Hamburg, ein gerngesehener Gast in Talkshows, bemühte sich darin um Versachlichung der internen Debatte. "Zu Deutschland gehören Gastfreundschaft und Toleranz. Dies gilt auch gegenüber Andersgläubigen. Religiöse Gefühle sollen geachtet werden und Provokationen unterbleiben", mahnte er in der E-Mail an.
Die EU im Visier
An manchen Stellen gärt es an der Basis. In Hessen kursiert das Papier einer AfD-Arbeitsgruppe aus Frankfurt am Main, in der Luckes Kurs, wonach jedes Land aus der Eurozone austreten können soll, schon als zu gemäßigt gilt. "Grundsätzlich muss nicht nur das Scheitern des Euro, sondern auch der EU in Betracht gezogen werden, ohne dass die Welt untergeht", heißt es dort. Die EU als ganzes wird ins Visier genommen. "Unsere Forderungen in Bezug auf die EU können gar nicht extrem genug sein, mag auch die Presse uns mit Häme und Hass überschütten. Die Wähler werden uns belohnen", so das Positionspapier der Basisaktivisten.
Die AfD, deren Führung empört reagiert, wenn sie als rechtspopulistische Partei bezeichnet wird, wandert auf schmalem Grat. Um nicht als Rechtsaußen-Verband abgestempelt zu werden, hat Lucke klargestellt, dass die AfD einem künftigen Block aus europäischen Rechtsparteien im EU-Parlament nicht angehören wird. Zur "Front National" in Frankreich und anderen Parteien wie der des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders soll die AfD Distanz halten. "Auf keinen Fall', so Lucke, werde man mit diesen Parteien im EU-Parlament zusammengehen.
Der Vorsitzende setzt auf ein baldiges Ende der internen Querelen. "Im neuen Jahr", sagt er, "wird die AfD sehr geschlossen und mit großer Schlagkraft in die Europawahl gehen."