Berlin - Das Verteidigungsministerium unter Thomas de Maizière (CDU) hat den Bundestag über das Ausmaß der Probleme bei der Entwicklung der Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" im Dunkeln gelassen. Vom Ministerium nachträglich als vertraulich eingestufte Dokumente belegen, dass das Wehrressort dem Parlament trotz präziser Nachfragen von Abgeordneten die drohenden Mehrkosten durch die Schwierigkeiten bei der Zulassung seit Anfang 2012 verschwieg, obwohl diese bereits im Haus bekannt waren.
In dem 67-seitigen Bericht, den de Maizière als Chronologie des Scheiterns beim "Euro Hawk" vorlegte, wird die Information des Parlaments außerdem falsch dargestellt. Die pikante Stelle findet sich auf Seite 36. Detailreich beschreibt das Papier, wie die Spitze des Ministeriums, genauer gesagt die Staatssekretäre Stéphane Beemelmans und Rüdiger Wolf, bereits am 8. Februar 2012 über die drohenden Mehrkosten von bis zu 500 Millionen Euro bei der Drohnenentwicklung informiert wurden.
"In der Folge", so das Papier, sei dann auch das Parlament über die dramatischen Warnhinweise "unterrichtet" worden. Die vermeintlichen Belege, sie finden sich in der sogenannten "Anlage G", wurden wohl nicht zufällig inzwischen als Verschlusssache eingestuft. Denn in Wirklichkeit verschwieg de Maizières Haus dem Parlament die katastrophale Lage beim "Euro Hawk" bis zum bitteren Ende.
Höhe der Zusatzkosten "nicht abschätzbar"
So finden sich in einem Papier des Ministeriums vom 8. Juni 2012 auf konkrete Nachfragen des linken Haushälters Michael Leutert zwar Hinweise auf die Probleme bei der Zulassung, welche die Erprobung der Drohne "naturgemäß" riskant erscheinen ließen. Dass die Staatssekretäre jedoch die drohenden Mehrkosten genau kannten, verschweigt das Papier.
Auf die konkrete Frage des Abgeordneten nach "Kostensteigerungen" blieb das Ministerium stattdessen abstrakt: "Weitere Zusatzkosten" beim "Euro Hawk" seien zwar nicht auszuschließen, allerdings sei die Höhe "aufgrund des Risikocharakters nicht abschätzbar".
Für den Linken ist die Verschleierung ein Skandal. "Der Minister belog das Parlament zweimal", sagt Leutert. "Zuerst wurden mir die bekannten Risiken verschwiegen, und heute behauptet er in seiner Chronologie auch noch, wir seien schon 2012 vollständig informiert worden."
Konsequente Schweigsamkeit
Der Vorfall dürfte auch bei der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses an diesem Montag eine Rolle spielen, wenn sich de Maizière erneut rechtfertigen muss. Die Schweigsamkeit setzte sich bis Mai 2013 konsequent fort. Zwar gaben die Staatssekretäre Anfang des Jahres auf sehr konkrete Fragen aus den Reihen der SPD und der Grünen zu, dass es Probleme und mögliche Mehrkosten gebe. Die magische Zahl von einer halben Milliarde Euro aber verschwiegen sie dem Parlament. Erst als das Ministerium im Mai 2013 die Reißleine für das Projekt gezogen hatte, wurde sie dem Parlament erstmals genannt.
Nicht nur gegenüber der Opposition gab sich das Ministerium zugeknöpft. Ende April fragte die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff nach den Problemen beim "Euro Hawk". Auf dem Sprechzettel für Staatssekretär Beemelmans für den Verteidigungsausschuss am 24. April taucht die horrende Zahl der drohenden Mehrkosten von 500 Millionen Euro zunächst auch noch auf, sie wurde dann aber gestrichen. Stattdessen berichtete er dem Mitglied der schwarz-gelben Koalition nur von drohenden Kosten im mittleren dreistelligen Millionenbetrag.
Indirekt hat de Maizière die Beschönigung gegenüber dem Parlament, die einer Vertuschung nahekommt, bereits eingestanden. Abstrakt erwiderte er am vergangenen Mittwoch in der vertraulichen Sitzung des Verteidigungsausschusses auf Kritik an der Informationspolitik seines Hauses, "dass das BMVg in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten nicht gern über Probleme berichtet habe". Dass er danach sagte, er wolle dies nun ändern, wohlgemerkt nach der Katastrophe beim "Euro Hawk", dürfte die Kritik an ihm nicht abflauen lassen.
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Neuer Ärger für Thomas de Maizière: Obwohl sein Haus die Probleme bei der Zulassung des "Euro Hawk" seit Februar 2012 kannte, wurden Fragen aus dem Parlament ausweichend beantwortet. Die Linken-Fraktion spricht von einer "doppelten Lüge".
In dem 67-seitigen Bericht, den de Maizière als Chronologie des Scheiterns beim "Euro Hawk" vorlegte, wird die Information des Parlaments falsch dargestellt. Die Staatssekretäre Stéphane Beemelmans und Rüdiger Wolf wurden bereits am 8. Februar 2012 über die drohenden Mehrkosten von bis zu 500 Millionen Euro informiert.
Landung in Deutschland: Am 21. Juli 2011 flog das Testmodell des "Euro Hawk" von den USA nach Deutschland. Spätestens bei dem rund 10.000 Kilometer langen Flug mit komplizierter Routenführung wurde klar, dass die Zulassung für den europäischen Luftraum schwierig werden könnte.
Verteidigungsminister Thomas de Maizière mit "Euro Hawk"-Modell: Für Experten kommt das Ende des Projekts keineswegs überraschend - zumal es eine lange Geschichte hat, wie...
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