"Euro Hawk"-Untersuchungsausschuss Opposition kritisiert ausbleibende Aktenlieferung

Thomas de Maizière (Archivbild): Schwere Vorwürfe gegen den Minister
Foto: Michael Kappeler/ dpaBerlin - Schon vor dem eigentlichen Start des "Euro Hawk"-Untersuchungsausschusses gibt es neuen Ärger zwischen der Regierung und der Opposition. So beklagen Politiker von SPD und den Grünen, dass vor allem das Bundesverteidigungsministerium unter der Leitung von Thomas de Maizière wichtige Akten für die Aufklärung der Vorgänge um das millionenschwere Desaster bei der Entwicklung der Aufklärungsdrohne bisher nicht an den Ausschuss übergeben hat.
Omid Nouripour, verteidigungspolitischer Sprecher der Grünen, warf dem Minister deswegen vor, er wolle die Durchleuchtung der Vorgänge im eigenen Haus weiter verschleiern. Auch die SPD forderte, die Akten nun rasch zu liefern.
Der Zeitplan für den Ausschuss ist eng, im Turbo-Tempo sollen die Mitglieder des Verteidigungsausschusses in sechs Wochen alle wichtigen Akten sichten, alle relevanten Entscheidungsträger aus der Politik, der Bundeswehr und der Industrie als Zeugen hören und noch vor der Bundestagswahl im September einen Abschlussbericht vorlegen.
Im Zentrum stehen die Fragen, ob man das vor Jahren gestartete Milliardenprojekt nicht bereits sehr viel früher hätte abbrechen müssen und ob Minister de Maizière die Wahrheit darüber gesagt hat, wann er über die massiven Problemen informiert worden ist. Für die Opposition sind deswegen die internen Akten, Vermerke und Protokolle von Chefsitzungen aus de Maizières Haus wichtige Beweisstücke.
Bisher allerdings sind nicht sehr viele dieser möglicherweise brisanten Akten eingegangen. Laut einer Auflistung der Grünen-Fraktion traf bis Freitagabend weniger als die Hälfte der angeforderten Akten beim Bundestag ein, viele der Lieferungen seien zudem unvollständig.
In einer Grafik haben die Mitarbeiter der Fraktion die entsprechenden Beweisanträge, insgesamt sind es 100, aufgeführt und die Lieferung von Akten dahinter entweder mit grün für erhaltene Akten, gelb für eine Teillieferung und rot für gar nicht übergebene Akten gekennzeichnet. Obwohl von anderen Ministerien und Behörden schon bis zu 130 Aktenordner an den Bundestag übergeben worden sind, so die Liste, sieht es bei de Maizières Haus meist rot oder gelb aus.

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Verteidigungsexperte Nouripour erhob wegen der ausbleibenden Lieferungen schwere Vorwürfe gegen de Maizière. "Ich habe den Eindruck, dass der Minister den Zeitdruck, unter dem wir mit dem Ausschuss stehen, für sich nutzen will", sagte Nouripour SPIEGEL ONLINE, "so will er die Aufklärung verschleppen".
Deswegen forderte der Grünen-Politiker das Ministerium auf, eilig die verlangten Akten nachzuliefern. Ohne diese könne man viele der Zeugenvernehmungen nicht vernünftig vorbereiten. Auch der SPD-Mann Rainer Arnold zeigte sich erbost über die Nicht-Lieferung. "Die Regierung muss in dieser Woche komplett liefern", sagte Arnold SPIEGEL ONLINE, "sonst setzt sie sich dem Verdacht der mutwilligen Vertuschung aus".
Grundsätzlich war eine erste Frist für die Aktenübergabe bereits am vergangenen Freitag abgelaufen, am Abend trudelten jedoch nur Teile der angeforderten Beweise ein. Dabei, so die Auflistung der Grünen, handelte es sich jedoch hauptsächlich um Material, das in den ersten Wochen der Affäre bereits entweder dem Verteidigungs- oder dem Haushaltsausschuss vorgelegt worden war.
Vor allem bei den Akten aus dem Ministerium von de Maizière aber fehlten noch immer die entscheidenden Aktenordner. Aus dem Ministerium war zu hören, dass man wegen der Fülle an Unterlagen etwas mehr Zeit brauche, mit Verschleppung habe das nichts zu tun.
Zentral dürfte bei dem Ausschuss die Frage werden, wann und wie konkret de Maizière als Minister nach seinem Amtsantritt im März 2011 von den massiven Zulassungsproblemen bei der Drohne "Euro Hawk" erfuhr und wie er auf diese Informationen reagierte. In seinen Erklärungen zu der Affäre hatte sich der Minister festgelegt, erst im Mai 2013 davon erfahren zu haben, dass eine Luftraumzulassung für den fliegenden Datenstaubsauger nur durch neue Investitionen von fast einer halben Milliarde Euro zu erreichen sei.
Vorher habe er zwar abstrakt von Problemen erfahren, diese seien ihm aber als lösbar dargestellt worden. Findet sich in den Akten nun ein Vermerk, der den Ablauf anders darstellt, geriete de Maizière in große Probleme.

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Bereits heute gibt es an der Darstellung des Ministers erhebliche Zweifel. So hatte die "Süddeutsche Zeitung" vor einigen Wochen über eine sogenannte Informationsmappe berichtet, die de Maizière für einen Besuch bei der Rüstungsindustrie im Dezember 2012 erhielt und dies auch quittierte. In dem sechsseitigen Papier zum "Euro Hawk" war schon damals von massiven Problemen "aufgrund der Zulassungsproblematik und weiterer Unsicherheiten" die Rede. Abschließend sahen die Experten aus de Maizières Haus schon damals "keine Grundlage gegeben, um eine Entscheidung für eine Serienbeauftragung zu befürworten oder gar zu treffen".
Das Ministerium reagierte auf den "SZ"-Bericht von Mitte Juni mit einer sehr formalen Erklärung, demnach habe es sich bei der Mappe lediglich um eine Information gehandelt, nicht aber um eine sogenannte Ministervorlage mit der Bitte um eine Entscheidung.