Schuldenkrise Schwarz-Gelb stellt sich auf Volksabstimmung zur EU ein

Die Bundesregierung bereitet sich offenbar auf eine Volksabstimmung zur EU vor. Erst deutete Finanzminister Schäuble ein mögliches Referendum an, nun legt FDP-Fraktionschef Brüderle nach. Entscheidend sei, wie viel Souveränität Deutschland in der Euro-Krise abgeben müsse.
Politiker Brüderle, Schäuble: Mögliches Referendum zur EU

Politiker Brüderle, Schäuble: Mögliches Referendum zur EU

Foto: A3464 Rainer Jensen/ dpa

Berlin - Angesichts der Schuldenkrise hält auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle ein Referendum über die politische Zukunft der EU für möglich. "Wir können an einen Punkt kommen, an dem eine Volksabstimmung über Europa notwendig wird", sagte Brüderle dem "Hamburger Abendblatt". Die weitere Entwicklung der Krise werde zeigen, wie stark die EU-Länder zur Aufgabe von Souveränität aufgefordert seien. Nötig seien auf jeden Fall gemeinsame Mechanismen, etwa im Umgang mit den Banken.

Brüderle verwies auch auf das für September erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Eilanträge gegen den Euro-Rettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt. Dann werde das Gericht erklären, "in welchen Punkten die Grenzen des Grundgesetzes erreicht werden".

Ähnlich hatte sich schon im Juni Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble geäußert. Er rechne damit, dass die Deutschen als Konsequenz aus der Krise eher früher als später über eine neue Verfassung abstimmen müssen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat sich offen für eine Volksabstimmung ausgesprochen. Er plädierte für eine gemeinschaftliche Haftung für die Schulden aller Euro-Staaten bei gleichzeitiger strenger gemeinsamer Haushaltskontrolle. Dafür müsse ein Verfassungskonvent eine Grundgesetzänderung erarbeiten, die dann den Bürgern in einer Volksabstimmung vorgelegt werden solle.

Kritisch äußerte sich Brüderle über die Entwicklung Griechenlands. "Wir sehen mit Sorge, wie stark Kapital aus dem Land ins Ausland gebracht wurde, insbesondere durch die griechische Oberschicht", sagte er. Längst nicht alle Reformzusagen seien umgesetzt worden. Auch die wirtschaftliche Erholung stocke. Europa könne nicht unbegrenzt Solidarität zeigen, wenn die erwarteten Gegenleistungen nicht erbracht würden. Einen Euro-Austritt der Griechen nannte Brüderle politisch nicht wünschenswert, aber ökonomisch wahrscheinlich verkraftbar.

Rösler kritisiert Bündnispartner CSU wegen Griechenland-Äußerungen

FDP-Chef Philipp Rösler geht in der Debatte um einen möglichen Austritt Griechenlands mit dem Koalitionspartner CSU hart ins Gericht. "Für die FDP ist die europäische Einigung eine Herzensangelegenheit", sagte Rösler. "Das unterscheidet uns von der CSU, für die das vereinte Europa offenbar nur ein zweitrangiges Anliegen ist." Allerdings hatte auch Rösler gesagt, für ihn habe der Austritt des krisengeschüttelten Landes längst seinen Schrecken verloren.

Der Vizekanzler und Wirtschaftsminister sprach sich nun für ein klares Regelwerk aus, das von allen Staaten der Euro-Zone eingehalten werden müsse. "Wer sich an die Regeln hält, Haushaltsdisziplin übt und eigene Reformanstrengungen unternimmt, der kann auf unsere Solidarität bauen", sagte Rösler. Wer allerdings gegen die Vereinbarungen verstoße, könne nicht mit weiteren Hilfen rechnen: "Europa und der Euro haben ihren Preis, aber auch ihren Wert."

Zudem betonte der Vizekanzler, Deutschland und die hiesigen Unternehmen profitierten von Europa und dem Euro. "Auch deshalb müssen wir dafür Sorge tragen, dass unsere gemeinsame Währung neues Vertrauen gewinnt", sagte Rösler. "Nur dann bleibt Europa stark."

Auch Bayerns Vize-Ministerpräsident Martin Zeil, ebenfalls von der FDP, meldete sich zu Wort. Er fordert von den Euro-Krisenländern, ihre Finanzen durch eine Zwangsanleihe bei ihren eigenen Bürgern zu stabilisieren. "Alle Länder müssen zuerst die Möglichkeiten nutzen, die sie im eigenen Land haben - etwa die Vermögen ihrer eigenen Bürger", sagte Zeil der "Passauer Neuen Presse". In Spanien und Italien seien die Privatvermögen viermal so hoch wie die Staatsschulden. "Offensichtlich gibt es also großes Potential für Schuldenländer, im eigenen Land tätig zu werden, ehe man nach deutschem Geld ruft. Durch eine rückzahlbare Zwangsanleihe bei den eigenen Bürgern könnten diese Länder ihre Schuldenkrise in den Griff bekommen."

Es sei nur gerecht, wenn diese Länder "erst einmal ihre eigenen Bürger zur Sanierung des Landes heranziehen", sagte der bayerische Wirtschaftsminister - schließlich seien die Hilfen aus den Rettungsschirmen "nichts anderes als eine Zwangsanleihe beim deutschen Steuerzahler".

ffr/Reuters/dapd/dpa-AFX
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