Euro-Krise Die Sprengmeisterin

Mit dem Beschluss von Brüssel ist Europa der Rettung seiner Währung ein gutes Stück näher gekommen. Dies ist vor allem das Verdienst der Kanzlerin. Jetzt kann sich Angela Merkels Politik der Chaosbewältigung auszahlen - auch für sie persönlich.
Euro-Krise: Die Sprengmeisterin

Euro-Krise: Die Sprengmeisterin

Foto: Benoit Doppagne/ dpa

Wenn es stimmt, dass das Streben des Politikers dem Machterhalt gilt, dann ist Angela Merkel diesem Ziel in der vergangenen Nacht ein gutes Stück näher gekommen. Die Einigung von Brüssel ist in erster Linie ein Erfolg für die deutsche Kanzlerin, sie hat sich in etlichen Punkten durchgesetzt und mit etwas Glück ist Europa nun auf dem richtigen Weg, um die Schuldenkrise zu überwinden.

Natürlich kann die Sache auch noch schiefgehen. Der Rettungsprozess ist längst noch nicht beendet. Doch ist nun erstmals in all dem Chaos um Griechenlands Schulden etwas Klarheit zu erkennen. Merkel hat in den vergangenen Monaten dazugelernt: Sie ist von der Getriebenen zur Gestalterin geworden. Sie hat so Vertrauen geschaffen - und dies dürfte sich über kurz oder lang auch in Wählerstimmen für sie auszahlen.

Kontrollierte Sprengung

Merkel hat die Sprengung eines sehr maroden Hauses vorbereitet. Sie hat dem Druck widerstanden, sofort auf den Auslöser zu drücken. Nun gibt es eine kontrollierte Sprengung: Alle Umstehenden haben wenigstens Helme auf, und es gibt Schutzwälle, die die Trümmer abfangen können.

Der Brüsseler Gipfel ist ein Zwischenschritt, viele Gipfel werden noch folgen. Etliche Fragen sind noch ungelöst. Hängt Europa bald am Tropf der Chinesen, weil sie Italiens Anleihen kaufen? Überstehen die Banken wirklich den Schuldenschnitt? Beugen sich Griechenland, Italien und andere Schuldensünder dem deutschen Spardiktat? Und wie kann die Vereinigung Europas vorangebracht werden? Aber: Endlich gibt es wenigstens ein paar Fortschritte.

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Krisengipfel: Brüssels lange Nacht

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Der Schuldenschnitt für Griechenland ist unausweichlich, damit das Land wieder auf die Füße kommt. Ebenso wichtig ist es, dass nicht allein die Steuerzahler die Folgen der hemmungslosen Verschuldungspolitik tragen, sondern auch die Profiteure dieser Politik, die Banken, einen großen Beitrag leisten. Und: Es ist richtig, diesen Schuldenschnitt erst in Angriff zu nehmen, wenn einigermaßen sichergestellt ist, dass es dadurch nicht zu einem Finanzkollaps in anderen hochverschuldeten Ländern kommt. Für diesen Fall ist mit dem gehebelten Rettungsschirm EFSF zumindest einigermaßen vorgesorgt.

Merkels Vorteil

Merkels scheinbare Schwäche wird in der Krise zum Vorteil: Im Gegensatz zu anderen (Männern) stürmt sie nicht voran, sondern geht tastend, vorsichtig zu Werke. Wo die Öffentlichkeit und die Finanzmärkte oft hysterisch bis kopflos agieren, entschleunigt sie. Nicht Merkel passt sich dem Druck der Märkte an, sondern die Märkte sollen ihrem Primat der Sachlichkeit folgen. Das beste Beispiel: Sie entschied, den Gipfel vom Sonntag in zwei Teile zu zerlegen. Geschadet hat es der Sache nicht, die Märkte reagierten gelassen.

Am Ende werden so Lösungen gefunden, die vielleicht nicht ideal sind und die womöglich auch spät kommen, aber sie wirken zumindest einigermaßen durchdacht - und können so auch zur Beruhigung beitragen.

Merkel präsentiert sich als gute Europäerin und ganz nebenbei kann sie noch zwei Widersacher neutralisieren. Im Wettstreit mit Nicolas Sarkozy um den Führungsanspruch in Europa hat sie derzeit die Nase vorn. Anders als von den Franzosen zunächst gefordert, bekommt der Rettungsschirm keine Lizenz zum hemmungslosen Schuldenmachen, sondern die Hebelung erfolgt über das deutsche Versicherungsmodell. Merkels Sieg.

Und: Die Opposition daheim wurde von ihr in eine Statistenrolle verbannt. Gabriel, Trittin, Steinmeier und Co. dürfen im Bundestag abnicken, was sie vorgibt.

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