CSU-Politiker Gauweiler Rückkehr des Scharfmachers

Die Personalie sollte auch Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel aufhorchen lassen: In der CSU soll Peter Gauweiler zum Parteivize aufsteigen. Der 64-Jährige hat sich vor allem als vehementer Euro-Kritiker einen Namen gemacht.
CSU-Politiker Gauweiler (Archivbild): Kandidatur als Parteivize

CSU-Politiker Gauweiler (Archivbild): Kandidatur als Parteivize

Foto: imago

Der Showdown war schon vorbei, die Nerven bei der CSU lagen immer noch blank: "Das können wir unseren Delegierten nicht mehr zumuten", sagte Generalsekretär Alexander Dobrindt. Mit massivem Einsatz der Parteiführung hatte es die CSU auf ihrem Nürnberger Parteitag gerade noch verhindert, dass Partei-Urgestein Peter Gauweiler auf dem Höhepunkt der Euro-Krise zum CSU-Vize aufsteigen konnte.

Zwei Jahre später sind die Bedenken wie weggewischt, Gauweiler steht vor einem späten Comeback. Der rechte Scharfmacher und Euro-Kritiker darf an die CSU-Spitze aufrücken, mit dem Segen von Horst Seehofer. Der Parteichef selbst hatte Gauweiler zuletzt überraschend als Parteivize vorgeschlagen.

Die Personalie gibt einen Vorgeschmack darauf, was von der CSU in den kommenden Monaten zu erwarten ist. Gauweiler hat sich in der Vergangenheit viele Spitznamen erworben. So war er der "schwarze Sheriff", weil er etwa als Innenstaatssekretär das Gladbecker Geiseldrama nachstellen ließ - als Beleg dafür, dass die bayerische Polizei die Sache im Griff gehabt hätte. Auch Drogensüchtige und Asylbewerber waren Ziel seiner umstrittenen Kampagnen. Aber wohl gegen nichts anderes zieht Gauweiler mit einer solchen Leidenschaft zu Felde wie gegen den Euro. Er ist dadurch zum "Euro-Rebellen" geworden.

"Esperantogeld", sagte Gauweiler einst verächtlich über den Euro. Er belässt es nicht bei scharfen Worten: Seit Jahren kämpft er immer wieder juristisch gegen Regelungen der EU. Vor dem Bundesverfassungsgericht wollte Gauweiler das Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags verhindern. Auch gegen den Euro-Rettungsschirm EFSF und dessen Nachfolgeinstrument ESM legte er Beschwerde ein. Gewinnen konnte Gauweiler die Klagen zwar nicht, er verlor sie aber auch nicht mit Pauken und Trompeten.

Begnadeter Redner, bayerischer Separatist

Jetzt strebt er in die CSU-Führung. Ein begnadeter Redner, ein bayerischer Separatist, Schutzpatron konservativer Werte, der ewige Außenseiter in der Partei, dem die Herzen der CSUler dennoch immer zuflogen. Brillant in der Analyse, unbeirrbar im Starrsinn - kaum ein Mann ist in der CSU so umstritten wie der Bundestagsabgeordnete und Rechtsanwalt. Ein Protestant, katholischer als mancher Katholik, ein später Verehrer des Märchenkönigs Ludwig II.

Für Kanzlerin Angela Merkel ist Gauweilers Wahl ein schwer kalkulierbares Risiko. Wenn er bislang in den Fernsehnachrichten gegen die Euro-Rettung grantelte, trat er als "Euro-Kritiker" auf. Wenn er künftig gegen die Pläne Merkels stänkert, spricht der CSU-Vizechef. Da hilft es auch wenig, dass der Posten in der CSU-Hierarchie wenig mehr ist als ein klangvoller Titel. Die wirkliche Macht in der CSU liegt, abgesehen vom Parteichef, bei den zehn Bezirksvorsitzenden und nicht bei den stellvertretenden Parteichefs.

Das Problem liegt woanders: Gauweilers Wahl würde sichtbar machen, was sich unterschwellig schon längst andeutet. In der Europapolitik gehen CDU und CSU getrennte Wege. Das gilt vor allem für den Umgang mit der eurokritischen Alternative für Deutschland (AfD). Die CDU will die aufstrebende Partei am liebsten ignorieren. Die CSU dagegen setzt darauf, die Position der AfD einfach mit abzudecken. Gauweilers kritische Töne gegen den Euro sollen dabei auch überspielen, dass die CSU im Gegensatz zur AfD natürlich keine Rückkehr zur D-Mark plant.

Dennoch will Gauweiler eine andere EU als Merkel. Er will die kleine Einheit, kein europäisches Riesenreich. "Uns Bayern ist es eigentlich egal, ob wir aus Berlin oder Brüssel fremdbestimmt werden", sagt er gern, "aber beides zusammen, das wird uns zu viel."

Seehofer setzt eine CSU-Tradition aufs Spiel

Auch für die CSU ist das nicht unproblematisch. Natürlich hat Seehofer die Europawahl im Mai 2014 im Blick und die Stimmung am rechten Rand seiner Volkspartei. Dennoch gehörte es auch immer zur Tradition der CSU, weltoffen und pro-europäisch zu sein. Es ist diese Reputation, dass die CSU immer fähig war, über den bayerischen Tellerrand zu blicken, die Seehofer aufs Spiel setzt.

Gauweilers Aufstieg ist auch ein Dankeschön für seinen Einsatz im Wahlkampf. Gemeinsam mit CSU-Urgestein Wilfried Scharnagl tourte er durch Bayerns Schlösser und Stadttheater, um die Parteiorthodoxen für den Wendehals Seehofer zu gewinnen. Es waren Sturmläufe gegen den europäischen Zentralismus und Bekräftigungen bayerischer Selbstherrlichkeit.

Jetzt bekommt Gauweiler als späte Genugtuung einen Posten an der Spitze. Sein Aufstieg in der CSU bis zum bayerischen Umweltminister war ins Stocken geraten, als sein Vorbild Franz Josef Strauß starb. Da war er 39.

Gauweiler arbeitete fortan als Anwalt, und er machte nie einen Hehl daraus, dass er dabei sehr gut verdient. Im Bundestag, in den er 2002 einzog, war ihm daher die Parteilinie oft egal, nicht nur bei Europa. "Ihr müsst entscheiden, ob Bush recht hat oder der Papst", schmiss er seiner CSU im Vorfeld des Irak-Krieges 2003 entgegen. Und die Schritte zur Euro-Rettung, die er vor dem Bundesverfassungsgericht zu torpedieren versuchte, hatte seine Partei zuvor mitgetragen.

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