Euro-Rettung Juncker drängt Verfassungsrichter zur Eile

Euro-Gruppen-Chef Juncker: Verhalten der Karlsruher Richter "nicht hilfreich"
Foto: Nicolas Bouvy/ dpaHamburg - Es ist ein deutlicher Appell aus Brüssel nach Karlsruhe. Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker kritisiert, dass sich das Bundesverfassungsgericht möglicherweise bis zum Herbst Zeit nehmen will, um über die Rechtmäßigkeit des Euro-Rettungsschirms ESM zu entscheiden. Das sei "nicht hilfreich", sagte Juncker dem SPIEGEL.
Er mahnte die Karlsruher Richter dringend zur Eile. "Ich denke, sie wissen, in welchen maximalen Zeiträumen wir uns bewegen müssen." Juncker spielte damit auf die für September vorgesehene Entscheidung an, ob Griechenland Mitglied der Währungsunion bleiben kann.
Das Gesetz für den ESM hatte ursprünglich bereits am 1. Juli in Kraft treten sollen, wurde aber wegen der eingereichten Klagen verschoben. Für das Eilverfahren in Karlsruhe war eigentlich mit einer Dauer von bis zu drei Wochen gerechnet worden. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle kündigte in der Verhandlung jedoch eine "verfassungsrechtlich vernünftige Prüfung" an. Diese könnte bis zu drei Monate dauern.
Unterdessen wächst die Sorge um Griechenland, das offenbar wichtige Sparziele erneut verfehlt hat. Die Frage nach einem Ausstieg der hochverschuldeten Griechen aus der Euro-Zone wollte Juncker noch nicht konkret beantworten, kritisierte aber: "Tatsache ist, dass die griechische Regierung das Programm nicht wie verabredet durchgeführt hat. Klar ist auch, dass es mehr Geld kosten wird, wenn wir Griechenland mehr Zeit geben, die vereinbarten Ziele zu erfüllen."
Erst wenn die Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank ihren Bericht vorlege, könne geklärt werden, ob die Europäer und der IWF bereit seien, die zusätzlichen Mittel aufzubringen. Athen hatte zuletzt um mindestens zwei Jahre Aufschub bei der Umsetzung von Sparvorgaben gebeten.
Im Streit um die Interpretation der Ergebnisse des letzten EU-Gipfels nahm Juncker Bundeskanzlerin Angela Merkel in Schutz. "Ich kann nicht erkennen, dass die Kanzlerin sang- und klanglos alles abgesegnet hätte, was ihr vorgelegt worden ist." Merkel war in Deutschland für ihr vermeintliches "Einknicken" gegenüber den anderen EU-Ländern teils scharf kritisiert worden.
Juncker kritisierte hingegen, dass sich der italienische Ministerpräsident Mario Monti als Sieger des Gipfels dargestellt hatte. "Es ist eine Unsitte, EU-Gipfel für die Inszenierung politischer Siege oder Niederlagen zu nutzen", sagte der Euro-Gruppen-Chef. "Es gilt, dass wir in Europa entweder alle gemeinsam gewinnen oder gemeinsam verlieren."
Juncker fordert Europäischen Präsidenten
Doch nicht nur von den Maßnahmen gegen die aktuelle Krise hat Juncker klare Vorstellungen - er plädiert auch für eine radikale Personalerneuerung an der Spitze der EU. Im SPIEGEL sprach sich Juncker für die Einsetzung eines Europäischen Präsidenten aus.
"Ich wäre dafür, am Ende des Prozesses das Amt eines Europäischen Präsidenten zu schaffen, der von den Bürgern der EU direkt gewählt wird". Als "Vorstufe" schlug Juncker vor, die Ämter des EU-Ratspräsidenten und des Kommissionspräsidenten zusammenzulegen.
Ebenso ist Luxemburgs Premier dafür, einen Europäischen Finanzminister zu etablieren. Dazu könnte man, so Juncker, "den Posten des Währungskommissars mit dem des Euro-Gruppen-Vorsitzenden zusammenlegen".
Juncker, dienstältester EU-Regierungschef, hatte im März angekündigt, sich von seinem EU-Posten zurückziehen zu wollen. Da sich jedoch keine einvernehmliche Nachfolgelösung abzeichnete, macht er zunächst weiter. Erst in der vergangenen Woche verlängerte er seine Amtszeit um sechs Monate.
Als seinen Nachfolger im Amt des Euro-Gruppen-Vorsitzenden wünscht sich Juncker den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble. "Schäuble erfüllt meiner Ansicht nach alle Bedingungen, um Chef der Euro-Gruppe zu werden", sagte er.
Der deutsch-französischen Idee, den Job zwischen beiden Ländern aufzuteilen, erteilte Juncker eine Absage. "Entscheidungen können in Europa zwar nur zustande kommen, wenn sich Frankreich und Deutschland einigen", so Juncker. "Richtig ist aber auch: Mit Alleingängen macht man sich bei den anderen Mitgliedstaaten nicht sonderlich beliebt."