Modernisierung der Bundeswehr Scholz stellt Finanzierung der Eurodrohne infrage

Modell der geplanten Eurodrohne bei der Paris Air Show 2019
Foto: Thierry Nectoux / Gamma-Rapho / Getty ImagesIn der Koalition bahnt sich ein neuer Konflikt wegen der Beschaffung unbemannter Drohnen für die Bundeswehr an. Nachdem die SPD den Kauf von Waffen für die »Heron«-Drohne verhindert hat, kritisiert Finanzminister Olaf Scholz nun die vom Verteidigungsministerium verhandelten Verträge für die sogenannte Eurodrohne. Sie soll von mehreren EU-Nationen entwickelt werden. Mit der ungewöhnlichen Intervention mischt sich Scholz erneut in das Geschäftsgebiet von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ein.
Scholz' Manöver ist in einem vertraulichen Begleitschreiben für eine sogenannte 25-Millionen-Euro-Vorlage aus dem Wehrressort versteckt. Mit der Vorlage bittet das Verteidigungsministerium den Haushaltsausschuss darum, die erste Tranche der Entwicklungsfinanzierung für die Eurodrohne freizugeben. Die Freigabe des Budgets soll quasi der Startschuss für das milliardenschwere Drohnenprojekt sein, das Airbus gemeinsam mit dem Rüstungskonzern Dassault für Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien entwickeln soll.
Finanzstaatssekretärin Bettina Hagedorn in einem Schreiben ans Verteidigungsministerium
Normalerweise reicht das Finanzressort solche Vorlagen aus anderen Häusern nach einer formalen Prüfung an den Haushaltsausschuss weiter. Im Fall der Eurodrohne aber gibt es eine ganze Reihe von Kritikpunkten.
So schreibt Scholz' Staatssekretärin Bettina Hagedorn, dass »auch nach Austausch mit dem Verteidigungsministerium erhebliche Bedenken an der Beschaffungsmaßnahme verbleiben«. Die Zweifel bezögen sich aber nicht auf die Drohne, sondern die Verträge für den Drohnendeal, der Deutschland rund drei Milliarden Euro kosten soll.
Die Liste an Kritikpunkten liest sich für das Verteidigungsministerium nicht gut. So bemängeln die Beamten aus dem Finanzministerium die »im Vergleich zu anderen Verträgen ungewöhnlich einseitig zu Lasten der Auftraggeberseite ausgestaltete Risikoverteilung, die zu nicht prognostizierbaren Mehrkosten in der Zukunft führen könnte«.
Der Satz ist brisant. Seit Jahren versucht die Bundeswehr mühsam, Verträge für große Waffensysteme besser als in der Vergangenheit zu verhandeln und so Pannen, Preisexplosionen und massive Verzögerungen zu verhindern.
Auch der zweite Kritikpunkt ist gewichtig. So schreibt die Staatssekretärin, für das Großprojekt seien für die Zeit nach 2025 jährliche Budgets im dreistelligen Millionenbereich vorgesehen. Allerdings sei für diese Mittel »eine Haushaltsvorsorge nicht erkennbar«. Im Klartext bedeutet das, dass die Finanzierung des Projekts aus heutiger Sicht nicht gesichert ist. Ein solcher Satz – ausgerechnet auf Briefpapier des Finanzressorts – dürfte die anderen Projektpartner in Paris hellhörig werden lassen.
Mit dem Begleitschreiben wälzt Scholz symbolisch das gesamte Risiko des Projekts aufs Wehrressort ab. Mehrmals betont die Staatssekretärin, dass die Verhandlungen, die Vergabe und der Abschluss der Verträge »alleine in der Ressortverantwortung des BMVg« lägen, das gelte auch für die »Abschätzung der Risiken« durch die Verträge und den späteren Betrieb. Ihr Haus lege dem Haushaltsausschuss die Pläne »trotz der erheblichen Bedenken« nur vor, »um das multinationale europäische Vorhaben nicht zu gefährden«, schreibt Hagedorn.
Für die SPD sind Drohnen ein Reizthema
Für Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer ist der Vorgang sehr ärgerlich. Zwar hat sie die ambitionierte europäische Drohnenidee nicht selbst angestoßen. Sie erwähnt das Vorhaben aber immer wieder als Beweis dafür, dass Deutschland und Frankreich eigene Rüstungsprojekte durchziehen und technisch verwirklichen können. Dass ausgerechnet der Vizekanzler und Finanzminister die Pläne der Verteidigungsministerin so hart kritisiert, ist weit mehr als ein kleiner Koalitionszoff.
Zudem hat Kramp-Karrenbauer ihrem SPD-Kollegen sein Agieren bei der Diskussion über die Bewaffnung der »Heron«-Drohnen noch nicht verziehen. Im Spätherbst 2020 verzögerte Scholz immer wieder die Weiterleitung einer entsprechenden Budgetvorlage an den Haushaltsausschuss. Gleichzeitig formierten sich die Drohnengegner in der SPD. Am Ende lehnte die Fraktion eine Entscheidung über die Bewaffnung komplett ab und setzte eine Kommission ein, die ethische Fragen des Drohnenkriegs beraten soll.

Drohne des Typs »Heron« bei einem Testflug (undatiertes Foto)
Foto: Maurizio Gambarini / Rheinmetall / dpaIn dieser Legislaturperiode wird es mit der Bewaffnung für die »Heron« nichts mehr. Im Verteidigungsministerium ist man sicher, dass Scholz die entsprechende Vorlage absichtlich nicht weiterleitete, um dem Flügel rund um SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, der den Einsatz von bewaffneten Drohnen strikt ablehnt, mehr Zeit zur Mobilisierung der eigenen Leute zu verschaffen. Auch Kramp-Karrenbauers Appelle, der Finanzminister möge sich beim Thema bewaffnete Drohnen endlich »fair« verhalten, brachten nichts.
Beim Prestigeprojekt Eurodrohne wollte Kramp-Karrenbauer deswegen kein Risiko eingehen. Vorsorglich sorgte sie dafür, dass die Sache im Koalitionsausschuss thematisiert wurde. Der SPD ließ sie dabei zusichern, über eine Bewaffnung der Eurodrohne würde erst zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Die Runde mit Kanzlerin Merkel mit den Parteichefs vereinbarte dann Anfang Februar, dass die Verträge für das europäische Projekt spätestens Anfang des zweiten Quartals 2021 gezeichnet werden können.
Grüne kritisieren Rüstungsmanagement
Dass Scholz nun erneut querschießt, könnte die Verteidigungsministerin als Kampfansage deuten. Die Grünen indes nutzten den Vorgang für Kritik an ihrem Management bei Großprojekten. »Dafür, dass Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer seit 2013 das Beschaffungswesen versuchen zu reformieren, hat diese Vorlage extrem gefährliche Schwachstellen«, kommentiert Verteidigungsexperte Tobias Lindner. Der strategische Stellenwert des Projekts dürfe kein Freibrief sein, Steuergeld zu verschwenden.
Von Unionsseite indes hagelt es Kritik am Koalitionspartner. »Finanzminister Scholz versucht aus parteipolitischen Motiven, sich möglichst weit von einem gemeinsamen Projekt der Bundesregierung zu distanzieren, das hat mit einem fairen Miteinander nichts mehr zu tun«, sagte der CSU-Verteidigungspolitiker Reinhard Brandl. Aussagen wie diese zeigen, dass es zwischen Union und SPD in Sachen Sicherheitspolitik kaum noch einen gemeinsamen Nenner gibt.