Terrorismus Hundert Frauen aus Deutschland kämpfen im Dschihad

Terror-Unterstützerin Karolina R. im Gericht: "Der IS zieht es wenigstens durch"
Foto: Marius Becker/ dpaKurz bevor sie festgenommen wurde, tippte Karolina R. in ihr Handy vom Typ Samsung Galaxy Tab 3: Der "Islamische Staat" (IS) "zieht es wenigstens durch. Er tötet alle, die nach der Scharia getötet werden müssen." Die Bundesanwaltschaft wertete unter anderem diese Äußerung als Beleg für ihre Verblendung. Die 26-Jährige habe "erschreckende Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben anderer gezeigt", so die Ankläger vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf.
An diesem Mittwoch hat der Senat die Konvertitin aus Bonn wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu drei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Sie habe ihrem Mann Fared Saal, der in den Reihen des IS kämpft, rund 5000 Euro zukommen lassen, so das Gericht. Ihr Verteidiger, der Bonner Rechtsanwalt Carsten Rubarth, hatte hingegen argumentiert, R. habe lediglich ihrem Gatten helfen und nicht die Terrormiliz unterstützen wollen.
Saal gilt als einer der radikalsten deutschen Dschihadisten in Syrien und ist ein enger Vertrauter des IS-Propagandisten Denis Cuspert. Ein Video etwa zeigt, wie Saal in der Nähe von Homs vor einem Leichenberg posiert, einen Toten mit dem Fuß tritt und ruft: "Wie ihr sehen könnt, haben wir geschlachtet."
Zahl der Dschihadistinnen hat sich verdoppelt
Der Fall von Karolina R. steht exemplarisch für ein Phänomen, das die deutschen Sicherheitsbehörden extrem beunruhigt: So hat sich die Zahl der Gotteskriegerinnen, die aus der Bundesrepublik nach Syrien oder in den Irak gezogen sind, innerhalb eines guten halben Jahres verdoppelt. Nach offiziellen Angaben gehen Polizei und Nachrichtendienste von 100 Frauen aus, die in den Dschihad gezogen sind. Die Hälfte von ihnen ist jünger als 25 Jahre, etwa 15 Prozent sind noch minderjährig.
"Wir beobachten, dass der Zulauf zum sogenannten 'Islamischen Staat' ungebrochen ist", sagt der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen. "Dabei sehen wir eine verstärkte Anziehungskraft gerade auf junge Frauen, die auf Rekrutierungsaktivitäten sowohl im Internet als auch durch persönliche Kontakte hereinfallen." (Lesen Sie hier den Bericht "Die Töchter des Dschihad" aus dem SPIEGEL.)
Die Motive der Terror-Touristinnen sind dabei so vielfältig wie die Lebenswege der Frauen. Fast immer aber spielt die Beziehung zu einem Mann auch eine Rolle bei ihrem Entschluss. Der Trend lasse sich wohl am ehesten emotional erklären, sagt der Terrorismusforscher Peter Neumann vom Londoner King's College: "Junge Mädchen fallen auf eine uralte romantische Idee herein: hier der strahlende Ritter, dort die erwählte Prinzessin an seiner Seite."
"Perfekte Terroristen"
In einer vertraulichen Analyse der Sicherheitsbehörden heißt es, der Aktionsradius von Frauen in der dschihadistischen Szene habe sich in den vergangenen Jahren stark erhöht. Sie übernähmen in den Kampfgebieten zwar weiterhin vor allem eine traditionelle Rolle und verübten nur in Einzelfällen Gewalttaten. Anders als ihre Partner seien sie aber vor ihrer Radikalisierung so gut wie nie polizeilich aufgefallen, würden kaum kontrolliert und seien daher die "perfekten Terroristen".
Zugleich hat sich auch die Gesamtzahl der aus Deutschland in Richtung Syrien ausgereisten Dschihadisten auf mehr als 700 erhöht, wie der SPIEGEL bereits am Samstag berichtet hatte. Fast zwei Drittel von ihnen sind Deutsche, knapp ein Viertel besitzt einen gültigen Aufenthaltstitel in der Bundesrepublik. Von den Terror-Touristen sind inzwischen 225 nach Deutschland zurückgekehrt, etwa 100 starben laut BfV in dem Bürgerkrieg.
Karolina R. war Anfang Mai 2013 mit ihrem Bruder, ihrem Mann Fared Saal und dem gemeinsamen neun Monate alten Sohn Luqmaan nach Syrien gezogen. In einem später verfassten Text, den Ermittler auf dem Computer in der Wohnung ihrer Eltern in Bonn fanden, schwärmte R. davon, "unter der Herrschaft der schwarzen Flagge zu leben - unter der Flagge des Islam".
Die junge Frau war nach dem Tod ihres Großvaters, dem sie sehr nahegestanden haben soll, zum Islam konvertiert und hatte sich schnell radikalisiert. In dem Text beschrieb sie ihre Erlebnisse in Syrien: Sie hätten in einem Dorf gelebt, es seien immer wieder Raketen und Bomben eingeschlagen. Die Männer seien tagsüber zu Kampfeinsätzen losgezogen und abends heimgekommen. In der Zwischenzeit hätten die Frauen gekocht, geputzt und sich um die Kinder gekümmert. Obschon sie nie angegriffen worden seien, rate sie doch jeder Schwester: "Lerne schießen und lerne die Waffe an sich kennen! Denn wenn es darauf ankommt, musst du sie bedienen können!"
Im Prozess hatte sich R. vom IS distanziert und angekündigt, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen.