Extremismusdebatte DGB-Chef rügt Kristina Köhler

Scharfe Kritik an der Familienministerin: DGB-Chef Sommer hält nicht von den Plänen Kristina Köhlers zum Kampf gegen den Extremismus. Beim Deutschen Gewerkschaftsbund kann sie sich in nächster Zeit nicht blicken lassen.
Von Sonja Bechtold
DGB-Chef Sommer bei der Pressekonferenz: Extremismus ist ein hochbrisantes Thema

DGB-Chef Sommer bei der Pressekonferenz: Extremismus ist ein hochbrisantes Thema

Foto: ddp

Berlin - Michael Sommer wollte bei seiner traditionellen Neujahrspressekonferenz vor allem über das Jahresprogramm des DGB sprechen. Aber in Rage geriet der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE dann bei einem anderen Thema - den Plänen von Familienministerin Kristina Köhler zur Extremismusbekämpfung. Die CDU-Politikerin hatte angekündigt, nicht mehr nur hauptsächlich den Rechtsextremismus zu bekämpfen, sondern die Maßnahmen auch auf Linksextremisten und Islamisten ausweiten zu wollen.

Der "Welt am Sonntag" sagte Köhler Anfang Dezember: "Wir haben uns im Koalitionsvertrag geeinigt, künftig Programme gegen Rechts- und Linksextremisten und auch islamistischen Extremismus auszurichten." Köhler bezog sich damit auch auf eine nicht endende Serie von Brandanschlägen auf Fahrzeuge und Gebäude in Berlin. Experten vermuten dahinter Täter aus dem linksextremistischen Spektrum. Unionspolitiker schlagen Alarm und warnen vor der wachsenden Bedrohung durch Linksextremisten.

Sommer sieht darin eine Gleichstellung von Rechts- und Linksextremismus, die er so nicht hinnehmen will: "Das ist ein hochbrisantes Thema für mich." Die bundespolitische Linie der Familienministerin sei wohl eher an der landespolitischen Linie der hessischen CDU ausgerichtet, die in der Extremismusfrage "nicht gerade dem politischen Mainstream entspricht".

Auch Oppositionspolitiker griffen Köhler scharf an. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte SPIEGEL ONLINE: "Kristina Köhler ist offenbar ahnungslos, welche Gefahr Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit für unsere Demokratie darstellen. Blauäugig wirft sie Links- und Rechtsextremismus in einen Topf und vergisst dabei die beschämende Zahl der Todesopfer rechtextremistischer Gewalt in unserem Land in den letzten Jahren. Ihre Pläne stellen de facto eine Kürzung der Programme gegen Rechts dar."

Sebastian Edathy, SPD-Innenexperte

, hält Rechtsextremismus in Deutschland für ein weitaus größeres Problem als Linksextremismus: "Bei Frau Köhler ist es leider aus ideologischen Gründen traurige Tradition, dass sie die Gefahr durch Rechtsextremisten unterschätzt. Bei jemandem wie Frau Köhler, die vor zwei Jahren noch die größte Gefahr in angeblich rassistisch motivierten Übergriffen von Ausländern gegen Deutsche sah, sind die Programme gegen Rechtsextremismus bestimmt in den falschen Händen."

Keine DGB-Einladung für Köhler

Wirtschaftsminister Rainer Bürderle (FDP)

Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU)

Sommer will in der nächsten Zeit einige neue Kabinettsmitglieder beim DGB empfangen, darunter Außenminister Guido Westerwelle (FDP), und - die neue Familienministerin will Sommer zunächst nicht kennenlernen. Er schloss ihren Besuch beim DGB vorerst aus und sagte zu SPIEGEL ONLINE: "Köhler wurde bisher nicht eingeladen, und das wird sie in der nächsten Zeit auch nicht." Der DGB wolle erst abwarten, ob Köhler in der Extremismusdebatte ihre Position beibehält.

Sommer kündigte außerdem an, der Gewerkschaftsbund wolle bei seinem Bundeskongress im Mai in Berlin explizit das Thema Extremismus aufgreifen und die Eröffnung unter das Motto "Kampf gegen Rechts" stellen. Er bekräftigte auch seine Forderung, dem Familienministerium die Verantwortung für das Thema Extremismus zu entziehen und diese komplett ins Innenministerium zu verlagern. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) "wäre eine gute Auffangadresse für solche Themen", sagte Sommer.

Die Familienministerin selbst hat sich seit Wochen nicht mehr an der Diskussion über Extremismusbekämpfung beteiligt. In den nächsten Tagen werden jedoch konkrete Zahlen zu den entsprechenden Programmen im Haushaltsentwurf des Familienministeriums zu finden sein. Der Entwurf könnte Klarheit darüber schaffen, was die Ministerin bei der Extremismusbekämpfung genau vor hat. Falls im Entwurf ein Etat für die Bekämpfung von Linksextremismus eingeplant ist, würde das wahrscheinlich bedeuten, dass für laufende Präventions- und Aussteigerprogramme für Neonazis demnächst weniger Geld zur Verfügung steht.

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