Fachkräftemangel Schwarz-Gelb lockt ausländische Arbeitnehmer
Berlin - Das Ziel ist klar, nur der Weg dahin ist umstritten: Union und FDP wollen den Fachkräftemangel in Deutschland bekämpfen, auch mithilfe von ausländischen Arbeitnehmern. Allerdings gibt es vor einem geplanten Gipfeltreffen nun Streit in der Koalition. Denn es kursieren höchst unterschiedliche Konzepte dazu, wie man die drohende Lücke mit qualifizierten Spezialisten schließen kann. Auch die Vorstellungen zwischen Bundesregierung, Unternehmen und Gewerkschaftern liegen teilweise weit auseinander.
- Die FDP fordert, die sogenannte Vorrangprüfungin sämtlichen Branchen abzuschaffen. "Jetzt fehlen vielleicht Ärzte und Ingenieure, morgen fehlen jedoch Fachkräfte in weiteren oder anderen Feldern", sagte Liberalen-Fraktionschef Rainer Brüderle dem "Hamburger Abendblatt". Bisher müssen Hochqualifizierte aus Nicht-EU-Staaten ein Mindesteinkommen von 66.000 Euro vorweisen, damit sie in Deutschland eine Arbeit aufnehmen dürfen. Diese Grenze will Brüderle deutlich senken. "Es ist illusorisch zu glauben, dass Fachkräfte gerade am Anfang ihrer Karriere diese Gehälter verdienen. Daher ist eine Absenkung auf 40.000 Euro geboten", sagte er.
- Die CSU lehnt eine Änderung des Zuwanderungsrechts hingegen ab. Der CSU-Wirtschaftsexperte Georg Nüßlein sagte der "Berliner Zeitung": "Wir brauchen da keine Änderung." Die von der FDP und Teilen der Union geplante Senkung der Gehaltsgrenzen sei nicht nötig. "Wer das will, will keine Fachkräfte holen, sondern billige Arbeitskräfte", sagte er.
- Die CDU schlägt vor, sich innerhalb der EU nach Fachkräften umzusehen. Der stellvertretende Unionsfraktionschef Michael Fuchs forderte die Bundesregierung auf, insbesondere in Spanien auf Fachkräftesuche zu gehen. "Spanien mit seiner extrem hohen Jugendarbeitslosigkeit hat für den deutschen Arbeitsmarkt hohes Rekrutierungspotenzial", sagte er dem "Hamburger Abendblatt". "Deutschland könnte gezielt junge Spanier mit Deutschkursen in Goethe-Instituten auf ein Berufsleben in Deutschland vorbereiten."
In der Regel muss ein Unternehmer nachweisen, dass es in Deutschland und der EU keinen geeigneten Bewerber gibt, wenn er eine freie Stelle mit einem Interessenten aus einem Drittland besetzen will. Die Bundesregierung will diese bürokratische Hürde aussetzen - doch noch ist offen, für welche Branchen die Regelung gekippt wird.
Ärzte und Ingenieure dringend gesucht
Am Mittwoch trifft sich zunächst das Kabinett, um eine Einigung zu erzielen, anschließend ist ein Gipfeltreffen mit Bundesregierung, Unternehmen und Gewerkschaften auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin geplant.
Bereits vor dem Gipfel will das Bundeskabinett beschließen, dass die Hürden für Zuwanderer aus Nicht-EU-Ländern in Bereichen mit besonders großen Fachkräfte-Lücken gesenkt werden: und zwar bei Ärzten und Ingenieuren.
Alle Beteiligten des Meseberg-Treffens hatten sich im Vorfeld mit Kanzlerin Angela Merkel auf eine gemeinsame Linie geeinigt.
- Die Zielgruppen des angestrebten Konsenses soll demnach vor allem die Chancen für Frauen, ältere Arbeitnehmer, Behinderte, Migranten, benachteiligte junge Menschen, Schulabbrecher, Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose erhöhen.
- Für eine höhere Erwerbsbeteiligung und mehr Vollbeschäftigung von Frauen sollen die Arbeitsbedingungen in den Betrieben familienfreundlicher und die Kinderbetreuung bedarfsgerechter werden.
- Älteren Arbeitnehmern müsse es ermöglicht werden, länger gesund in Beschäftigung zu bleiben, heißt es weiter.
- Angestrebt wird zur Fachkräftesicherung auch "ein hochwertiges, durchlässiges und möglichst frühzeitig ansetzendes Bildungssystem".
"Notwendig ist ein Konzept, das in erster Linie die inländischen Potenziale bestmöglich ausschöpft" und präventiv fördert, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. In dem Papier wird das Thema Zuwanderung aber als ergänzende Maßnahme angeführt.
Kreisen zufolge wurde vor der Formulierung des Abschlusspapiers bis zuletzt heftig gestritten, da vor allem die Arbeitgeber bei den Passagen zur Zuwanderung konkretere Formulierungen hätten durchsetzen wollen. Die Gewerkschaften bremsten aber.
"Gut ausgebildet, schlecht bezahlt"
Der an dem Treffen teilnehmende Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Michael Sommer, sagte der "Passauer Neuen Presse": "Die Forderung nach niedrigeren Einkommensgrenzen (für Zuwanderer) hat doch nur ein Ziel: Die Unternehmen wollen Billig-Hochqualifizierte - gute Qualifikation erwünscht, aber schlecht bezahlt. Das ist eine Schande."
Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Frank Bsirske, machte auf besondere Schwierigkeiten in der Pflegebranche aufmerksam. "Wir brauchen dringend Strategien für den enormen Fachkräftebedarf im Pflegebereich. Gerade in der Alten- und Krankenpflege ist der Mangel an Fachpersonal derzeit besonders akut", sagte Bsirske der "Rheinischen Post".
Nötig seien neben einer Verbesserung der Arbeitssituation in der Pflege vor allem auch bessere Bedingungen in der Aus- und Weiterbildung sowie bei der Umschulung interessierter Bewerber.