Fall Christian Klar RAF-Opfer rufen Köhler zu Gnaden-Verweigerung auf
Berlin - Horst Köhler hat laut einem Bericht des ARD-Hauptstadtstudios in den vergangenen Wochen mehrere Briefe von RAF-Opfern oder ihren Angehörigen bekommen. Darin sprechen sich diese entschieden gegen eine Begnadigung von Christian Klar aus. Die Polizistenwitwe Sigrun Schmid, deren Mann 1971 das erste Opfer der RAF war, schrieb demnach: "Ich kann es nicht glauben, dass Sie ernsthaft darüber nachdenken, Klar freizulassen (...). Klar zeigt bis heute keine Reue und Sie, Herr Bundespräsident, denken über seine Freilassung nach (...) Also Gnade für den Gnadenlosen!?"
Beate Keller, ehemals Stewardess auf der entführten Lufthansa-Maschine Landshut, erinnert Köhler daran, dass "Klar wusste, was ihn erwartet, als er Menschen tötete. Er hat sich von diesen Taten nie distanziert. Er weigert sich Reue zu zeigen."
Beide Briefe liegen dem ARD-Hauptstadtstudio vor. Weil Christian Klar bis heute seine Taten nicht bereut hat, lehnen alle Angehörigen, mit denen das ARD-Hauptstadtstudio gesprochen hat, eine Begnadigung Klars ab - die Schwester des getöteten Buback-Fahrers Wolfgang Göbel ebenso wie die Tochter des Justizwachtmeisters Georg Wurster, Sabine Reichel. Und keines der RAF-Opfer oder ihrer Angehörigen hat laut dem Bericht Verständnis für den Sinneswandel von Michael Buback.
Keller sagte im "Bericht aus Berlin": "Ich war sehr entsetzt, als ich aus den Medien erfahren habe, dass Michael Buback dafür ist, dass Christian Klar begnadigt wird. Ich kann das nicht nachvollziehen."
Die Begnadigung von RAF-Terroristen durch Bundespräsidenten hat laut dem Bericht bereits eine gewisse Tradition: Richard von Weizsäcker hat Angelika Speitel, Verena Becker und Bernhard Rössner begnadigt, Roman Herzog Helmut Pohl und Johannes Rau Adelheid Schulz und Rolf-Clemens Wagner - also insgesamt sechs.
An diesem Wochenende hat es neue Details über den Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback vor 30 Jahren gegeben. Die neuen Erkenntnisse werfen ein völlig anderes Licht auf den Fall. Nach SPIEGEL-Informationen hat der Ex-Terrorist Stefan Wisniewski, der bislang nicht direkt mit der Tat in Verbindung gebracht wurde, die tödlichen Schüsse abgegeben. Entsprechende Angaben machte das frühere RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock.
Politiker aller Parteien forderten, dass der Fall neu aufgerollt werde. Angesichts der neuen Erkenntnisse wächst der Druck auf die Sicherheitsbehörden. Der frühere Innenminister Gerhart Baum rechnet jetzt mit weiteren Enthüllungen der Terroristen. "Ich glaube, es gibt Anzeichen, dass das Schweigekartell aufbricht", sagte der FDP-Politiker im ZDF und fügte hinzu: "Wenn die neuen Erkenntnisse stimmen, müssten sicherlich Verfahren aufgerollt werden. Und zwar in Richtung Folkerts entlastend und in Richtung Wisniewski belastend."
Am Abend hat sich auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) für eine vollständige Aufklärung der Umstände des Buback- Attentats vom April 1977 ausgesprochen. "Es ist für die Geschichte Deutschlands wichtig, dass dieses einschneidende Kapitel an keiner Stelle im Unklaren bleibt", sagte er im ZDF. "Und deshalb ist es richtig, dass aufgeklärt wird, was aufklärbar ist." Auf die Frage, ob die jüngsten Hinweise für eine Begnadigung von Klar sprechen, sagte der CDU-Politiker: "Es ist für sich gesehen noch nicht besonders spannend, ob Menschen, die andere umgebracht haben, sich neu äußern, wer wen umgebracht hat. Mörder waren sie alle."
ler/AP/dpa