Fall Mollath Opposition nimmt Seehofers Justizministerin in die Zange

Bayerns Justizministerin Merk: Auftritt im Untersuchungsausschuss
Foto: Peter Kneffel/ dpaBeate Merk hat sich auf diesen Termin penibel vorbereitet. Die bedruckten Seiten, die vor ihr auf dem Tisch im Saal 3 des bayerischen Landtages liegen, liefern der Justizministerin des Freistaats den Stoff für ein mehr als einstündiges Statement im Mollath-Untersuchungsausschuss.
Aber bevor die 55-jährige CSU-Politikerin ihren Platz einnimmt, ihre Lesebrille aufsetzt und die Erklärung vorliest, bleibt sie demonstrativ für eine Weile vor dem Stuhl stehen. Ich bin hier mit aller Entschlossenheit, das soll diese Geste wohl signalisieren. Aber es kann kein angenehmer Termin sein für die Justizministerin, auch wenn Merk sich das nicht anmerken lässt.
Der Auftritt ist für Merk gleich aus mehreren Gründen schwierig.
- Erstens: Die Affäre um Gustl Mollath, der möglicherweise seit mehr als sieben Jahren zu Unrecht in der Psychiatrie einsitzt, zieht sich immer noch hin. Der Justizministerin werden dabei von der Opposition seit Monaten immer wieder Vorwürfe im Umgang mit der Affäre gemacht, wiederholt wurde der Rücktritt der Ministerin gefordert.
- Zweitens: Selbst beim liberalen Koalitionspartner gab es zuletzt spürbare Absetzbewegungen: Merk habe "die ein oder andere unglückliche Figur abgegeben", hatte etwa FDP-Fraktionschef Thomas Hacker am Donnerstag gesagt. Nötig sei eine Justizministerin, "die kraftvoll deutlich macht, dass die Rechtsstaatlichkeit in Bayern gewahrt ist".
- Drittens: Merk wird inzwischen auch in Teilen der CSU als Problemfall gesehen. Das liegt auch daran, dass sie zusätzlich zur Causa Mollath auch in der Verwandtenaffäre keine ganz glückliche Figur abgab.
Am Freitag wählt Merk den Weg der offensiven Verteidigung. Sie habe im Fall Mollath dann gehandelt, wenn es ihr rechtlich möglich gewesen sei, betont die Ministerin. So habe sie im November des vergangenen Jahres "innerhalb einer halben Stunde den Wiederaufnahmeantrag" für das Verfahren angeordnet. Damals seien "massive Zweifel an tragenden Feststellungen" im Gerichtsurteil bekannt geworden, so Merk, vorher habe es für sie keine Grundlage für ein Einschreiten gegeben.
2012 war unter anderem bekannt geworden, dass das Attest, welches Misshandlungen von Mollaths inzwischen geschiedener Frau durch den Nürnberger bescheinigen sollte und vom Gericht herangezogen wurde, eine "unechte Urkunde" war: Das Attest, auf das sich das Gericht stützte, war nicht von der Ärztin unterschrieben worden, sondern von ihrem Sohn. Mollath war 2006 schuldunfähig gesprochen worden und gegen seinen Willen in eine geschlossene Anstalt eingewiesen worden. Ihm wurden Gemeingefährlichkeit sowie ein "paranoides Wahnsystem" attestiert. Er habe seine Frau schwer misshandelt, hieß es damals im Urteil, zudem wurden ihm Sachbeschädigung und Freiheitsberaubung zur Last gelegt.
Gustl Mollath selbst sieht sich als Opfer der Justiz. Er hatte seiner Frau vorgeworfen, als Mitarbeiterin der Hypo-Vereinsbank in Schwarzgeldgeschäfte verwickelt zu sein. Mollath legte dazu ein 106-seitiges Konvolut vor, das neben zum Teil wirr anmutenden Passagen auch konkrete Vorwürfe enthielt, die sich später in großen Teilen als zutreffend herausstellten. Inzwischen wird in mehreren Fällen ermittelt. Damals verzichtete die Staatsanwaltschaft aber auf Ermittlungen.
Merk wies am Freitag auch Spekulationen zurück, sie habe sich erst auf Druck von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) verstärkt um den Fall Mollath gekümmert. "Einen Schubs hat er mir dafür nie geben müssen."
SPD fordert Seehofer zum Handeln auf
Die Opposition machte im Untersuchungsausschuss erneut deutlich, dass es aus ihrer Sicht für Merk schon deutlich früher Anlass gegeben hätte, sich in den Fall Mollath einzuschalten. Die Vertreter von SPD, Grünen und Freien Wählern bezogen sich dabei unter anderem auf Briefe eines Zeugen an das Justizministerium: Der Zahnarzt Edward Braun hatte bereits im November 2011 in einem Schreiben an Merk von einem Telefonat mit Mollaths Ex-Frau berichtet - darin soll diese gesagt haben, sie werde Mollath fertigmachen, wenn dieser sie wegen der Schwarzgeldvorwürfe anzeige.
Auch monierte die Opposition, dass die Behörden zunächst nicht den Schwarzgeldvorwürfen Mollaths nachgegangen seien. Es habe damals "keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für den Anfangsverdacht einer Straftat" gegeben, erwiderte Merk. Mehrfach wies die Ministerin auf die Unabhängigkeit der Justiz hin. "Das Ministerium ist nicht die Über-Staatsanwaltschaft, die sich einmischt", sagte Merk.
Die CSU-Politikerin bemühte sich um den Eindruck, persönlich am Schicksal Mollaths interessiert zu sein. Es lasse ihr "keine Ruhe", dass der Richterspruch gegen Mollath von vielen Menschen als Fehlurteil betrachtet werde. "Wichtig ist mir, dass aufgeklärt wird, ob Herr Mollath zu Recht oder zu Unrecht die Freiheit entzogen wurde." Das Landgericht Regensburg prüft derzeit, ob den Wiederaufnahmeanträgen - von der Staatsanwaltschaft Regensburg sowie der Verteidigung Mollaths - stattgegeben wird.
Es sei "kein Fehlverhalten der Justizministerin erkennbar", erklärte am Freitag Bernhard Seidenath, CSU-Obmann im Untersuchungsausschuss. Das Urteil der Opposition fiel weniger schmeichelhaft aus. Nach Auffassung der SPD-Fraktion wurde deutlich, "dass die Ministerin ihren Aufgaben nicht gewachsen ist und Seehofer sie deshalb umgehend von ihrem Amt entbinden muss".