Fall Sarrazin Wie funktionieren Parteiausschlussverfahren bei der SPD?
Mal wieder soll Thilo Sarrazin aus der SPD ausgeschlossen werden. Das ist schwierig, weil die Oppositionsmeinung innerhalb der Parteien geschützt wird. Parteien in Deutschland sind, so steht es im Grundgesetz, zu innerparteilicher Demokratie verpflichtet. Neben Stimmrechten und Minderheitenschutz müssen die Mitglieder auch gegen einen Ausschluss geschützt werden.
Dennoch können Parteien Mitglieder unter bestimmen Umständen ausschließen. In jeder Partei aber sind die Hürden dafür hoch. Die Staturen der einzelnen Parteien schreiben diese fest. Zuständig sind Schiedsgerichte bzw. -kommissionen, die nicht öffentlich tagen.
Parteiausschluss bei der SPD
Der Parteiausschluss ist in der SPD immer die höchste Sanktionsstufe eines Parteiordnungsverfahren, das in Paragraf 35 des SPD-Organisationsstatuts geregelt wird. Einleiten kann ein solches Verfahren jede Gliederung - Ortsvereine, Unterbezirke und Bezirke - sowie der Parteivorstand. Verantwortlich ist zunächst eine Schiedskommission des Unterbezirks, dem das Mitglied angehört gegen das sich das Verfahren richtet.
Das erste Verfahren gegen Sarrazin betrieb beispielsweise der SPD-Kreisverband Berlin-Spandau und die SPD-Abteilung Alt-Pankow. Das zweite Verfahren gegen ihn wurde nach der Veröffentlichung seines Buchs "Deutschland schafft sich ab" vom Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf, der Berliner Landes-SPD und der Bundes-SPD eingeleitet. Dieses Mal strengt das Verfahren der Bundesvorstand der SPD an.
Vor einem Ausschluss sind auch Rügen oder eine Art Aussetzen möglich. Das heißt, den Mitgliedern können für eine begrenzte Zeit bestimmte Rechte entzogen werden. Der Parteiausschluss ist sozusagen die Höchststrafe in einem Parteiordnungsverfahren. Die Schiedskommission darf nur dann ein Mitglied ausschließen, wenn es "vorsätzlich gegen die Statuten oder erheblich gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Partei verstoßen hat und dadurch schwerer Schaden für die Partei entstanden ist". (Lesen Sie hier ein Interview mit der Parteienforscherin Heike Merten zu den Hintergründen).
Wenn eine Gliederung den Antrag ordnungsgemäß bei dem verantwortlichen Unterbezirk einreicht, muss es innerhalb von sechs Monaten zu einer mündlichen Verhandlung kommen. Diese Verhandlung, die man sich ganz ähnlich einer Gerichtsverhandlung vorstellen kann, dient dann als Grundlage für die Entscheidung über einen möglichen Ausschluss. Gegen die Entscheidung kann auch Berufung eingelegt werden. Dann wird eine Schiedskommission auf Bezirksebene angerufen. Auch gegen deren Entscheidung kann Berufung eingelegt werden. Als höchste Instanz müsste dann die Bundesschiedskommission der SPD entscheiden.
Fälle von Parteiordnungsverfahren gegen SPD-Mitglieder:
- Die SPD-Spitze leitete 2015 ein Parteiordnungsverfahren gegen Edathy ein. Diesem wurde vorgeworfen, kinderpornografische Fotos zu besitzen. Der Fall landete vor der Bundesschiedskommission. Es kam zu einem Vergleich, Edathy wurde nicht aus der Partei ausgeschlossen, muss seine Rechte als SPD-Mitglied aber für fünf Jahre ruhen lassen.
- Im Januar 2008 hatte Wolfgang Clement, ehemaliger Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Superminister unter Gerhard Schröder, indirekt davor gewarnt, seine Parteikollegin Andrea Ypsilanti in Hessen zu wählen. In Bochum forderten Genossen daraufhin seinen Ausschluss. Die Bundesschiedskommission beließ es aber bei einer Rüge. Clement trat daraufhin selbstständig aus der SPD aus.
- Klaus Uwe Benneter war 1977 erst kurze Zeit Juso-Vorsitzender, als er aus der Partei ausgeschlossen wurde. Seine Äußerungen zur eigenen Partei und dem Verhältnis zum Kommunismus wurden ihm als "parteischädigend" ausgelegt. 1983 setzte sich Gerhard Schröder dafür ein, dass Benneter wieder beitreten konnte. 2004 schaffte Benneter es sogar, Generalsekretär der SPD zu werden.