
Liberale: Auf dem Weg nach Oben
FDP-Comeback Projekt 17
Christian Lindner hat abgenommen. Die Wahlkampfauftritte der vergangenen Monate haben auch körperlich ihren Tribut gefordert. Landauf, landab ist der FDP-Chef durch Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt getourt. Am Ende hat es einen Teilerfolg gegeben: gute Ergebnisse im Westen der Republik, aber die Fünfprozenthürde in Sachsen-Anhalt nicht überwunden.
Heißt: Der Plan, im Jahr 2016 die FDP zu stabilisieren und damit eine Basis für den Wiedereinzug in den Bundestag im kommenden Jahr zu legen, ist aufgegangen.
Am Dienstag machte Lindner, der in Nordrhein-Westfalen Landes- und Fraktionschef ist, von Düsseldorf aus eine Ansage: Im kommenden Jahr werde er sowohl bei der Landtagswahl im Mai als auch bei der Bundestagswahl im September als Spitzenkandidat der FDP antreten: Lindners Projekt 17.
Die NRW-Wahlen, so der Plan, sollen ihm ein "starkes Mandat" geben auf dem Weg nach Berlin: "Wenn die FDP unter meiner Führung bei der Landtagswahl ein starkes Ergebnis erhält, trägt das zum Politikwechsel hier im Land bei - und ist zugleich ein unüberhörbares Signal in die ganze Bundesrepublik", gibt sich Lindner überzeugt.
Deutschland-Koalition? Oder Ampel? Oder gar nichts?
Damit wird die Wahl in Nordrhein-Westfalen für die FDP zum entscheidenden Moment. Die Botschaft ist klar: Wer Lindner wählt, will ihn fünf Monate später auch im Bundestag sehen. Das ist der Lindner-Plan: NRW als Türöffner für die Bundestagswahl, um nach vier Jahren außerparlamentarischer Opposition wieder ins Parlament zurückkehren zu können.
Der Zeitpunkt für die Ankündigung seiner Spitzenkandidaturen war von Lindner bewusst gewählt. Denn es ist keineswegs sicher, dass die FDP bei den Landtagswahlen in diesem Jahr noch einmal so gut abschneiden wird wie zuletzt. Im September wird in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gewählt, beide FDP-Landesverbände sind traditionell schwach, beide bisher nicht in den Landtagen vertreten. Eine schwierige Aufgabe.
Die Erfolge in Baden-Württemberg (8,3 Prozent) und Rheinland-Pfalz (6,2 Prozent) sorgen zunächst einmal für Auftrieb. Zumal sich auch gezeigt hat, dass sich die befürchteten Wanderungsbewegungen von FDP-Wählern zur rechtspopulistischen AfD in Grenzen halten. Viel mehr votierten frühere CDU-und SPD-Wähler sowie im Osten Linke-Anhänger für die rechte Konkurrenz.
Bei aller Freude über die jüngsten Erfolge: Natürlich ist die Lage für Lindner und seine Partei jetzt alles andere als rosig. Denn plötzlich könnte die FDP wieder in ihre alte Rolle rutschen: die der Funktionspartei, der Mehrheitsbeschafferin für andere. Seit vielen Jahren hat sie ja mit dem Vorwurf zu kämpfen, prinzipienlos zu sein und nur eines zu wollen: an die Macht.
Lindner und Co. wissen um diese Gefahr. Sie wollen es diesmal anders - und besser machen. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hätte die Partei theoretisch die Chance, an der Regierung beteiligt zu sein:
- In Mainz böte sich eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen an;
- und in Stuttgart ist die sogenannte schwarz-rot-gelbe Deutschland-Koalition eine Option.
Doch eine Ampel hat Baden-Württembergs FDP bereits ausgeschlossen - was Lindner nur recht sein kann. Schließlich hatte Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke einen harten Oppositionskurs gegen die abgewählte grün-rote-Koalition geführt.
Zudem zeigt den Liberalen eine Infratest-Umfrage, dass eine deutliche Mehrheit der FDP-Wähler eine CDU-geführte Landesregierung will. Hinzu kommt: Lindner selbst will im kommenden Jahr einen entschlossenen Wahlkampf gegen die rot-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen führen, eine Ampel im wirtschaftlich starken Ländle hätte Fragen nach der Glaubwürdigkeit der FDP provoziert und ihn in die Defensive gebracht.
Auch die Deutschland-Koalition ist mittlerweile wohl außer Sichtweite, seitdem der SPD-Landesvorstand im Südwesten am Dienstag diese Konstellation ablehnte. So läuft es für die FDP in Stuttgart wohl auf fünf Oppositionsjahre hinaus.
Anders verhält sich die Ausgangslage in Rheinland-Pfalz. Dort ist vieles noch möglich. Auch, weil es hier eine lange Tradition einer sozialliberalen Koalition gibt - von 1991 bis 2006 regierten in Mainz SPD und FDP gemeinsam - immerhin 15 Jahre.
FDP-Spitzenkandidat Volker Wissing sagt zwar, es gebe "erhebliche Unterschiede" zu SPD und Grünen: "Auf keinen Fall wird Rheinland-Pfalz von der Richtung her so weiterregiert werden wie in den letzten fünf Jahren."
Eine knallharte Absage jedoch klingt anders.
Zusammenfassung: Die FDP ist nach den Landtagswahlen im Aufwind. Parteichef Christian Lindner kündigt in Düsseldorf an, im kommenden Jahr als Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen und für den Bund anzutreten. Der Urnengang im bevölkerungsreichsten Bundesland im Mai soll ihm ein "starkes Mandat" auf dem Weg zurück in den Bundestag geben.