FDP-Führungsdebatte Liberale sprechen über Westerwelle-Entmachtung

FDP-Politiker Genscher, Westerwelle: Suche nach der Integrationsfigur
Foto: Joern Pollex/ Getty ImagesBerlin - Der 9. Mai könnte für eine Zäsur bedeuten. An diesem Sonntag wird im bevölkerungsreichsten Land der Republik gewählt. Wenn die schwarz-gelbe Koalition in Nordrhein-Westfalen keine Mehrheit mehr findet, dürfte es mit dem innerparteilichen Frieden zu Ende sein - spätestens.
"Die Partei hat an Westerwelle immer den Erfolg gemocht. Eine nachhaltige Integrationsfigur ist er aber nicht", sagt ein führendes Mitglied der zu SPIEGEL ONLINE. "Wenn es in Nordrhein-Westfalen für die FDP schiefgeht, haben wir eine Personaldebatte." Dann müsse auch darüber nachgedacht werden, ob das Amt des Außenministers und des Parteichefs noch in einer Hand bleiben sollten.
Es ist ein Angriff aus der Deckung - noch gilt der FDP-Chef offiziell als unangefochten. Doch Westerwelle muss solche Zeichen ernst nehmen. In der Partei braut sich etwas gegen ihn zusammen.
Westerwelle hat die FDP zu ungeahnten Höhenflügen geführt. Landtagswahl für Landtagswahl wurde in den vergangenen zwei Jahren gewonnen, die Liberalen in die Landesregierungen in Hessen und Bayern geführt. Im Bund erhielt die Partei im Herbst gar 14,6 Prozent, ein historisches Rekordergebnis. Doch seit dem Regierungsantritt hat sich beim Wahlvolk Ernüchterung eingestellt. In den Umfragen fast aller Institute hat sich die Zustimmung für die FDP fast halbiert.
In der Partei wächst die Nervosität.
Es ist nicht nur der schrille Tonfall Westerwelles, der manche in der verstört - auch wenn viele in der FDP eine Debatte, wie viel Sozialstaat sich die Bundesrepublik leisten kann, durchaus führen wollen und für sinnvoll halten. Westerwelles Problem sei ein anderes, heißt es immer wieder: Er lasse keine starken Nebenakteure zu. Er binde nicht richtig ein.
Genscher als Vorbild
Sehnsüchtig erinnert sich mancher an die Zeiten . Als dieser noch Außenminister im Dauereinsatz war - ob in der sozialliberalen oder später in der schwarz-gelben Koalition - hatte er innenpolitisch starke Mitstreiter. Liberale, die sich keineswegs als bloße Nebenakteure sahen, sondern eigene, wahrnehmbare Persönlichkeiten. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff oder Wolfgang Mischnick, der langjährige Fraktionschef im Bundestag, zählten dazu. "Westerwelle lässt keinen neben sich hochkommen", sagen Partei-Insider.
Doch so einfach, wie es sich seine Widersacher machen, ist es auch wieder nicht. Westerwelles größter Vorteil ist: Es gibt derzeit weit und breit keinen, der ihm nachfolgen könnte.
Sein Bundesvizechef Andreas Pinkwart, selbst Landeschef in Nordrhein-Westfalen, versuchte dieser Tage, auf das Defizit in der Führung hinzuweisen. Die FDP müsse "mehr Gesichter in den Vordergrund stellen", verkündete er via Interview und erinnerte an die Zeiten unter Genscher. Dem sei es gelungen, die "Verantwortung mit starken Kollegen zu teilen" - eine Empfehlung an den jetzigen Vorsitzenden.
Genscher hat sich den Verzicht auf das Parteiamt leisten können
Pinkwarts Attacke wurde schnell eingefangen. sieht keinen Anlass für eine neue Struktur an der Spitze. "Die FDP ist ein Team", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Und fügte hinzu: "Aber einer muss das Team führen. Deshalb wurde ich zum Vorsitzenden gewählt."
Westerwelle kam 2001 an die Spitze der FDP. Er hat manche Krise durchgestanden. Dass er nach einer einzigen Wahlschlappe sein Amt freiwillig abgibt, gilt daher als unwahrscheinlich.
Doch manche in der Partei hoffen auf Einsicht und verweisen wiederholt auf Westerwelles Mentor . Dieser sei ein Vorbild, was Ämterteilung angehe. Der heutige Ehrenvorsitzende der FDP hatte 1982 den Wechsel seiner Partei von der SPD an die Seite der Union organisiert - was intern zu einer Zerreißprobe führte. Aus schlechten Wahlergebnissen und schwindender Zustimmung in der Partei zog er schließlich die Konsequenzen und verzichtete auf eine weitere Kandidatur. 1985 übergab Genscher schließlich den Vorsitz an Martin Bangemann.
Genscher habe sich den Verzicht leisten können, sagen Partei-Insider. Sein Charisma als erfahrener Außenpolitiker und Vizekanzler habe ihm auch so genügend Einfluss in der Partei gesichert.