Umstrittene Wahlrechtsreform FDP, Grüne und Linke ziehen vors Verfassungsgericht

Wie lässt sich die Zahl der Bundestagsabgeordneten senken? Nach jahrelangem Streit beschlossen die Regierungsparteien eine Wahlrechtsreform. FDP, Grüne und Linke gehen nun juristisch dagegen vor.
Bundestag (Mai 2020): jahrelange Diskussion über eine Wahlrechtsreform

Bundestag (Mai 2020): jahrelange Diskussion über eine Wahlrechtsreform

Foto: Britta Pedersen/ dpa

Der Bundestag soll 598 Abgeordnete haben – tatsächlich sind es aber mehr als 700. Dass das Parlament kleiner werden soll, ist unter den Parteien Konsens. Dafür wird umso heftiger darüber diskutiert, wie sich dieses Ziel erreichen lässt. Union und SPD haben mit ihrer Wahlrechtsreform einen Versuch gemacht. Doch der wird nun zum Fall für das Bundesverfassungsgericht.

FDP, Grüne und Linke wollen gegen die Reform eine sogenannte abstrakte Normenkontrolle beim höchsten deutschen Gericht anstrengen. Damit können Regeln des Bundes- oder Landesrechts auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz geprüft werden. Einen Antrag können die Bundesregierung, eine Landesregierung oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestags stellen.

»Änderung des Wahlrechts verfassungsrechtlich nicht haltbar«

Das neue Wahlrecht habe schwere Mängel und verletze die Verfassung, sagte Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion. Die Opposition ziehe nach Karlsruhe, »um diese Wahlrechtsreform der Großen Koalition, die ihr Ziel nicht erreicht, schlecht gemacht ist und die Verfassung unserer Ansicht nach verletzt, zu Fall zu bringen«. Buschmann kritisierte unter anderem, in dem Gesetz sei der Verteilmechanismus der Mandate zugunsten der Union gezielt verzerrt worden. Zudem sei er so schlecht und undurchschaubar formuliert, dass selbst Experten nicht wüssten, »was der Wortlaut des Gesetzes in Wahrheit meint«.

»Uns eint eine Überzeugung nach sorgfältiger Prüfung, dass die Änderung des Wahlrechts verfassungsrechtlich nicht haltbar ist«, sagte der rechtspolitische Sprecher der Linken, Friedrich Straetmanns. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, sprach von einem grottenschlechten Gesetz, das seinen Zweck nicht erfülle.

FDP, Linke und Grüne hatten schon während der jahrelangen Diskussion über eine Wahlrechtsreform eng zusammengearbeitet. So legten sie einen gemeinsamen Gesetzentwurf vor, der aber an der Mehrheit von CDU/CSU und SPD scheiterte.

Das Parlament beschloss die jetzige Reform Anfang Oktober. Sie ist auch in den Reihen der Regierungsfraktionen umstritten, was sich unter anderem daran zeigte, dass sich Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) der Stimme enthielt. Die Reform sieht vor, dass es bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr bei der Zahl von 299 Wahlkreisen bleibt. Überhangmandate einer Partei sollen teilweise mit ihren Listenmandaten verrechnet werden. Bei Überschreitung der Bundestags-Regelgröße von 598 Sitzen sollen bis zu drei Überhangmandate nicht durch Ausgleichsmandate kompensiert werden.

Ziel ist es, den auf 709 Abgeordnete angewachsenen Bundestag wieder zu verkleinern. Dass dies mit der Reform gelingt, bezweifeln aber viele Fachleute. Auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags bescheinigt der Reform in dieser Hinsicht nur geringe Wirkung.

asa/dpa
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