FDP in Aufruhr Auftakt zur liberalen Schlammschlacht

Will FDP-Chef Westerwelle den Wirtschaftsminister und die Fraktionschefin aus dem Amt drängen - und sich so selbst retten? Nach einem "FAZ"-Bericht soll er Nachwuchspolitikern einen solchen Deal angeboten haben. Doch die Abschusskandidaten wehren sich.
FDP-Chef Westerwelle und Gesundheitsminister Rösler: Geplatztes Bündnis gegen Brüderle?

FDP-Chef Westerwelle und Gesundheitsminister Rösler: Geplatztes Bündnis gegen Brüderle?

Foto: TOBIAS SCHWARZ/ REUTERS

Berlin - FDP-Chef Guido Westerwelle steht nach den verlorenen Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg unter Druck. Und versucht offenbar, sich selbst aus der Schusslinie zu bringen. Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) soll der Außenminister und Vizekanzler versucht haben, Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle und Fraktionschefin Birgit Homburger zum Rücktritt zu bewegen.

Und zwar durch ein internes Bündnis mit Jungpolitikern.

Angeblich soll er versucht haben, Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler, 38, und den NRW-Landesvorsitzenden Daniel Bahr, 34, mit ins Boot zu nehmen. Das Blatt berichtet, dass Westerwelle das Vorhaben im Berliner Restaurant "Ganymed" unweit der FDP-Bundeszentrale in Berlin-Mitte mit beiden besprochen haben soll. Rösler sollte demnach Bundeswirtschaftsminister werden, der bisherige Gesundheits-Staatssekretär Bahr dann Gesundheitsminister. Im Gegenzug, so die FAZ, hätten sie Westerwelle beim Angriff auf Brüderle und Homburger unterstützen sollen. Das aber sei misslungen, so das Blatt weiter und zitiert eine namenlose Quelle mit der süffisanten Bemerkung: "Obwohl Rösler sich schon als Wirtschaftsminister sah."

Aus der FDP-Zentrale hieß es zu dem Bericht: "Das ist blanker Unsinn", so eine Sprecherin. Es sei kein Geheimtreffen gewesen. Wie jeden Abend nach Urnengängen seien Mitglieder das Präsidiums, zum Teil in Begleitung ihrer Partner, ins "Ganymed" gegangen. Es seien am Sonntagabend rund 25 Personen dort anwesend gewesen.

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Guido Westerwelle: Extreme Höhen, extreme Tiefen

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Nach dem Wahldesaster hat zumindest auf Landesebene bei den Liberalen das Stühlerücken begonnen. Brüderle hatte am Montagabend - zusammen mit dem gesamten Landesvorstand - angekündigt, seinen Vorsitz als Chef der FDP in Rheinland-Pfalz auf einem Sonderparteitag im Mai zur Verfügung zu stellen. Damit endet eine Ära - Brüderle war 28 Jahre Landeschef. Beim Urnengang am Wochenende war seine Partei aus dem Landtag geflogen. Schon wurde geunkt, er könne auch als Minister zurücktreten. Doch Brüderle erklärte am Dienstagvormittag, nicht aus dem Wirtschaftsministerium ausscheiden zu wollen. Das Amt mache ihm "Spaß".

Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE soll Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am Montag im FDP-Präsidium erklärt haben: "Wir sollten alle nicht an unseren Stühlen kleben." Die Vorsitzende der bayerischen FDP, Repräsentantin des Bürgerrechtsflügels, will offenbar den Druck für die kommenden Präsidiumswahlen auf dem Bundesparteitag erhöhen, um damit einer Riege jüngerer Kräfte den Weg zu ebnen - möglicherweise auch unter Westerwelle. Im Mai in Rostock könnten einige der 30- bis 40-Jährigen nach oben aufrücken - etwa Rösler, den manche schon als neuen Parteivize handeln.

Altliberaler Baum fordert Jüngere zum Handeln auf

Der Machtkampf in der FDP scheint entbrannt. Homburger, Fraktionschefin im Bundestag und zugleich auch Landeschefin in Baden-Württemberg, ist offenbar nicht gewillt, freiwillig ihren Posten zu räumen, wie es ihr etwa der FDP-Fraktionschef aus Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, nahelegt. Derzeit schwirren viele Gerüchte in der FDP umher: Eines lautet auch, Leutheusser-Schnarrenberger wolle als Fraktionschefin kandidieren und damit Homburger ablösen. "Das sind Nebelgranaten", heißt es bei den Liberalen. Im November sind die regulären Neuwahlen der Fraktionsspitze angesetzt. Allerdings wird auch diskutiert, diese vorzuziehen, um das Erscheinungsbild der Fraktion im Bundestag zu verbessern. So wie es jetzt sei, könne es nicht weitergehen, hieß es aus der Fraktion.

Unterdessen hat der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum die junge Garde in der FDP um Rösler, Bahr und FDP-Generalsekretär Christian Lindner zu rascher Reaktion aufgefordert. "Die jungen Leute, die bisher nur geredet haben, sollen jetzt mal handeln! Wenn man hört, es gibt dann Machtkämpfe und Auseinandersetzungen - so what? Dann sollen sie eben stattfinden!", sagte der FDP-Politiker am Montagabend in der ARD-Sendung "Beckmann". Baum, der zusammen mit Leutheusser-Schnarrenberger zum Bürgerrechtsflügel der Partei gehört, sagte weiter: "Ich bemängle, dass sie bisher nicht mutig genug sind zu handeln. Sie sollen deutlich machen, dass die FDP wieder zu liberalen Themen und zu einer Themenbreite zurückfindet."

Massive Kritik aus der Union an FDP und Brüderle

In der CDU schieben unterdessen viele einen großen Teil der Schuld für den Machtverlust im Südwesten der FDP zu. "Die FDP hat sich nahezu halbiert und damit dem bürgerlichen Lager die Kraft genommen", beklagte der Thüringer CDU-Fraktionschef Mike Mohring am Dienstag in der "Bild"-Zeitung. Schon tags zuvor in der Präsidiumssitzung der CDU in Berlin war Sorge über die anhaltende Schwäche des Koalitionspartners laut geworden. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister forderte die FDP im "Hamburger Abendblatt" auf, die schlechten Wahlergebnisse "sehr gründlich" aufzuarbeiten.

Vor allem Brüderle haben die Christdemokraten im Visier. Dessen Aussage, das Atom-Moratorium der Bundesregierung sei auch dem Wahlkampf geschuldet, sei "nicht hilfreich" gewesen, sagte McAllister. Mohring fordert gar die Entlassung Brüderles aus dem Bundeskabinett: "Herr Brüderle hat in Sachen Kernenergie den Eindruck entstehen lassen, man wolle nicht tun, was man ankündigt", sagte Morhing der "Bild"-Zeitung. "Für die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung ein GAU. Der Mann gehört abgeschaltet."

Mohring, der Mitglied im CDU-Bundesvorstand ist, kritisierte auch Außenminister Guido Westerwelle scharf - wegen der deutschen Enthaltung bei der Libyen-Resolution im Uno-Sicherheitsrat. "Westbindung und europäische Integration sind Grundpfeiler der deutschen Außenpolitik", sagte Mohring. "Die hat Westerwelle kurz vor der Wahl mit seiner Haltung in der Libyen-Frage beschädigt. Ich frage mich, wie verlässlich der außenpolitische Kompass der FDP noch ist."

Auf die Hilfe des Bundesfinanzministers bei ihrem einstigen Lieblingsthema dürfen die Freidemokraten indes nicht hoffen. Wolfgang Schäuble (CDU) jedenfalls sieht keine Veranlassung, der FDP nun bei möglichen Steuersenkungen entgegenzukommen. "Vorrang haben weniger Schulden", sagte der CDU-Politiker der "Bild". "Und mit dem Unglück in Japan sind unsere Probleme bestimmt nicht geringer geworden. Niemand kann heute die Folgen dieser Katastrophe für die Weltwirtschaft abschätzen. Wir hatten und haben im Moment keinen nennenswerten Spielraum für Steuersenkungen bei dem Stand der Neuverschuldung."

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