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FDP in der Krise Der Kuschel-Putsch

Die neue Garde der FDP hat sich mit ihrer sanften Revolte keinen Gefallen getan. Die alten Gesichter dürfen bleiben - Rösler und Lindner fehlt offenbar der Mumm, ihre Interessen in der eigenen Partei durchzusetzen. Wie soll das erst werden, wenn es gegen Merkel, Seehofer und Co. geht?
Von Christoph Schwennicke

Ob Guido Westerwelle wohl sehr leidet? Am Verlust der Macht in der FDP sowieso, aber auch an der Art und Weise, wie sie ihm die Jungen entreißen? Es ist ein sonderbarer Putsch, den die junge Garde der Liberalen da gerade veranstaltet. Der sanfteste Putsch der deutschen Parteiengeschichte. Die neuen Machthaber versuchen einen Machtwechsel im Einvernehmen mit dem alten Regime. So geht das aber nicht. So ging das noch nie.

Als Westerwelle vor zehn Jahren für sich entschieden hatte, Vorsitzender der FDP werden zu wollen, da traf er sich in Hamburg in einem Hotel mit Wolfgang Gerhardt und machte dem Amtsinhaber klar: Ich trete gegen dich an. Und nur, dass du es weißt: Ich werde dir mittelfristig auch den Fraktionsvorsitz nicht lassen. Ein Trostpreis war nicht vorgesehen. Westerwelle gewann den Machtkampf gegen den von vielen als zu betulich empfundenen Gerhardt, hatte danach das alleinige Sagen und einen ewigen Feind als Vorsitzenden der Friedrich-Naumann-Stiftung. Damit konnte er leben.

Westerwelle hatte völlig recht. Es geht nicht ohne Königsmord. Angela Merkel hat ihn vollzogen, als ihr Ziehvater Helmut Kohl nicht einsehen wollte, dass er als Ehrenvorsitzender nicht mehr tragbar ist. Westerwelle hat ihn vollzogen, auch wenn man Gerhardt sicher nicht als einen ausgesprochenen Förderer Westerwelles bezeichnen konnte. Adoptiert hatte er den quirligen Generalsekretär allemal.

Die jungen Milden der FDP aber hätten am liebsten noch den Segen desjenigen, den sie gerade stürzen. Ich kann verstehen, dass ihr mich abräumt, ich bin euch nicht böse deswegen, solange ich das Außenamt behalten darf wie der Altbauer das Austragshäusl. Das möchten sie wohl gerne hören.

Philipp Rösler und Christian Lindner sind Ziehsöhne Westerwelles: Der eine, Lindner, hört sich im Radio so an, dass man ihn leicht für Westerwelle halten könnte. Satzbau, Melodie - alles hat er sich bei Westerwelle abgehört. Er klingt nur nicht ganz so metallisch dabei wie Westerwelle, irgendwie wärmer. Deshalb gilt er als einer der beiden Richtigen, so wie der freundliche Herr Rösler, von dem man sich ebenfalls nur schwer vorstellen kann, wie er künftig einer Merkel und einem Seehofer die Stirn bieten möchte. Rösler und Lindner haben offenbar nicht den Mumm, ihre Interessen im eigenen Laden durchzusetzen, wie bitte sollten sie das dann zugunsten ihrer Partei in einem Koalitionsausschuss schaffen?

Wenn die Söhne nicht den nötigen Mut für klare Verhältnisse aufbringen, müssen die Großväter ran, das Gebotene wenigstens zu benennen. Das in die Jahre gekommene sozialliberale Zwillingspaar Gerhart Baum und Burkhard Hirsch muss das Unaussprechliche aussprechen und klarmachen, dass Westerwelle natürlich nicht das Außenamt als Trostpreis behalten darf. Diese Konzession ebenso wie das bockige Beharrungsvermögen von Rainer Brüderle, die Verschonung von Fraktionschefin Birgit Homburger, all das behindert wirklich schlüssige Modelle einer Neuverteilung der Macht in der FDP.

Es ist, bei allem Respekt, Murks, was sich da derzeit als Gesellenstück der neuen Führung abzeichnet. Wenn er nicht noch behoben wird, werden Rösler und Lindner an den Folgen lange tragen. Sie verspielen gerade ihren Anspruch, künftig ernst genommen zu werden.

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