FDP-Krise Westerwelle geht aufs Ganze

Augen zu und durch: Die FDP will in Nordrhein-Westfalen ein Rekordergebnis einfahren und über zehn Prozent der Stimmen erzielen. Die großspurige Ankündigung ist ein Wagnis vor allem für Parteichef Guido Westerwelle - ihm droht die politische Total-Blamage.
FDP-Chef Westerwelle über die Zweitstimmenwahl in NRW: "Das verändert alles"

FDP-Chef Westerwelle über die Zweitstimmenwahl in NRW: "Das verändert alles"

Foto: Hannibal Hanschke/ dpa

Guido Westerwelle

Andreas Pinkwart

Landtagswahl

Berlin - will es, Parteivize auch: Die Liberalen in Nordrhein-Westfalen sollen bei der am 9. Mai die 10-Prozent-Marke knacken. Es wäre ein Rekordergebnis.

"Ich bin zuversichtlich, dass wir das noch erreichen können", sagt Pinkwart, der Spitzenkandidat. Westerwelle spricht von zehn Prozent plus X. Das ist reichlich optimistisch. Denn in der Öffentlichkeit ist das Image der Liberalen so lädiert wie seit langem nicht mehr. Ob Steuersenkungsplan oder Umfragewerte der Minister - die Liberalen kommen seit der Bundestagswahl einfach auf keinen grünen Zweig.

Westerwelle spielt va banque - wieder einmal. Landet seine FDP in NRW unter der ehrgeizigen Zehner-Marke ist er bis auf die Knochen blamiert. Schafft er hingegen den Sprung darüber, könnte er sich in der Pose des strahlenden Siegers präsentieren. Frei nach dem Motto: "Seht Ihr, ich habe es allen meinen Kritikern gezeigt!"

Es ist ein riskanter Plan: Die Enttäuschung über die Versprechen der FDP im Wahlkampf sitzt bei vielen Wählern tief. Allen voran erzielt Westerwelle die schlechtesten persönlichen Umfragewerte, die je ein Außenminister in der Bundesrepublik bekam. Nun wendet sich auch noch eine Kernklientel der Partei ab - die Manager. Nur noch sechs Prozent der Führungskräfte würden für die Partei stimmen, bei der Bundestagswahl waren es aus dieser Gruppe 37 Prozent, ließ das "Handelsblatt" in einer Umfrage jetzt ermitteln.

Christian Lindner

In der FDP heißt es angesichts der miesen Zahlen: Augen zu und durch. FDP-Generalsekretär , der seine Partei ohnehin sozialer machen will, gibt sich kämpferisch wie ein Sozialdemokrat: "Wie viele unserer 6,3 Millionen Wähler sind Manager? Tausend?", fragt er spitz und bemerkt, die "entscheidende Gruppe" der FDP sei die Mittelschicht.

Für die soll es auf dem Bundesparteitag Ende dieser Woche in Köln ein Signal geben - die FDP will einen neuen Fünf-Stufen-Plan zur Einkommenssteuer verabschieden. Er soll vor allem kleine und mittlere Einkommen entlasten. Der Plan hat nur einen Haken: Niemand weiß, ob er je realisiert wird.

Was wird nach der Landtagswahl?

Köln läutet für die FDP die heiße Phase des Landtagswahlkampfs ein. Er findet unter ungünstigen Vorzeichen statt. Rasant weggeschmolzen ist das Traumergebnis von 14, 6 Prozent bei der Bundestagswahl. Für die FDP geht es am 9. Mai in Nordrhein-Westfalen um nichts weniger als ihr Gewicht in der Bundespolitik. Scheidet sie dort aus der Regierung aus, ist damit auch die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat dahin. Das aber hätte unabsehbare Konsequenzen für den Kurs: Verloren ginge damit das Ziel der FDP, weitere Steuersenkungen bis spätestens 2012 durchzusetzen. Die SPD in Nordrhein-Westfalen hat bereits klargemacht, dass sie dafür in einer NRW-Landesregierung nicht die Hand heben würde. Blockade wäre wohl angesagt.

Westerwelle selbst hat gehörigen Anteil an dem Dilemma: Er hat die Liberalen hin zu einer Steuersenkungspartei getrimmt. Zwar kamen andere Themen vor der Bundestagswahl hinzu - Bürgerrechte und Bildung. Identifiziert wird die Partei aber weiterhin mit ihrem monothematischen Wahlkampfschlager "Mehr Netto vom Brutto". Aus dieser Falle kommt die Partei nicht heraus. Für die FDP, so analysiert es einer aus der Führungsriege, sei die Steuerfrage daher so wichtig wie für die Grünen das Festhalten am Anti-Atom-Kurs.

Westerwelle hat die Senkung der Steuern wiederholt als "Kernanliegen" seiner Partei bezeichnet - was, wenn er sie nicht mehr durchsetzen kann? Worin besteht dann noch die Funktion der FDP im Bund? Worin die des Chefs der Liberalen? Fragen, auf die die Liberalen nach dem 9. Mai möglicherweise schneller antworten müssen als ihnen lieb ist.

Derweil machen sich führende Liberale vor allem eines - Mut. Die Hoffnung der Partei auf einen satten Zugewinn in Nordrhein-Westfalen beruht auch auf einem neuen Wahlmodus: Erstmals können die Bürger zwischen Rhein und Ruhr eine Zweitstimme abgeben - wie bei den Bundestagswahlen. Davon hofft die Zweitstimmen-Partei FDP mächtig zu profitieren. "Das verändert alles", glaubt Westerwelle. Doch das ist nicht sicher - die Verluste der FDP in den Umfragen der jüngsten Monate deuten in eine andere Richtung - abwärts.

Es sieht derzeit nicht danach aus, als könnte die Traummarke von zehn Prozent auch nur annähernd erreicht werden. In allen wichtigen Umfrageinstituten der Republik pendeln die Liberalen in NRW seit Monaten zwischen 6 und 8 Prozent. Die Grünen dagegen laufen ihr mit 11 und 12 Prozent davon. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren erzielte die FDP in Nordrhein-Westfalen 6,2 Prozent - genauso so viel wie die Grünen.

Ausreden gesucht

Jürgen Rüttgers

In der FDP-Führung haben sie sich für den Wahlabend in Düsseldorf schon einmal Erklärungen zurechtgelegt. Erzielt die Partei nur ein bisschen mehr als vor fünf Jahren, kann man auf den Zugewinn verweisen - die FDP also zum "Irgendwie-doch-Sieger" deklarieren. Klappt es nicht mehr mit der Fortsetzung der Schwarz-gelben Koalition in Düsseldorf, wird man sich auch die Verluste der CDU genauer ansehen und entsprechend kommentieren. So wie es aussieht, eine wahrscheinliche Variante: Die Partei von kann ihren einstigen Traumwert von 44,8 Prozent in den Umfragen nicht halten, sie liegt unter 40 Prozent.

Hans-Dietrich Genscher

Der Abend von Düsseldorf könnte das politische Ende des Guido Westerwelle einläuten. Zwar dürfte eine Niederlage in seinem Heimatland keine unmittelbaren politischen Konsequenzen zeitigen - wohl aber über kurz oder lang die Debatte über seine Führungskultur entfachen. Schon vor geraumer Zeit war für den Fall einer Niederlage aus der FDP-Führungsspitze ein Modell lanciert worden: Westerwelle gibt das Parteiamt ab und bleibt Außenminister und Vizekanzler. So hatte einst Mitte der achtziger Jahre agiert, als er von sich aus nach einer Vertrauenskrise nicht mehr als FDP-Chef kandidierte. Das "Genscher-Modell" wäre eine kalte Entmachtung.

Philipp Rösler

Einen potentiellen Nachfolger hätte die FDP an der Hand: . Den Niedersachsen, der den Parteichef einst schon mal mit einem Strategiepapier herausforderte, beglückte Westerwelle mit einem der härtesten Jobs - dem des Bundesgesundheitsministers. Wenn der Plan gewesen sein soll, dass Rösler scheitert, so ist er bislang nicht aufgegangen. Der 37-Jährige hat sich durch seine Hartnäckigkeit mittlerweile in der Öffentlichkeit gute Noten erarbeitet. In der Managerumfrage kam er auf Platz eins unter den fünf FDP-Ministern.

Ihm gelang in jüngster Zeit ein kommunikatives Kunststück: Vom ungeliebten Modell der FDP-Kopfpauschale den Blick auf den Kampf gegen ungeliebte Pharmapreise zu lenken. Damit punktet er unter den Bürgern - ganz nach seinem eigenen Credo, die Liberalen wärmer und sozialer zu machen. In der FDP hat Rösler ohnehin einen guten Ruf. Wann immer er zuletzt auf Bundesparteitagen auftrat, erhielt er kräftigen Applaus. Westerwelle ist das nicht entgangen.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten