FDP im Überlebenskampf Lindner, Lindner und sonst nichts

Lindner-Plakat: "Das ist meine FDP"
Foto: Caroline Seidel/ dpaDüsseldorf/Berlin - Der junge Mann mit dem blonden Haar federt die Treppe herauf. Ernst blickt er in die Kamera und sagt: "Mein Name ist Christian Lindner. Ich arbeite dafür, dass Sie am 13. Mai wieder sagen können: 'Das ist meine FDP.'"
Neben dem Bildschirm, auf dem das liberale Werbevideo zu sehen ist, stehen fünf Plakate mit Botschaften wie "Schulen besser machen und nicht gleicher" oder "Besser viel bewegen als im Stau ersticken". Und jede der Tafeln, die demnächst in Fußgängerzonen und an Fahrradwegen hängen werden, ziert das Bild eines eindringlich gestikulierenden Christian Lindner, der wohl gerade einen gedachten Gesprächspartner kraft seiner Argumente zu überzeugen versucht.
Lindner, Lindner und noch mal Lindner - so wollen die Liberalen am Rhein das Wunder schaffen und allen Unkenrufen zum Trotz erneut in den Landtag einziehen. Das wird auch an diesem Donnerstag klar, als die NRW-FDP in Düsseldorf ihre Kampagne für die kommenden Wochen vorstellt. Der Wahlkampf wird zur One-Man-Show. Auch wenn Lindner den Hype um seine Person öffentlich zu bremsen versucht, der zurückgekehrte Jungstar ist zum Hoffnungsträger einer ganzen Partei geworden, die sich ihm mit großer Verzweiflung entgegenwirft: 99,8 Prozent der Stimmen bekam Lindner auf dem Landesparteitag vor einigen Wochen in Duisburg - das ist nicht nur gemessen an liberalen Standards ein Traumergebnis.
Alles andere wäre ein Affront
Wenn sie in NRW den Slogan von "meiner FDP" pflegen, dann heißt das im Umkehrschluss auch, dass man in Düsseldorf lieber nicht mit den Freien Demokraten auf Bundesebene gleichgesetzt werden möchte. Von FDP-Chef Philipp Rösler jedenfalls erwartet bei den Liberalen zwischen Rhein und Weser niemand allzu viel Schwung. Klar, im Wahlkampf wird auch der Bundesvorsitzende auftreten, alles andere wäre ein Affront. Und doch will Lindner möglichst wenig mit der Bundespartei zu tun haben. Eine "etwas andere Akzentuierung" nennt er das - und meint damit Inhalt und Stil.
Lindner predigt Entschuldung statt Entlastung. Diesen Schwenk hat zwar auch Rösler inzwischen vollzogen - verzweifelt versucht er das Image von der reinen Steuersenkungspartei abzustreifen. Lindner aber hält sich für glaubwürdiger und geradliniger. Gleiches gilt für die Art und Weise, wie die Politik kommuniziert wird. Wenn Rösler von einer "Anschlussverwendung" für die Schlecker-Frauen spricht, erklärt Lindner kühl: "Ich formuliere anders." Selbstbewusst aber auch bescheiden will der 33-jährige NRW-Spitzenmann auftreten. Von Profilierungsversuchen zu Lasten der Union, wie sie die FDP jüngst in Berlin startete, will er nichts wissen.
Auf Distanz zu Rösler setzt auch Lindners Wahlkampfgenosse aus Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki. Nur, dass der alte Haudegen das weniger diplomatisch ausdrückt. Die FDP wirke "kaltherzig, neoliberal, nicht-mitfühlend", befand Kubicki jüngst. Gemeint war damit ohne Zweifel das Bild, das Rösler und sein Amtsvorgänger Guido Westerwelle abgaben und abgeben. Für Röslers neue Wachstums-Losung hat Kubicki nur Spott übrig: "Was soll das denn sein? Familienwachstum? Haarwachstum?"
Nur kein Streit
Rösler versucht, die Sprüche mit Fassung zu ertragen. Für Kubicki gehöre es "zum Einmaleins, manchmal gegen den Wind zu segeln", tut er die Angriffe aus dem Norden am Donnerstag im Interview mit der "WAZ" ab. Und über Lindner, der im Dezember vergangenen Jahres im Streit als Generalsekretär hingeworfen hatte, sagt der FDP-Chef: "Ich freue mich, dass er wieder mit ganzer Kraft dabei ist." Im Übrigen tausche man sich regelmäßig aus. Genauso sagt es Lindner.
Nur kein offener Streit. Rösler weiß, dass sein politisches Schicksal am Erfolg oder Nicht-Erfolg seiner beiden Kritiker hängt. Scheitern die Liberalen am 6. Mai in Schleswig-Holstein, wird Kubicki die Angriffe auf den Bundesvorsitzenden verschärfen. Verpasst die FDP eine Woche später auch in Nordrhein-Westfalen der Einzug in den Landtag, dürfte es um Rösler geschehen sein - exakt ein Jahr, nachdem der Niedersachse zum Westerwelle-Nachfolger gewählt wurde. Denn die Niederlage am Rhein würde ihm angelastet werden, nicht dem Landesvorsitzenden.
Schafft Lindner hingegen die Trendwende in Düsseldorf, ist er der neue starke Mann in der FDP. Rösler bliebe ein Chef auf Abruf. So oder so, es sind keine schönen Aussichten: Fragen nach seiner persönlichen Zukunft weicht Rösler deshalb lieber aus. Erfolge bei den anstehenden Wahlen seien gut für die Partei, sagt er, und "damit auch für die Parteiführung".
Immerhin, es zeichnet sich ab, dass das Wunder nicht unmöglich ist. In Schleswig-Holstein weist die jüngste Umfrage für die FDP zwar noch vier Prozent aus. In NRW aber sehen die Meinungsforscher von INSA die Liberalen bereits "klar über der Fünfprozenthürde".
Damit sich diese Tendenz bis zum Wahltag fortsetzt, schont die FDP für die Hopp-oder-Top-Wahl auch ihre Kasse nicht. Im Unterschied zu den übrigen Parteien, die in dem extrem kurzen Wahlkampf deutlich weniger Mittel einsetzen als beim letzten Urnengang 2010, gibt die FDP mit insgesamt 800.000 Euro fast so viel aus wie noch vor zwei Jahren. Damals setzte man eine Million Euro ein. Das Problem ist nur: Der klamme Landesverband muss sich einen Gutteil des Geldes bei den Banken leihen.
Dabei lautet die auf die rot-grüne Haushaltspolitik bezogene Kernbotschaft der Lindner-Kampagne doch eigentlich: "Lieber neue Wahlen als neue Schulden."