Union und FDP Frauensache

Angela Merkel (CDU, v.l.), Nicola Beer und Christian Lindner (beide FDP)
Foto: Wolfgang Kumm/ dpaAm kommenden Wochenende trifft sich die FDP in Berlin zu ihrem Bundesparteitag. Im Mittelpunkt steht der Streit um die EU-Sanktionspolitik gegenüber Russland. Es dürfte ein munterer Parteitag werden, denn in den Debatten werden manche Redner des Parteitags auch ein anderes, nicht weniger emotionales Thema streifen, das die Liberalen seit geraumer Zeit umtreibt - es gibt schlichtweg zu wenig Frauen in der Partei.
Das soll sich ändern, befand Fraktions- und Parteichef Christian Lindner und beauftragte jüngst Bundesgeschäftsführer Marco Mendorf, das Problem zügig anzugehen. Seit Kurzem gibt es nun eine vom Präsidium eingesetzte Arbeitsgruppe unter dem englischen Titel "Diversity Management", in der sogar Tabus diskutiert werden dürfen, so die bislang in der FDP - auch bei vielen weiblichen Mitgliedern - verpönte Frauenquote.
Bis November soll die Arbeitsgruppe Ergebnisse vorlegen, 2019 dann auf einem Bundesparteitag das Thema breiter behandelt werden. Es ist ein Unterfangen, für das es keine raschen Antworten gibt. Lindner selbst sucht nach Themen, die Frauen ansprechen könnten. "Mit moderner Gesellschaftspolitik und beispielsweise unseren progressiven Positionen zur Reproduktionsmedizin sind wir für Frauen eine Alternative", sagte jetzt der FDP-Chef im Interview mit dem SPIEGEL.
Jungliberale als Vorbild
Mit dem Wiedereinzug der FDP ins nationale Parlament stieg die Zahl der Mitglieder auf rund 64.000 an, Frauen allerdings konnten Lindner und Co. deutlich weniger anziehen. Aktuell liegt der Frauenanteil nur bei 21,88 Prozent, bei den Neumitgliedern sogar bei 18,52 Prozent - es sind die niedrigsten Werte der vergangenen Jahrzehnte. Noch 1987 waren ein Viertel der FDP-Mitglieder weiblichen Geschlechts. Dass die FDP "mehrheitlich eine Partei der Männer sind, gibt Anlass zur Selbstkritik und einer Agenda für mehr Diversity", heißt es denn auch selbstkritisch im Papier der Arbeitsgruppe.

Juli-Chefin Ria Schröder im Wahlkampf
Foto: SPIEGEL ONLINEDie Jungen Liberalen (Julis) machten kürzlich auf ihrem Bundeskongress vor, dass es auch anders gehen kann. Sie wählten mit Ria Schröder eine Vorsitzende, im elfköpfigen Führungsgremium des Nachwuchses gibt es diesmal sogar eine knappe weibliche Mehrheit. Doch das Ausscheren wirft ein umso schärferes Schlaglicht auf die Männerdominanz in der Gesamtpartei. "Ein sinkender Frauenanteil ist für die Marke der neuen FDP nicht förderlich", heißt es im schönsten PR-Deutsch im FDP-Papier der Diversity-Arbeitsgruppe.
Die Gründe sind vielfältig und parteiübergreifend: In Zeiten, da Frauen zwischen Karriere und Familie zerrieben werden, bleibt kaum Zeit für zeitaufreibende Gremiensitzungen, die gerne Abends abgehalten werden. Ohne Frauen aber drohen Parteien Themen zu vernachlässigen. Im FDP-Papier heißt es dazu: "Frauen bringen andere Themen ein, argumentieren anders und haben einen anderen Zugang zu Problemlösungen."
AfD hat geringsten Frauenanteil
Die Freien Demokraten stehen mit ihrem Problem nicht alleine da. Im Bundestag mit seinen derzeit 709 Abgeordneten sind nur 219 Frauen (30,7 Prozent), so wenig wie seit 1994 nicht mehr. Ein Blick auf die Mitgliederzahlen der Parteien zeigt, wie sehr sich neben der FDP vor allem die anderen bürgerlichen Parteien - CDU und CSU - Sorgen machen müssen:
- In der CDU beträgt der Anteil von Frauen 25 Prozent, bei der CSU nur 20 Prozent.
- Bei der SPD sind es immerhin 32 Prozent.
- Die Linken erreichen 37 Prozent Frauenanteil.
- Spitzenreiter sind die Grünen mit 39 Prozent weiblichen Mitgliedern.
- Schlusslicht ist die AfD mit 16 Prozent Frauen.
Auch wenn die FDP bislang keine Quote hat, so geht das Problem womöglich tiefer, wie ein Blick auf die Konkurrenz zeigt.
Ärger bei der Frauen-Union
Sowohl bei CDU und CSU gibt es seit Jahren Quotenregelungen, aber die Zahl der Frauen auf den Wahllisten und bei Spitzenämtern ist bescheiden - daran ändert auch Angela Merkel als Kanzlerin und CDU-Vorsitzende nichts. Der Frust offenbarte sich am Samstag auf dem 70-jährigen Jubiläumstreffen der Frauen-Union in Frankfurt am Main. Die aus Baden-Württemberg stammende Bundesvorsitzende der Frauen-Union Annette Widmann-Mauz forderte bei einer Wahlrechtsänderung eine stärkere Berücksichtigung von Frauen.
Die Frauenquote in der Union, klagte sie zudem, werde oftmals unterlaufen. Als negatives Beispiel nannte sie ihren eigenen Landesverband: Bei der Aufstellung der Listen für die Europawahl wurden vier Männer auf den Spitzenpositionen platziert. Vor allem die CDU im Ländle gab zuletzt in Sachen Frauenförderung ein schlechtes Bild ab. Jüngst scheiterte dort eine von der Grünen/CDU-Koalition im Koalitionsvertrag vereinbarte Wahlrechtsreform, mit der mehr Frauen in den Landtag von Stuttgart gelangen sollten. Doch die CDU-Landtagsfraktion stellte sich dagegen, auch zum Ärger von Widmann-Mauz.

Merkel (Mitte) mit Frauen-Unions-Vorsitzender Widmann-Mauz (vierte von rechts)
Foto: ARMANDO BABANI/ EPA-EFE/ REX/ ShutterstockSeit 18 Jahren ist Merkel CDU-Vorsitzende, doch was den Anteil der Frauen in der Partei angeht, hat sich fast nichts bewegt. Im Gegenteil, in der Unions-Bundestagsfraktion sank er sogar.
So fanden Merkel und CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer auf der Tagung der Frauen-Union deutliche Worte. Mit 25 Prozent Frauenanteil in der CDU "genügen wir nicht den Ansprüchen einer Volkspartei", das müssten auch die Männer begreifen, so Merkel. Mit Blick auf gewünschte Wahlergebnisse von mehr als 40 Prozent für die Union sprach sie sogar von einer "Existenzfrage der Volkspartei". Doch was tun? Sowohl Kramp-Karrenbauer als auch Integrations-Staatsministerin Widmann-Mauz erinnerten beim Thema Wahlrechtsreform an Frankreich und das dort geltende "Parité"-Gesetz.
Seit Jahren wird ein solches Gesetz, das den gleichen Zugang von Frauen und Männern zu den Wahlmandaten und -ämtern fördern soll, immer wieder auch in Deutschland debattiert. Verfassungsrechtlich aber ist es unter hiesigen Juristen umstritten. In Deutschlands größtem Nachbarland hingegen nicht: Dort können seit dem Jahr 2000 Parteien bestraft werden, die auf ihren Wahllisten zu wenige weibliche Kandidaten aufstellen - je nach Wahlmodus durch Nichtzulassung zur Wahl oder eine Kürzung der Parteienfinanzierung.