FDP-Wahlkampf Westerwelle lässt Möllemann rechts liegen
Berlin - Als Konsequenz aus den jüngsten israelkritischen Äußerungen seines Stellvertreters Jürgen Möllemann lehnt FDP-Chef Guido Westerwelle weitere gemeinsame Auftritte im Wahlkampfendspurt ab. Das bestätigte das Bonner Büro des FDP-Politikers Hans-Dietrich Genscher am Donnerstag. Eine entsprechende Vereinbarung hätten Westerwelle, Genscher und der Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff getroffen. Möllemann, der auch FDP-Landeschef in Nordrhein-Westfalen ist, verteidigte weiter seine umstrittene Faltblattaktion.
Das Faltblatt zeigt Fotos des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon und des Vizepräsidenten des Zentralrates der Juden, Michel Friedman. In dem dazu gehörigen Text wirft Möllemann Sharon unter anderem vor, Panzer in Flüchtlingslager zu schicken und Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates zu missachten. Zudem kritisiert er Friedman in dem Papier als jemanden, der "versucht, Sharon-Kritiker Jürgen W. Möllemann als 'anti-israelisch' und 'antisemitisch' abzustempeln".
Westerwelle sagte im ZDF-Morgenmagazin, eine "Monate alte Diskussion kurz vor der Wahl wieder aufleben zu lassen", sei nicht "sinnvoll und überhaupt nicht notwendig". "Eine persönliche Auseinandersetzung gehört nicht in den Wahlkampf", unterstrich er.
Unterdessen warf der Grünen-Spitzenkandidat Joschka Fischer Möllemann vor, am äußersten rechten Rand Stimmen fangen zu wollen. Der Außenminister forderte die FDP unmissverständlich auf, sich von dem Partvize zu trennen. "So lange Möllemann in der Partei ist, ist die FDP nicht wählbar", betonte er.
Die Vizepräsidentin des Zentralrates der Juden, Charlotte Knobloch, warnte die FDP-Spitze. Westerwelle müsse aufpassen, dass die Liberalen durch die Wahlen nicht zu einem Sammelsurium einer braunen Clique würden. "Wer sich von Brandstiftern wie Möllemann nicht distanziert, darf sich nicht wundern, wenn er damit identifiziert wird", betonte Knobloch.
Der Grünen-Politiker Volker Beck warf Westerwelle heimliche Komplizenschaft mit Möllemann vor. Laue Distanzierungen von Mitgliedern der Parteiführung reichten nicht mehr aus, sagte er. Beck hielt der FDP vor, sie versuche auf fadenscheinige Weise, die Kritik an dem Faltblatt abzumildern. Die Darstellung der Postwurfsendung als private Initiative sei lächerlich, unterstrich der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion. Er forderte Klärung über die Finanzierung der Faltblätter, die mit dem offiziellen FDP-Logo an Haushalte verteilt worden seien.
Flugblatt inhaltlich identisch mit FDP-Programm
Möllemann verteidigte bei einer gemeinsamen Wahlkampfkundgebung mit Westerwelle am Mittwochabend in Hannover sein umstrittenes Flugblatt. Das Blatt sei "in der inhaltlichen Ausrichtung identisch mit dem FDP-Wahlprogramm", sagte er. Die "bildliche Darstellung" des israelischen Ministerpräsidenten und des stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland sei "ein legitimes Stilmittel der politischen Debatte".
Der Liberale Burkhard Hirsch sagte im NDR: "Was Möllemann hier macht, ist unverantwortlich". Das Bedauerliche sei, dass er nicht nur sich selbst, sondern der Partei schade. Hirsch kündigte an, der Bundesvorstand wolle sich am Montag mit der Faltblattaktion des Parteivize auseinander setzen.
"Das ist ein Alleingang"
Der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) sagte in Köln: "Möllemann ist getrieben von seinen persönlichen Obsessionen gegen Israel." Dessen Haltung habe nichts mit der FDP-Position zum Nahen Osten zu tun. "Das ist ein Alleingang." Der frühere NRW-Innenminister Burkhard Hirsch (FDP) sagte dem NDR Info, was Möllemann mache, sei unverantwortlich. In der FDP gebe es viele Stimmen, die sagen: "Wir lassen uns dieses Theater nicht mehr bieten."
Auf einer FDP-Wahlveranstaltung am Mittwochabend in Hannover hatte Westerwelle bereits jeden Kontakt mit seinem Stellvertreter vermieden. Er kam erst nach der Rede Möllemanns in den Saal und verließ ihn unmittelbar nach seiner eigenen Rede wieder. Beide sprachen das Streitthema Israel und Friedman öffentlich nicht an. Unterdessen hielt in der Öffentlichkeit die Kritik an Möllemann an, fast die gesamte FDP-Spitze hat sich distanziert. Möllemann selbst sieht sein Verhältnis mit Westerwelle nicht belastet.