FDP-Wahlerfolg Jetzt hat es Rösler in der Hand

FDP-Riege mit Brüderle, Fricke, Bahr, Rösler, Kubicki, Niebel, Röslers Ehefrau: Endlich Erfolg
Foto: Stephanie Pilick/ dpaBerlin - Philipp Rösler hat es in der Hand. Er kann entscheiden, wie es mit ihm, mit seiner FDP weitergeht. 9,9 Prozent haben die niedersächsischen Liberalen eingefahren, sein Landesverband. Es ist ein Erfolg, der vordergründig auch den FDP-Vorsitzenden Rösler stärkt.
"Das Rennen hat jetzt erst angefangen, die Freien Demokraten werden jetzt loslegen", ruft Rösler noch in der Wahlnacht vor jubelnden Anhängern in der Parteizentrale in Berlin.
Doch ist damit am Ende alles gut? Es war wohl etwas voreilig. Nicht Schwarz-Gelb, sondern Rot-Grün hat nach einer dramatischen Nacht am Ende hauchdünn die Nase vorn. Das wird auch die Lage für Rösler nicht einfacher machen. Im FDP-Präsidium gab es am Sonntagabend eine gespenstische Szene, wie Teilnehmer erzählen: Als die ersten Prognosen für die FDP über den Bildschirm kamen, hätten die Rösler-Anhänger "zum Teil hochemotional" reagiert. Andere dagegen hätten stumm auf den Bildschirm geblickt.
Es ist genau dieses Bild, das das Dilemma der FDP beschreibt. Die Partei ist der eigentliche Überraschungssieger des Abends, aber manche in den eigenen Reihen hätten sich deutlich weniger Prozente am Wahlabend gewünscht, um endlich Rösler loszuwerden.
Doch nun scheint Rösler erst einmal obenauf. Einen Parteivorsitzenden, der bei einer Landtagswahl fast zehn Prozent einstreicht, den stürzt so schnell niemand mehr. Auch wenn die Sensation durch Zehntausende Leihstimmen aus dem CDU-Lager zustande kam und Schwarz-Gelb in Hannover verloren hat. "Das Ergebnis entscheidet die Vorsitzendenfrage", sagt der FDP-Fraktionsgeschäftsführer im Bundestag, Jörg van Essen.

Niedersachsen-Wahl: So lief die Wählerwanderung
Und doch gehört es zu den Merkwürdigkeiten dieser Partei, dass der Erfolg Rösler nur ein wenig entlastet. "Er sitzt fester im Sattel, aber er ist noch nicht sattelfest", sagt ein Liberaler, der nicht genannt werden will. Er müsse der Partei jetzt ein Ventil liefern, "um den Druck, der auf seiner Person lastet, abzubauen". Ein anderer, ebenfalls Rösler-Gegner, sagt: "Trotz des Wahlerfolgs, an der Führungsfrage hat sich doch nichts geändert." Und, fügt er warnend hinzu: "Wenn Schwarz-Gelb in Hannover nicht die Regierung stellt, ein zweites Mal wird uns die CDU keine Leihstimmen geben", sagt der Liberale in der Wahlnacht im Dehler-Haus - zu einem Zeitpunkt, da sich der Erfolg von Rot-Grün noch nicht abzeichnete. Es heißt so viel wie: Rösler soll sich auf den Erfolg nicht zu viel einbilden. Es ist ein geliehener Erfolg.
Am Montagmorgen tagen bei der FDP Präsidium und Bundesvorstand. Rösler sagt, er wolle einen Vorschlag vorlegen, wie er sich "die Aufstellung der Partei für die anstehende Bundestagswahl" vorstellt. Viele Fragen stehen an: Tritt er auf dem Bundesparteitag im Mai erneut als Vorsitzender an? Wird er ein Team präsentieren, etwa mit einer hervorgehobenen Position für FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle als Spitzenkandidat? Oder zieht er den Parteitag doch vor, um sich selbst bestätigen zu lassen oder um Platz für einen anderen zu machen?
Niebel und Pieper für vorgezogenen Parteitag
Noch am Freitag hatte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle einen vorgezogenen Parteitag ins Spiel gebracht und damit die Debatte über eine mögliche Rösler-Nachfolge befeuert. Präsidiumsmitglied Dirk Niebel, der seit seinen kritischen Worten auf dem Dreikönigstreffen vor zwei Wochen die Rolle des Partei-Buhmanns eingenommen hat, ist von der Idee nach wie vor angetan. "Wir sollten die Personaldiskussion beenden und den Parteitag möglichst schnell durchführen", sagt er. Dass der Erfolg in Niedersachsen nicht automatisch auf den Bund abfärbt, davor warnt er eindringlich: "Wir haben auch in NRW und Schleswig-Holstein Wahlergebnisse gehabt, die auf Bundesebene nicht durchgeschlagen sind." Es gelte, was er in Stuttgart gesagt habe - man sei "noch nicht optimal" aufgestellt.
Die voraussichtlich neue Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Cornelia Pieper, denkt ähnlich. Sie spricht von einem sensationellen Ergebnis in Niedersachsen, die Wähler hätten die Politik und das Programm der FDP beurteilt und sich nicht irritieren lassen durch die Personaldiskussionen. "In der FDP muss endlich Schluss sein mit den Personaldebatten. Damit es die nicht mehr gibt, sollte alsbald wie möglich ein Bundesparteitag einberufen werden, um das Team für den Bundestagswahlkampf zu bestätigen", betont die Staatsministerin im Auswärtigen Amt und stellt sich damit hinter Brüderles ursprüngliche Überlegung.
Gegen einen vorgezogenen Parteitag ist der FDP-Fraktionschef in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki. Nein, Kubicki, der so oft das Enfant terrible der Liberalen spielt, setzt auf den Faktor Zeit: "Wir sollten in Ruhe und Gelassenheit in den nächsten Wochen über die optimale Aufstellung sprechen." Ob FDP-Chef Rösler im Amt bleibe, "entscheidet er selbst", wenn er wieder antrete, werde er ihn unterstützen.
Lindner erwähnt Rösler mit keinem Wort
In der FDP werden noch am Wahlabend die Worte genau gewählt. Niebel erwähnt Rösler kein einziges Mal in seinem Statement, ebensowenig Pieper, und auch bei Brüderle fehlt der Name des Vorsitzenden. "Wir alle freuen uns über das sensationelle Ergebnis für die ganze FDP", heißt es in seiner schriftlichen Erklärung. So tut es auch der FDP-Landes- und Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen, Christian Lindner. Er, der aus Sicht vieler Liberaler zusammen mit Brüderle das eigentliche Spitzenduo zur Bundestagswahl abgeben könnte - etwa als Vizeparteichef - , erwähnt in seiner Gratulationsstellungnahme an die Niedersachsen-FDP kein einziges Mal Rösler.
Eine Frage kursiert schon seit längerem, seit Sonntag ist sie noch drängender: Wird sich Brüderle bereit erklären, als Spitzenkandidat anzutreten, sollte Rösler Parteichef bleiben wollen? Am Sonntagabend hat Rösler beim FDP-Fraktionschef Brüderle offenbar schon einmal vorgefühlt, wie Teilnehmer beobachteten. Es ging dabei um die Frage, ob beide gemeinsam vor die Kameras treten."Wollen wir beide, Rainer?", habe der FDP-Chef ihn gefragt.
Wie auch immer: Am Ende trat Rösler allein aufs Podest - Brüderle und andere FDP-Granden sahen von unten zu und applaudierten zum Teil verhalten. Es war ein treffendes Bild: Oben ein sichtlich gelöster Parteichef, unten das abwartende Führungspersonal. Aus Bayern meldete wenig später via "Münchener Merkur" Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil schon einmal seine Vorliebe an: "Ich habe immer klar gesagt: Meine Präferenz liegt bei Rainer Brüderle, was die Spitzenkandidatur angeht. Der Fraktionsvorsitzende ist dafür sehr geeignet." Der Liberale dürfte damit vielen aus der FDP-Führung aus dem Herzen gesprochen haben.
Ein Liberaler sagt es so: "Der Ball liegt zum ersten Mal seit langem wieder bei Rösler. Und alle fragen sich jetzt, was kommt nun?"