Kemmerich-Rücktritt Was wird nach dem Thüringen-Debakel aus der FDP?

FDP-Chef Lindner erklärt in Erfurt, was er kurz zuvor mit Thomas Kemmerich besprochen hat
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Die FDP ist der AfD in Thüringen auf den Leim gegangen, als sie ihren Ministerpräsidenten im dritten Wahlgang mit Stimmen der Rechtspartei - und der CDU - wählen ließ. Thomas Kemmerich wurde der erste liberale Ministerpräsident seit den Fünfzigerjahren und überhaupt erst der zweite Regierungschef, den die FDP in Deutschland stellt. Und der erste in Deutschland, den Rechtspopulisten ins Amt brachten.
Die Folgen dieser Grenzüberschreitung sind für die FDP noch nicht abzuschätzen.
Am Mittwoch noch fand Parteichef Christian Lindner den Vorgang zwar "überraschend" - aber er gratulierte Kemmerich auch zur Wahl, zumindest sagte das der frisch gewählte Regierungschef. Lindner habe ihm "viel Kraft" gewünscht.
Lindner selbst sagte vor Journalisten, der thüringische FDP-Chef habe gezeigt, dass "auch die Mitte vertreten ist". Lindner beschwor aber auch seine Distanz zur AfD und sagte, er könne nicht "Vorsitzender einer Partei sein, die mit der AfD arbeitet".
Ministerpräsident Kemmerich beschwerte sich unterdessen über Proteste, die im Parlament und bundesweit schon kurz nach der Wahl gegen ihn aufbrandeten.

Kemmerich-Wahl in Thürungen: "Nicht mein MP"
Seine Wahl sei kein Tabubruch, betonte Kemmerich vor Journalisten in Erfurt. Er sei gewählter Regierungschef. Wer ihn wähle, dafür könne er nichts, so Kemmerichs Kurs. Das unterstützte auch FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki. Der Liberale wies zurück, seine Partei mache die AfD "hoffähig". Kemmerichs Politik habe "mit der AfD überhaupt nichts zu tun", sagte er der "Passauer Neuen Presse".

FDP-Politiker Kubicki
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Auch am Donnerstagmorgen war bei Kemmerich von Rücktritt noch keine Rede. Er sagte im Morgenmagazin der ARD: "Die Arbeit beginnt jetzt." Er hoffe, "dass die demokratischen Parteien, die demokratischen Abgeordneten im Thüringer Landtag aufeinander zugehen und diese aufgepeitschte Lage etwas beruhigen". Neuwahlen würden "nur zu einer Stärkung der Ränder" führen. Das könnten Demokraten nicht wollen.
Am Donnerstagmittag: die Kehrtwende.
"Perfider Trick" und Rolle rückwärts
Nachdem Parteichef Lindner nach Erfurt gefahren war und mit Kemmerich und der FDP-Fraktion des Landtags gesprochen hatte, trat ein scheinbar geläuterter Ministerpräsident Kemmerich in der Staatskanzlei ans Mikrofon.
Seine Fraktion werde einen Antrag zur Auflösung des Parlaments stellen, es solle Neuwahlen geben. Die AfD habe "mit einem perfiden Trick versucht, die Demokratie zu beschädigen. Dem weichen wir aus." Und: "Der Rücktritt ist unumgänglich."
Wenig später erklärte Parteichef Lindner in einer Pressekonferenz Kemmerichs Sinneswandel so: Der Ministerpräsident habe über seine Entscheidung über den Antrag zur Parlamentsauflösung und einen Rücktritt "eine Nacht schlafen" müssen.
Christian Lindner, Donnerstagnachmittag
Dazu, dass Kemmerich auch am Donnerstagmorgen noch nicht zurücktreten wollte, ehe Lindner zu ihm nach Erfurt reiste, erklärte der Parteichef: "Bei Thomas Kemmerich hat man erkennen können, dass er sich einen Überblick über die Lage verschaffen musste. Wir haben gemeinsam die Lage sehr sorgfältig beraten und uns gemeinsam versichert, was wir im Wahlkampf gesagt haben."
Nach Kubicki gefragt, der am Mittwoch noch zu Kemmerich gehalten hatte, sagte Lindner: "Wie Sie sehen, haben wir jetzt eine einheitliche Linie." Es habe am Vormittag eine Telefonkonferenz des Bundesvorstands der Partei gegeben, man sei sich einig.
Lindner lässt sich legitimieren
Und dann betonte Lindner erneut, die grundsätzliche Ablehnung der AfD durch seine Partei sei mit ihm als Person verknüpft. Es sei nun "eine Situation entstanden, in der auch die Bundesparteiführung neu legitimiert werden muss". Am Freitag wird Lindner in einer Sondersitzung des FDP-Bundesvorstands die Vertrauensfrage stellen. "Ich kann das Amt fortsetzen, aber es gibt morgen eine Vertrauensfrage im Präsidium."