Finanzkrise Köhler fordert Entschuldigung von Banken-Managern
Berlin - Bundespräsident Horst Köhler knöpft sich Deutschlands führende Banker vor: "Mehr Selbstkritik wäre gut, Menschen, die sagen: Ja, hier haben wir einiges falsch gemacht, und dafür stehen wir jetzt gerade", sagte Köhler dem SPIEGEL. Die Wirtschaftseliten müssten wieder lernen, "was Maß und Mitte ist, was Bodenhaftung bedeutet". Da sei "eine Menge Unaufmerksamkeit, Selbstzufriedenheit, Zynismus" im Spiel gewesen. Besonders in der angelsächsisch geprägten Finanzbranche habe man geglaubt, "aus nichts Gold machen zu können, und das dauerhaft", sagt Köhler. Es sei nur noch um die Maximierung der Rendite gegangen.

Bundespräsident Horst Köhler: "Eine Menge Unaufmerksamkeit, Selbstzufriedenheit, Zynismus"
Foto: REUTERSKöhler plädiert für ein "Bretton Woods II" - eine Konferenz mit dem Ziel, einen "internationalen Ordnungsrahmen für die globale Ökonomie" zu schaffen. "Ich würde mir wünschen, dass die Regierungen ein paar Weise auswählen, Männer und Frauen, wie damals unter anderen den Ökonomen John Maynard Keynes, die sich den Kopf darüber zerbrechen, wie wir der globalisierten Welt Regeln geben." Auf der ersten Bretton-Woods-Konferenz 1944 verhandelten Vertreter von 44 Staaten über ein stabiles Weltwährungssystem für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Infolge der Konferenz entstanden unter anderem die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF).
Er hoffe, sagte Köhler dem SPIEGEL, die aktuelle Krise werde "einer neuen Kultur der Gemeinsamkeit im Wettbewerb" zum Durchbruch verhelfen. Notwendig sei auch eine "wirksame Regulierung für die Finanzmärkte", die "Wiederentdeckung von Ethos" bei den handelnden Personen und ein "Frühwarnsystem", das Warnungen nicht nur für Experten verständlich mache. Der Bundespräsident - der früher selbst einmal IWF-Chef war - betonte, die heutige Situation sei anders als die Weltwirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre. "Ich halte die Krise für beherrschbar. Wir haben es in der Hand."
Allerdings sorgt sich Köhler um die Reformbereitschaft der Deutschen. "Wir müssen uns weiter als Gemeinschaft begreifen. Und zum Erfolg unserer Gemeinschaft gehören auch Reformen." Deutschland müsse reformfreudig bleiben, mit oder ohne Finanzkrise.
Ökonomen prognostizieren steigende Arbeitslosigkeit
Der Appell kommt nicht von ungefähr. Denn Deutschland steht aufgrund der internationalen Finanzkrise vor massiven wirtschaftlichen Problemen. Nach SPIEGEL-Informationen sehen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute Deutschlands, Österreichs und der Schweiz die Konjunkturaussichten für die Bundesrepublik im nächsten Jahr deutlich eingetrübt.
In ihrem Gemeinschaftsgutachten, das sie am nächsten Dienstag der Bundesregierung übergeben wollen, sagen sie für 2009 nur noch ein Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent voraus.
Zum ersten Mal seit Jahren werde auch die Arbeitslosigkeit wieder steigen. In ihrem Frühjahrsgutachten im April waren die Wirtschaftsforschungsinstitute noch von einem Wachstum von 1,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausgegangen.
Auch der Chefökonom des IWF malt düstere Aussichten - zumindest für die kommenden Wochen. Die Finanzkrise könnte die internationalen Märkte im schlimmsten Fall noch einmal um 20 Prozent einbrechen lassen, sagte Blanchard der italienischen Zeitung "Corriere della Sera" zufolge. Das Risiko einer neuen Weltwirtschaftskrise sei aber praktisch gleich null. "Im schlimmsten Fall brauchen die Regierungen noch ein paar Wochen, um die richtigen Maßnahmen zu ergreifen." Spätestens dann komme es aber zur Erholung an den Börsen.
Die ersten Maßnahmen haben Vertreter der sieben führenden Industrienationen in Washington schon beschlossen. Die G7 einigten sich am Rande der IWF-Jahrestagung am Freitag auf einen Plan zur Stabilisierung der Märkte. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat gegenüber dem SPIEGEL zudem die Schaffung einer neuen Weltfinanzgruppe zur Lösung der Finanzkrise vorgeschlagen: "eine erweiterte G8, um über eine Neuordnung der globalen Finanzbeziehungen zu reden". Dazu sollten auch kommende Wirtschaftsmächte "wie Brasilien, Indien, China mit gleichen Rechten und Pflichten gehören, vielleicht auch das eine oder andere Land aus dem arabischen Raum".
Die Bundesregierung will zudem ihr Rettungspaket für den angeschlagenen Bankensektor nach SPIEGEL-Informationen zudem per Eilgesetz schon in den nächsten Tagen auf den Weg bringen. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles fordert noch weitere Schritte: Sie will Konjunkturanreize in Milliardenhöhe zur Eindämmung der Folgen der Finanzkrise.
Nahles plädiert in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" für Klimaschecks, mit denen die Bürger Zuschüsse für den Kauf sparsamer Autos oder Kühlgeräte bekämen. "Es ist kein plumpes Konjunkturprogramm, sondern nur eine Finanzspritze, die Anreize schafft", sagte die SPD-Politikerin. Allerdings müsste dafür eine große Summe bereitgestellt werden. Wenn man dafür nur ein paar hundert Millionen Euro in die Hand nähme, hätte die Idee keinen Effekt, sagte die SPD-Politikerin.
"Solche Schecks könnte jeder bekommen, der ein Auto kauft, das weniger als sechs Liter Sprit verbraucht. Oder einen sparsamen Kühlschrank", sagte Nahles. Dies würde der deutschen Wirtschaft kurzfristig helfen. Die Initiative solle zeitlich begrenzt sein und schnell wirken. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Wochen wiederholt Forderungen nach einem Konjunkturprogramm zurückgewiesen.
ase/AFP/dpa/Reuters