Finanzkrise Schäuble legt Euro-Rettungsplan vor

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: Bußgelder für potentielle Pleitestaaten
Foto: ddpBestandsaufnahme zum Zustand der Währungsunion fällt schonungslos aus: Den Mitgliedstaaten der Euro-Zone mangele es am Bewusstsein, "dass eine gemeinsame Währung eine Schicksalsgemeinschaft darstellt", heißt es in einem Papier des Finanzministers, das dem SPIEGEL vorliegt. Der CDU-Politiker legte das Konzept mit dem Titel "Vorschläge zur Stärkung der Euro-Zone" den Fraktionschefs aller im Bundestag vertretenen Parteien vor.
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt habe nicht ausgereicht, um Fehlentwicklungen und weiteren Mitgliedstaaten zu verhindern, moniert Schäuble. "Für den Extremfall einer staatlichen Liquiditäts- oder Solvenzkrise ist die Währungsunion nicht gerüstet, weil dieser Extremfall nach der Konzeption der Währungsunion nicht hätte eintreten dürfen."
Unter dem Eindruck der Griechenland-Krise und angesichts der drohenden Schieflage in weiteren Ländern der Euro-Zone soll sich das ändern. Auf sechs Seiten hat Schäuble seine Beamten ein Reformkonzept für die Euro-Zone ausarbeiten lassen. Es soll die Grundlage bilden für einen Entschließungsantrag, den der Bundestag noch in dieser Woche zusammen mit dem Gesetz zur Griechenland-Hilfe beschließen soll. Die Pläne sind ebenso ehrgeizig wie weitreichend.
So schlägt Schäuble vor, einen festen "Krisenbewältigungsrahmen" in der Euro-Zone zu installieren. Dazu soll ein Europäischer Währungsfonds (EWF) und eine "Euro-Restrukturierungsfazilität" aufgelegt werden. Beide Instrumente sollen dazu dienen, "die Euro-Zone im Falle einer extremen Finanz- und Wirtschaftskrise eines Mitgliedstaats handlungsfähig zu halten". Die Euro-Gruppe könnte dann, im Einvernehmen mit der Europäischen (EZB), "einem Euro-Mitgliedstaat bei drohender staatlicher Zahlungsschwierigkeit harte finanz- und wirtschaftspolitische Korrekturmaßnahmen auferlegen und dafür Notliquiditätshilfen gewähren".
Staatliche Defizite sollen stärker überwacht werden
Zudem droht Schäuble schärfere Sanktionen an. Potentielle Pleitestaaten will er mit Bußgeldern belegen. Die Strafen würden unmittelbar verhängt und fällig, sobald sich das Land wieder einigermaßen erholt hat. Werde ein Euro-Land zahlungsunfähig, "würde sein Stimmrecht im Rat ausgesetzt". Ist ein Mitgliedsland nicht in der Lage, die Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft wieder herzustellen und die öffentlichen Haushalte zu sanieren, "sollte es als Ultima Ratio auch aus der Währungsunion ausscheiden können, zugleich aber Mitglied in der EU bleiben können", schlägt Schäuble vor.
Unabhängig von diesem Krisenrahmen will Deutschland "grundsätzlich die Möglichkeit einer geordneten staatlichen Insolvenz" schaffen. Das bedeutet, dass Gläubiger nur einen Teil ihrer Kredite zurückerstattet bekommen, wenn ein Land zahlungsunfähig wird. Damit soll vermieden werden, dass sich Krisenstaaten und Anleger leichtsinnig in Gefahr bringen, weil sie sich darauf verlassen, von den anderen Staaten gerettet zu werden. Investoren hätten dann von Anfang an einen Anreiz, auf die Kreditwürdigkeit staatlicher Schuldner zu achten.
Damit es gar nicht erst so weit kommt, will Schäuble auf eine bessere Vorbeugung vor Haushaltskrisen drängen und die staatlichen Defizite schärfer überwachen. Dazu soll zusätzlich zur Europäischen Kommission ein weiterer "Referee" die Stabilitätsprogramme der Mitgliedstaaten begutachten. "Vorstellbar wäre hierfür die EZB oder ein beauftragter Kreis unabhängiger Forschungsinstitute bis hin zur Einrichtung eines europäischen Sachverständigenrats." Schäuble lehnt es ab, dass die EU-Kommission sich schon frühzeitig in die Haushaltsaufstellung der Mitgliedstaaten einmischt, wie es Währungskommissar kürzlich vorgeschlagen hat. "Vielmehr sollten die nationalen Parlamente stärker in die Befassung mit europäischer Finanzpolitik eingebunden werden", heißt es in dem Papier.
Staaten in Schieflage sollen ihre Leichtfertigkeit auch finanziell zu spüren bekommen. Ihnen werden Mittel aus den Struktur- und Kohäsionsfonds der EU gestrichen. Übersteigt der Anteil der Staatsverschuldung am Bruttoinlandsprodukt eines Landes 60 Prozent, muss es besondere Sparanstrengungen unternehmen. Diese Verschärfung würde einen Großteil der Euro-Länder, darunter auch Deutschland, treffen. Schäuble schlägt außerdem eine schärfere Aufsicht über die Wirtschaftspolitik der Mitgliedsländer vor, damit Fehlentwicklungen schon früher als bisher erkannt und bekämpft werden können. Seinen Maßnahmenkatalog will Schäuble in eine Arbeitsgruppe auf EU-Ebene einbringen, die von EU-Ratspräsident geleitet wird.