Fischers Erklärung "Ich stehe vor meinen Mitarbeitern"
Berlin - Außenminister Joschka Fischer hat heute in der Visa-Affäre die politische
Verantwortung übernommen. Die Nachrichtenagentur Reuters
dokumentiert Fischers Äußerungen vor der Presse in Auszügen:
"Es gibt nicht den Visa-Erlass, und ich halte es auf der
Grundlage der Fakten für schlichtweg nicht zulässig, den sogenannten Volmer-Erlass für die Vorgänge in Kiew verantwortlich
zu machen. Sondern das sind im wesentlichen Verfahren - der
Reiseschutzpass und das Reisebüroverfahren - die eingeführt
wurden von der Vorgängerregierung, die dazu geführt haben. Ein
Erlass diesbezüglich führt 1999 am 15. Oktober in meinen
Bereich. Aber die politische Absicht ist klar: Der Volmer-Erlass
hatte eine völlig andere Zuordnung. Hier ging es um
Erleichterungen im Zusammenhang mit Wissenschaft,
Familienzusammenführung und auch mit Wirtschaft. Das waren die
entscheidenden Elemente. Insofern kann ich hier nur noch mal
sagen: Für mögliche Versäumnisse und Fehler meiner
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trage ich die politische
Verantwortung. Es gilt das Prinzip der Ministerverantwortung,
und ich stehe hier vor meinen Mitarbeitern.
(...) Es ist sicher eine machtpolitische Auseinandersetzung,
das gehört zur Demokratie dazu. Ich war auch in der Opposition,
und sie werden das auch weiter hören.
(...) Ich selber habe mich erst in Zusammenhang mit dem
heraufziehenden Ausschuss intensiver beschäftigen können mit den
Zuständen davor. Frau Merkel und die CDU/CSU haben jetzt
Maßstäbe angelegt. Damals, als der sogenante Volmer-Erlass
(...) veröffentlich wurde, war die Opposition im
Petitionsausschuss, war sie im Menschenrechtsausschuss, ganz
anderer Meinung (...). Mir liegen sehr viele Schreiben von
Abgeordneten aller Fraktionen - aber vor allem auch von CDU und
CSU - vor, in denen (...) ich immer wieder aufgefordert werde,
im Einzelfall in dubio pro libertate - nämlich im Zweifel für
die Reisefreiheit - zu entscheiden.
(...) Es ist ja nicht so, dass mit Rot-Grün
Schleuserkriminalität begonnen hätte. Es ist nicht so, dass die
Frage Zwangsprostitution mit Rot-Grün begonnen hätte. Es ist
nicht so, dass es hier nicht erheblichen Druck in der
Vorgängerregierung gegeben hätte. All das wird im Einzelfall zu
beleuchten sein. (...)
Natürlich wird jetzt Runde Zwei versucht, nämlich
Festlegungen von mir zu verlangen, an denen ich nachher
festgenagelt werden kann. Das Spiel kenne ich. Das muss im
einzelnen - und seien Sie mir nicht böse, es waren sehr bewegte
Zeiten, wo es um außenpolitisch zentrale Fragen ging, auf die
ich mich vor allen Dingen fokussiert habe - an der Aktenlage
dann nachvollzogen werden.(...)
Sie werden verstehen, dass ich mich zu Details nicht äußern
kann, bevor ich im Untersuchungsausschuss war, weil ich das im
einzelnen wirklich belastbar nachvollziehen muss. Das ist das
Wesen des Untersuchungsausschusses. Aber ich möchte hier
hinzufügen: Frau Merkel hat mir ja vorgeworfen, ich würde
kneifen und schweigen. Ich kann nur sagen, wenn sie ein solches
Interesse hat: Ich bin jederzeit bereit zum möglichst frühesten
Zeitpunkt mich einer Befragung durch den Ausschuss zu stellen."