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Klagen gegen ESM und Fiskalpakt: Auf nach Karlsruhe

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Verfassungsklagen gegen ESM und Fiskalpakt Die Bremser

Bundestag und Bundesrat haben noch gar nicht über den umstrittenen Euro-Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt abgestimmt, doch die Gegner stehen schon bereit: Fünf Klagen sind beim Bundesverfassungsgericht angekündigt - unter anderem von der Linke-Fraktion und dem CSU-Parlamentarier Gauweiler.

Hamburg - Es war für Deutsche wohl selten so leicht wie in diesen Tagen, sich gegen Gesetze zu stemmen, die im Bundestag noch beschlossen werden sollen: "Jetzt Verfassungsbeschwerde ausdrucken & per Post senden an Mehr Demokratie e.V., Greifswalder Str. 4, 10404 Berlin!", heißt es auf der Internetseite www.verfassungsbeschwerde.eu. Die Teilnahme sei kostenlos, es entstünden zudem keine weiteren Verpflichtungen.

Mehr als 12.000 Bürger sind dieser Aufforderung des Bündnisses "Europa braucht mehr Demokratie" nachgekommen, das sich gegen den Fiskalpakt und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) wehrt - zwei Vertragswerke zur Euro-Rettung, über die Bundestag und Bundesrat an diesem Freitag abstimmen wollen.

Planmäßig soll der ESM im Juli wirksam werden und angeschlagenen Euro-Staaten Notkredite und Bürgschaften in Höhe von 500 Milliarden Euro gewähren können. Für den 9. Juli ist die Gründung des ESM-Direktoriums vorgesehen. Zehn Staaten haben den ESM bereits ratifiziert, unter anderem Frankreich, Spanien und Griechenland. Eine längere Verzögerung in Deutschland könnte den Zeitplan für den ESM zum Kippen bringen: Der Rettungsfonds kann erst dann seine Arbeit aufnehmen, wenn Staaten mit mindestens 90 Prozent des ESM-Kapitals den Fonds ratifiziert haben - ohne die Zustimmung großer Länder wie etwa Deutschland und Italien geht es nicht.

Zwar gelten die erforderlichen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat für die Vertragswerke als sicher, Bundespräsident Joachim Gauck hatte jedoch angekündigt, die Gesetze nach der Verabschiedung vorerst nicht zu unterzeichnen. Das Bundesverfassungsgericht hatte ihn zuvor um mehr Zeit gebeten, um Eilanträge gegen die Pläne prüfen zu können.

28 Ordner mit Adressen und Vollmachten

Und die Gegner in Deutschland machen Druck: 28 Ordner mit Adressen und Vollmachten hat "Europa braucht mehr Demokratie" nach eigenen Angaben in den vergangenen Wochen in Berlin gesammelt, an diesem Freitag soll das Material zusammen mit der Verfassungsklage zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe gebracht werden. Die frühere SPD-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin und der Leipziger Verfassungsrechtler Christoph Degenhart haben die Klage vorbereitet.

Ihre Verfassungsbeschwerde begründen sie mit einem Demokratiedefizit: Der Euro-Rettungsschirm und der Fiskalpakt hätten "verheerende Auswirkungen" auf die Demokratie in Deutschland und Europa, heißt es auf der Internetseite des Bündnisses. Der Rettungsschirm könne unabhängig über bewilligte Gelder verfügen, dessen Entscheidungen könnten weder von Parlamenten noch von Gerichten hinterfragt werden: "Solange die Bevölkerung nicht in bundesweiten Volksentscheiden 'Ja' zu ESM- und Fiskalvertrag gesagt hat, dürfen diese Verträge nicht ratifiziert werden."

"Alle Rettungsschirme haben nur die Banken reich gemacht"

Es hatte zuletzt massive Kritik daran gegeben, dass die beiden Verträge, in denen es um Milliardensummen zur Rettung des Euro geht, binnen weniger Stunden durch Bundestag und Bundesrat gebracht werden sollen.

Die Bürgerklage ist nicht die einzige, die sich gegen Fiskalpakt und ESM richtet: Dem Bundesverfassungsgericht zufolge sind fünf Klagen angekündigt. Dazu gehört auch die Beschwerde der Linke-Fraktion. Nach den für Freitagabend geplanten Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat will die Linke Organklage und Verfassungsbeschwerde erheben und den Erlass einstweiliger Anordnungen beantragen. Anders als das von der früheren Justizministerin Däubler-Gmelin vertretene Bündnis lehnt die Linke die Verträge nicht allein deshalb ab, weil sie sie für nicht vereinbar mit dem Demokratieprinzip halten. Ein weiterer Vorwurf der Genossen, die durch die Staatsrechtler Andreas Fisahn und Hans-Peter Schneider vertreten werden, lautet: Fiskalpakt und ESM tragen zum Abbau des Sozialstaats bei.

"Alle Rettungsschirme haben nur die Banken reich gemacht. Nie die Griechinnen und Griechen, nie die Spanierinnen und Spanier - immer nur die Banken", sagte Linke-Fraktionschef Gregor Gysi.

Über den Fiskalpakt, mit dem sich die EU-Länder zu ausgeglichenen Haushalten und raschem Schuldenabbau verpflichten, sagte er: "Der Vertrag nimmt in beachtlichen Teilen dem Bundestag die Budgethoheit. Das heiligste Recht des Bundestages ist die Bestimmung des Haushaltes. Und das Recht wird ihm zum Teil genommen."

Der Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler (CSU) hat bereits die Ankündigung seiner Klage nach Karlsruhe geschickt. Die Kosten der Euro-Rettung seien "uferlos", zudem würden "zentrale Prinzipien demokratischer Kontrolle" ausgehebelt, sagte Gauweiler dem "Handelsblatt". Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert will klagen. Die Karlsruher Richter haben in den kommenden Tagen also viel zu tun.

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