S.P.O.N. - Der Schwarze Kanal Die Schwarze Witwe
Jetzt ist Angela Merkel also die Schwarze Witwe. Wer ihr zu nahe kommt, dem geht die Luft aus. Langsam, aber sicher verlässt ihn die Lebenskraft, bis er nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Ein politischer Zombie, ein Untoter der Parteienlandschaft. Erst ereilte die SPD beinah das Schicksal, von Merkel ausgesaugt zu werden, nun hat es die FDP erwischt. Weil die FDP kleiner ist als die SPD, hatte sie weniger Widerstandskräfte. Statt von 34 auf 23 Prozent zu fallen, ist sie ganz aus dem Bundestag geflogen.
Muss man sich wundern, dass alle Angst vor Merkel haben? Sogar der patenten Frau Kraft aus Düsseldorf, die als die große Hoffnung der Sozialdemokratie gilt, ist beim Gedanken an eine Koalition in Berlin das Herz in die Hose gerutscht. 90 Prozent ihres Landesverbands seien strikt gegen eine Regierung an der Seite der Bundeskanzlerin, hat sie am Dienstag verkündet. Nur Horst Seehofer scheint tollkühn genug, sich auf das Wagnis einzulassen. Aber der Mann ist ja auch Bayer, da sieht man die Dinge grundsätzlich anders als im Rest der Republik.
Was ein Sonntag doch ausmacht. Eben war Merkel noch die Narkoseschwester im Regierungsmantel, die Deutschland mit ihren Floskeln sedierte, statt den Patienten über die bittere Wahrheit aufzuklären. Diese Woche nun das Begräbnis der "Mutti" und die Auferstehung als kalte Killerin mit dem Spinnenlächeln. Angeblich duldet sie auch keine Blumen in ihrer Nähe, weil die ihre Köpfe immer so hängen lassen. Der Gärtner im Kanzleramt pflanzt deshalb nur noch Plastikblumen, stand als neuestes Gerücht im SPIEGEL. Man glaubt es sofort.
Lieber Tötungsmaschine als Gimpel
Es kann einem als Kanzler Schlimmeres widerfahren als Dämonisierung. Man kann auch verspottet werden. Helmut Kohl war lange nur die Birne, das Trampel, der Tor. Das hat ihm zwar nicht wirklich geschadet, weil es in der Politik durchaus von Vorteil sein kann, unterschätzt zu werden, er selber aber hat unter der Dauerabwertung verständlicherweise gelitten. So gesehen kann Merkel zufrieden sein: lieber Tötungsmaschine als Gimpel.
Eine andere Frage ist, inwieweit man Paranoia beziehungsweise den Trost aus der Selbstsuggestion zur Richtschnur politischer Entscheidungen machen sollte. Merkel hat bereits am Sonntag darauf hingewiesen, dass es der SPD in der Opposition ja nicht wirklich besser ergangen ist. Von 23 auf 25,7 Prozent zu steigen, ist kein Gesundungsschritt, auf den man stolz sein kann. Auch die Grünen arbeiten sich im Augenblick eher am eigenen Größenwahn ab als an der Realität.
Aus Enttäuschung über ihr Ergebnis werden sie fast die gesamte Führung gegen eine Riege von Leuten austauschen, deren Namen man nur mit Hilfe von Google zuordnen kann, dabei ist 8,4 Prozent kein schlechter Wert. Tatsächlich ist es das drittbeste Ergebnis, das die Grünen in ihrer Geschichte hatten. Die 10,7 Prozent beim letzten Mal waren in jeder Hinsicht ein Ausnahmewert: Nach einer großen Koalition profitieren alle kleinen Parteien. Wer nachts von Windrädern statt Schafen träumt und das Raukeblatt der Schweinekruste vorzieht, wird nie zur Volkspartei - alles andere war immer Hybris.
Angst macht nicht sexy
Man darf gespannt sein, welche Erklärung die SPD finden will, sollte sie sich wirklich einer Koalition verweigern. Sorry, aber wir haben solche Angst, von Merkel an die Wand gedrückt zu werden? Keine wirkliche Empfehlung, wenn man anschließend vor die Wähler treten muss, um sich als Alternative zu empfehlen. Angst macht nicht sexy, Wehleidigkeit erst recht nicht. Der größte Fehler der FDP war es vermutlich, in der Woche vor dem Wahlgang wie ein armer Obdachloser jeden Vorbeiziehenden um seine Stimme anzubetteln. Das ist für eine Partei, die eben noch die Schnorrermentalität im Sozialstaat angeprangert hat, keine gute Strategie.
Im Augenblick ist viel von den Kampagnen die Rede, unter denen die Parteien zu leiden hatten. Wenn es darum geht, die Medien für ihren Misserfolg verantwortlich zu machen, sind sich Politiker schnell einig. Die Grünen fühlen sich zu Unrecht wegen ihres Umgangs mit Pädophilie in der Vergangenheit verfolgt, die Freidemokraten wegen allem, und die SPD hat in der Gestalt ihres Kandidaten schon im Wahlkampf ständig darüber gejammert, wie unfair die Presse sei. Nur von Merkel hört man kein böses Wort, trotz aller Kritik an ihr und ihrem Wahlkampfstil. Vielleicht ist es die größte Stärke der Kanzlerin, dass sie sich so selten beklagt.
Man darf gespannt sein, was in der Einordnung als Nächstes folgt. Merkel total? Margot "Angela" Honecker? Aber das hatten wir ja schon in der letzten Saison. Wer nach einem historischen Vorbild sucht, wird weiter im Osten schauen müssen.
An diktatorischen Persönlichkeiten war das kommunistische Weltreich reich gesegnet, da wird man sicher schnell fündig.