Flucht aus dem Bundestag "Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen"

Ein SPD-Abgeordneter zetert über Innenminister Schäuble und der Unionsfraktionschef sucht wütend das Weite. Mit seinem demonstrativen Auszug aus dem Plenarsaal reiht sich Volker Kauder in eine ganze Riege prominenter Bundestagsflüchtlinge ein.
Von Julia Becker und Marie Preuß

Berlin - Als Vorsitzender der Unionsfraktion gehört Volker Kauder zur Vorreiterpartei in Sachen demonstrativer Missbilligung von Redebeiträgen im Deutschen Bundestag. Begonnen hatte dieser Trend nämlich damit, dass am 13. März 1975 die CDU/CSU-Fraktion geschlossen den Plenarsaal verließ.

Der Grund: Der damalige, besonders in der CDU umstrittene SPD-Fraktionsvorsitzende Herbert Wehner hatte in einer Rede zum Thema Terrorismus Äußerungen zum Besten gegeben, die den Konservativen so gar nicht ins politische Konzept passen wollten. Nach etlichen vorangegangenen Beschimpfungen gegen den ehemaligen Kommunisten Wehner, verließen die Unionsabgeordneten schließlich den Bonner Plenarsaal. Wehner konterte auf diese Missachtung seiner Person erbost mit dem legendären Satz: "Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen."

Dennoch flüchteten seither zahllose weitere Politiker aus dem Parlamentssaal: Den fragwürdigen Äußerungen des damaligen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger (CDU) anlässlich des 50. Gedenktages der Novemberpogrome rannten sogar Abgeordnete sowohl der SPD und der Grünen als auch der FDP davon. Jenninger geriet durch die anschließenden Proteste so unter Druck, dass er schlussendlich sein Amt niederlegte.

1997 forderte Wolfgang Schäuble Oskar Lafontaine, seinerzeit SPD-Chef, auf, seine Äußerungen, im Bundestag säßen nur "Flaschen und Pfeifen", zurückzunehmen. Anschließend distanzierte sich Lafontaine zwar von dieser Beleidigung, er entschuldigte sich aber nicht. Daraufhin verließen viele Unionsabgeordnete den Plenarsaal. Im Gegenzug zogen anschließend die SPD-Abgeordneten trotzig von dannen, als Unionsmitglied Repnik seine Rede begann.

Die letzte Flucht vor Kauders Abzug gestern war die von Hans Christian Ströbele. Der Grünen-Politiker verließ 2002 den Plenarsaal, noch bevor der Präsident der USA, George W. Bush, seine Rede vor dem Parlament beginnen konnte. Mit seiner Flucht wollte Ströbele seine Abneigung gegen die Politik des Präsidenten demonstrieren.

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