Flüchtlingspolitik Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer - SPD-Zustimmung wächst

Sollen weitere Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden? Jetzt unterstützen immer mehr SPD-Politiker den Vorschlag. Parteichef Gabriel fordert zudem eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Europa.
Migranten in Mazedonien: Deutsche Politik debattiert über Umgang mit Flüchtlingen

Migranten in Mazedonien: Deutsche Politik debattiert über Umgang mit Flüchtlingen

Foto: OGNEN TEOFILOVSKI/ REUTERS

In der SPD wächst die Zustimmung für den Vorschlag, auch Balkanstaaten wie Albanien und den Kosovo als sichere Herkunftsländer einzustufen. Jetzt hat sich auch die Bundesbeauftragte für Migration und stellvertretende Parteivorsitzende Aydan Özoguz hinter die Forderung gestellt. "Es geht nicht über den Weg Asyl, wenn man eigentlich etwas ganz anderes meint", sagte Özoguz im ARD-"Morgenmagazin". Das Problem sei, dass die Asylanträge aus diesen Ländern nicht schnell genug abgearbeitet werden könnten.

Sichere Herkunftsstaaten sind Länder, von denen die Behörden annehmen, dass den Menschen dort politisch keine Gefahr droht (Lesen Sie hier mehr zu dem Thema). Flüchtlinge aus diesen Staaten können leichter abgeschoben werden. Die Opposition kritisiert jedoch, dass zum Beispiel Roma im Kosovo massiv diskriminiert werden.

Noch in der Vorwoche hatte sich Özoguz deutlich zurückhaltender geäußert. "Ich bleibe da skeptisch", betonte sie da, aber für ihre Partei gelte: "Die SPD wird sich dem nicht verschließen." Jetzt ist auch sie selbst offenbar auf den Kurs ihrer Parteispitze eingeschwenkt. Vor wenigen Tagen hatte sich Parteichef und Vizekanzler Sigmar Gabriel mit den SPD-Ministerpräsidenten auf ein Eckpunktepapier geeinigt, in dem auch von einer Ausweitung der sicheren Herkunftsländer die Rede war. Darauf gab es Kritik aus den eigenen Reihen. Am Wochenende verteidigte Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Linie der Parteiführung: "Die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer auf die Staaten des Westbalkan darf kein Tabuthema sein."

Özoguz nahm bei der Frage nach Diskriminierung die genannten Balkanstaaten in die Pflicht: "Die sind schon länger sicher. Tatsächlich ist es so, dass diese Länder ja in die EU drängen." Die Lage der Roma sei ein Thema, mit dem sich auch Deutschland beschäftigen müsse. "Aber das sind ja auch Hausaufgaben, die diese Länder erledigen müssen, bevor sie tatsächlich Mitglieder der EU sein können", betonte sie. Ein großer Teil der Asylbewerber in Deutschland kommt nicht aus Bürgerkriegsstaaten, sondern etwa aus Albanien und dem Kosovo.

Vor allem die Union hatte immer wieder gefordert, weitere Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Zuletzt bahnte sich jedoch ein Deal an. Sollte die SPD die Pläne unterstützen, könnten CDU/CSU im Gegenzug einem von den Sozialdemokraten geforderten Einwanderungsgesetz zustimmen.

"Eine Schande für Europa"

Vizekanzler Gabriel warnte vor einer Gefährdung der Freizügigkeit in Europa durch die ungerechte Verteilung von Flüchtlingen. "Der Verzicht auf Grenzkontrollen zwischen den meisten EU-Staaten ist gut für Bürger und auch für die deutsche Wirtschaft und ihre Arbeitsplätze, denn viel Zeit und Geld wird gespart", sagte der Bundeswirtschaftsminister der "Bild"-Zeitung. "Aber diese große Errungenschaft wird unter Druck geraten, wenn alle Flüchtlinge in einige wenige Länder ziehen", warnte Gabriel.

Dann würden viele fordern, "die alten Grenzen wieder hochzuziehen". "Das müssen wir wirklich verhindern", mahnte der SPD-Chef. Es sei "eine Schande für Europa, dass wir nicht in der Lage sind, eine bessere Verteilung von Flüchtlingen sicherzustellen". Deutschland, Schweden und Österreich nehmen derzeit die meisten Flüchtlinge auf. Andere Staaten dagegen nur sehr wenige.

Großbritannien bleibt bei harter Linie

Großbritannien verschärft seine harte Linie in der Asylpolitik weiter. Arbeitgeber, die Flüchtlinge ohne Aufenthaltserlaubnis beschäftigen, sollten "die volle Härte des Gesetzes spüren", sagte Migrationsminister James Brokenshire in der "BBC". Nach Informationen der Zeitung "The Times" plant die Regierung Razzien bei Reinigungsfirmen und auf Baustellen. Großbritannien nimmt derzeit weniger Migranten auf als andere Länder in der Europäischen Union.

Tags zuvor hatte Außenminister Philip Hammond mit harschen Worten die Flüchtlingspolitik der EU kritisiert. "Der Unterschied beim Lebensstandard zwischen Afrika und Europa bedeutet, dass es immer Millionen von Afrikanern geben wird, die eine ökonomische Motivation haben, nach Europa zu kommen", sagte Hammond. Flüchtlinge könnten "ziemlich sicher" sein, dass sie aus der EU nicht zurückgeschickt würden.

Hammond erklärte, die Mitgliedstaaten müssten härter gegen Flüchtlinge vorgehen. "Jetzt haben wir keine nachhaltige Situation, weil Europa sich nicht selbst schützen kann, seinen Lebensstandard und seine soziale Infrastruktur, wenn es Millionen von Migranten aus Afrika aufnehmen muss."


Zusammengefasst: Die Migrationsbeauftragte des Bundesregierung, Aydan Özoguz, hat die Forderung unterstützt, auch Albanien und den Kosovo als sichere Herkunftsländer einzustufen. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel mahnte zu mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung von Flüchtlingen. Großbritannien verschärft seinen Kurs in der Asylpolitik.

kev/dpa
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