
Flüchtlinge in Berlin: Verzweifelter Protest auf dem Schuldach
Flüchtlingsprotest in Berlin-Kreuzberg Drama auf dem Dach
Berlin - Dumpf dröhnen die Trommeln der Demonstranten durch die regennassen Straßen zur Gerhart-Hauptmann-Schule herüber. Auf dem Dach des roten Klinkerbaus laufen Flüchtlinge in roten Regenjacken hin und her und schreien um Hilfe. "We are here", brüllt einer. Doch nichts passiert.
Polizisten in den Einsatzwagen vor der Schule schauen gelangweilt aus dem Fenster, knappe Mitteilungen schnarren aus ihren Funkgeräten. Die Ohlauer Straße ist menschenleer, nur ein paar Helfer der örtlichen Kirchen stapfen zielstrebig auf das Flüchtlingslager zu.
Die Gerhart-Hauptmann-Schule im Berliner Bezirk Kreuzberg ist von einer Notunterkunft zum chaotischen Konfliktherd geworden. Im Dezember 2012 hatten afrikanische Flüchtlinge das leerstehende Gebäude besetzt, weil sie in ihren kalten, klammen Zelten auf dem nahegelegen Oranienplatz krank geworden waren. Seitdem lebten zweitweise bis zu 400 Menschen in der Schule, unter katastrophalen Bedingungen.
Am Dienstag hatte die Berliner Polizei mit der Räumung des Gebäudes begonnen. Bis zu 900 Beamte riegelten die umliegenden Straßen ab, über 200 Flüchtlinge wurden nach Angaben des Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg in Notunterkünfte im Westen der Stadt untergebracht. Doch einige Flüchtlinge widersetzten sich den Maßnahmen der Polizei und verbarrikadierten sich in der Schule.
Die Männer haben nach Angaben des Bezirksamts im Haus Benzin verschüttet. Sie drohen, sich anzuzünden und vom Dach des Gebäudes zu springen, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt würden. Die Polizei solle abziehen und das deutsche Asylrecht zu ihren Gunsten geändert werden. Außerdem fordern sie das Gespräch mit dem konservativen Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU). Derzeit befinden sich wohl noch rund vierzig Menschen in der Schule, unter ihnen auch Obdachlose und Mitglieder von Roma-Familien.
Die Presse darf nicht in das Schulgebäude
Der Kontakt mit den Flüchtlingen ist schwierig. Zwar wollen diese mit der Presse reden. Doch das Bezirksamt verhindert seit drei Tagen, dass Journalisten das Gebäude betreten. Wegen des vergossenen Benzins sei das viel zu gefährlich. "Wir verhandeln derzeit mit der Bezirksregierung darüber, wie es für uns jetzt weitergeht", erklärt der sudanesische Flüchtling Mohammad vom Dach der Schule aus per Telefon. Er klingt müde und verängstigt, beharrt aber auf seinen Forderungen. "Wenn wir nicht mit dem einverstanden sind, was die Regierung uns anbietet, bleiben wir hier", sagt er.
Ein Auslöser für das harte Durchgreifen der Polizei war auch die zunehmende Gewalt in dem Gebäude gewesen: Ende April war es im Gebäude zum Streit zwischen zwei jungen afrikanischen Männern gekommen. Nach Angaben des Bezirksamts endete der Disput mit Messerstichen. Das Opfer starb auf dem Weg ins Krankenhaus.
Das Gebäude an der Ohlauer Straße ist seit der versuchten Räumung Schauplatz eines andauernden Konflikts zwischen linksautonomen Demonstranten und der Polizei. Fahnen und Banner fordern politisches Asyl für die Flüchtlinge. Jede Regung der Polizisten vor dem Tor der Schule wird mit wütendem Geschrei beantwortet.
Immer wieder geraten Demonstranten und die gepanzerten Einsatzkräfte der Polizei aneinander. Seit Tagen werden Anwohner von Polizisten durch die Absperrungen zu ihren Wohnungen eskortiert.
Nun läuft eine Verhandlungsrunde nach der nächsten. "Die Nerven der Flüchtlinge liegen blank", erklärt der Sprecher des Bezirksamtes, Sascha Langenbach. Das Gebäude ist immer noch weiträumig abgesperrt, an den Straßenecken campieren linke Demonstranten. Eine rasche Lösung erwartet Langenberg nicht: "Hier in Kreuzberg setzen wir auf langwierige Diskussionen und hoffen, dass die am Ende gut ausgehen."