Merkel im Bundestag Deutschland soll in Flüchtlingsfrage vorangehen

Kanzlerin Merkel schreibt Deutschland in der Flüchtlingskrise eine zentrale Rolle innerhalb der EU zu. Im Bundestag forderte sie eine schnelle Integration der Asylbewerber.
Merkel im Bundestag: Deutschland soll in Flüchtlingsfrage vorangehen

Merkel im Bundestag: Deutschland soll in Flüchtlingsfrage vorangehen

Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERS

Die Bundesregierung will bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise weiter eine Führungsrolle in der EU spielen. "Wenn wir mutig sind und vorangehen, wird es wahrscheinlicher, dass es eine europäische Lösung geben wird", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Generaldebatte im Bundestag.

Gleichzeitig warnte die Kanzlerin die Partnerstaaten der EU, die Fundamente der Gemeinschaft nicht zu beschädigen: "Wenn Europa in der Flüchtlingsfrage versagt, ginge ein entscheidender Gründungsimpuls eines geeinten Europas verloren. Nämlich die enge Verbindung mit den universellen Menschenrechten, die Europa von Anfang an bestimmt hat und die auch weiter gelten muss."

Bis zu 800.000 Menschen werden in diesem Jahr voraussichtlich in Deutschland Asyl beantragen. "Soweit die Zahlen, aber dahinter stehen Schicksale", sagte Merkel. Sie verwies damit auch auf das Bild eines ertrunkenen Jungen am Strand, das um die Welt ging, und auf die Tragödie der 71 toten Flüchtlinge, die in Österreich in einem Kleinlaster gefunden wurden.

"Wir werden nicht einfach weitermachen können wie bisher", sagte Merkel - und umriss "grundlegende Gedanken", wie Deutschland mit dem Andrang der Asylbewerber umgehen solle:

  • Allerhöchste Priorität habe die Integration der Menschen, die jetzt als Asylbewerber in die Bundesrepublik kommen. Das sei eine Erfahrung aus den Fehlern im Umgang mit den Gastarbeitern in den Sechzigerjahren.
  • Diejenigen, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen, werden hier nicht bleiben können, sagte die Kanzlerin im Bundestag. Die Rückführung werde künftig konsequenter durchgeführt werden als bisher.
  • Den Menschen, die in Deutschland bleiben dürften, müsse deutlich gemacht werden, welche Regeln hierzulande herrschten. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass sich Milieus von Integrationsunwilligen bilden.
  • Keine Toleranz sollte es ebenso gegenüber rechter Hetze geben. Es sei "abstoßend und beschämend", wenn Flüchtlingsheime angezündet oder dumpfe Hassbotschaften verbreitet würden. Dagegen werde mit aller Härte des Gesetzes vorgegangen - "auch im Internet".
  • Die Bewältigung der Krise gelinge nicht auf nationaler Ebene, sondern sei eine Herausforderung für die ganze EU. Merkel warb zudem für eine verbindliche Einigung zur Verteilung der Flüchtlinge, die bereits in Europa angekommen sind - so wie es EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeitgleich in Straßburg vorschlug.
  • Die Globalisierung sorge dafür, dass außenpolitische Entwicklungen auch innenpolitisch wirkten. Das seien Effekte, die sich in den kommenden Jahren noch verstärken würden.

Die Entscheidung, Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland ohne Kontrollen einreisen zu lassen, verteidigte Merkel erneut. Sie sei aus humanitären Gründen gefällt worden. Mehr als 14.000 Menschen kamen wegen der kurzfristigen Ausnahmeregelung vergangenes Wochenende in München an.

"Keine neuen Schulden"

Auch wenn der Bund im kommenden Jahr weitere sechs Milliarden Euro für die Flüchtlingshilfe bereitstellen will, halte die Regierung an dem Ziel der "Schwarzen Null" fest, sagte Merkel weiter. "Keine neuen Schulden - und das gilt auch weiter für die mittelfristige Finanzplanung", sagte sie. Deutschlands Finanzen stünden auf einem soliden Fundament, betonte sie und ergänzte: "Solide Finanzen machen es auch möglich, dass wir auf plötzlich auftretende neue Herausforderungen reagieren können."

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte am Vortag in der Haushaltsdebatte im Bundestag angedeutet, angesichts der Herausforderungen durch die Mehrausgaben für Flüchtlinge sei die für 2016 angestrebte "Schwarze Null" nicht unumstößlich.

vks/dpa/Reuters
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