Reaktion auf Flüchtlingskrise De Maizière verkündet Einführung von Grenzkontrollen
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat die Wiedereinführung von Kontrollen an den südlichen Landesgrenzen bestätigt. "Der Schwerpunkt wird zunächst an der Grenze zu Österreich liegen", sagte er am späten Sonntagnachmittag bei einer Pressekonferenz in Berlin. Damit wolle man wieder zu einem geordneten Verfahren kommen. Deutschland werde jedoch geltendes europäisches Recht einhalten und seiner humanitären Verantwortung nachkommen.
De Maizière bestätigte damit einen Bericht von SPIEGEL ONLINE. Er sagte weiter, die Hilfsbereitschaft der Deutschen dürfe nicht überstrapaziert werden. Der Schritt sei auch ein Signal an Europa. Deutschland stelle sich seiner Verantwortung, die Lasten müssten aber solidarisch verteilt werden.
Die Einführung der Grenzkontrollen werde nicht alle Probleme lösen. Wichtig sei daher auch der Einsatz in den Krisenregionen, aus denen derzeit viele Menschen fliehen. Es müsse verhindert werden, so de Maizière, dass sich überhaupt so viele Flüchtlinge auf den Weg machen.

Flüchtlingskrise: Deutschland macht dicht
Die Bundespolizei hat intensive Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze angekündigt. "Wir haben uns darauf eingestellt, diese Maßnahme nach einer Phase des Aufwachsens über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten", teilte das Bundespolizeipräsidium in Potsdam mit. Derzeit würden Einheiten in den Grenzraum verlegt, um die unkontrollierte Einreise aus Drittstaaten zu begrenzen. Man stehe in engem Kontakt zu den österreichischen Behörden und der Deutschen Bahn - die hatte am Nachmittag den Zugverkehr zwischen beiden Ländern eingestellt.
Deutschland sei für die meisten der nach Europa kommenden Asylbewerber gar nicht zuständig, sagte de Maizière weiter. Das Dublin-Verfahren sei nach wie vor gültig. Diese Regelung sieht vor, dass jene EU-Länder für Asylbewerber zuständig sind, in denen diese zuerst ankommen. "Ich fordere, dass sich alle europäischen Mitgliedstaaten in Zukunft wieder daran halten", sagte de Maizière. Flüchtlinge könnten sich ihren Aufnahmestaat "nicht einfach aussuchen."
Der jetzt beschlossene Schritt sei innerhalb der schwarz-roten Koalition beraten worden, sagte der Minister. Zudem habe man sich zuvor mit Österreich beraten. Die Opposition im Bundestag habe er persönlich informiert.
Die Einreise nach Deutschland soll fortan nur noch mit gültigen Reisedokumenten möglich sein - die Grenzkontrollen sind zunächst nicht befristet. Alle Bundespolizisten sind in Alarmbereitschaft versetzt worden. Die Bundespolizei schickt alle verfügbaren Polizisten nach Bayern, um die Grenzen zu schließen.
Erste Reaktionen auf die Entscheidung fielen kritisch aus: "Grenzen kann man schließen, aber die Probleme löst man damit nicht", sagte laut einer Mitteilung der Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi: "Es wird höchste Zeit, so schnell und wirksam wie möglich die Fluchtursachen zu bekämpfen."
Seehofer: Das war eine bayerische Initiative"
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt reagierte mit scharfer Kritik auf die Entscheidung: "Mit den Grenzkontrollen lenkt die Bundesregierung von ihrem eigenen Versagen ab", sagte Göring-Eckardt SPIEGEL ONLINE. "Sie hat viel zu lange versäumt, die Kommunen und Länder finanziell zu unterstützen, Unterkünfte bereitzustellen und die Verfahren zu beschleunigen." Sie forderte zudem, den für den 24. September geplanten Flüchtlingsgipfel auf nächste Woche vorzuziehen.
Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer forderte größere Bemühungen des Bundes in der Asylkrise. Die Finanzbeihilfen für die Länder sollten in den Jahren 2015 und 2016 verdoppelt werden, forderte er - bislang hat der Bund drei Milliarden Euro zugesagt. Die Grenzkontrollen begrüßte er als "wichtiges Signal" an den Rest der Welt. Die Maßnahme sei auf Wunsch Bayerns in einem Telefonat zwischen Kanzlerin Angela Merkel, SPD-Chef Sigmar Gabriel und ihm vereinbart worden, unter Hinzuziehung des Außen- und des Innenministers. "Das war eine bayerische Initiative", behauptete Seehofer.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bewertete die Maßnahme als ein "Ziehen an der Reißleine der inneren Sicherheit unter Ausschöpfung aller verfassungsrechtlich möglichen Instrumentarien". Das verschaffe allen Beteiligten vielleicht die dringend benötigte Atempause, um zu einem geordneten Verfahren zu kommen, sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Jörg Radek. "Das gegenwärtige Durchwinken ist auch ein gravierendes Sicherheitsproblem, weil wir gar nicht mehr feststellen können, wer da überhaupt ins Land kommt."
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, durch die Grenzkontrollen sei das Schengener Abkommen vorübergehend ausgesetzt worden. Dies ist nicht richtig, vielmehr erlaubt das Schengener Abkommen solche Maßnahmen im Ausnahmefall ausdrücklich, es ist also nach wie vor gültig. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, ihn zu entschuldigen.
Zusammengefasst: Die Bundespolizei kontrolliert seit Sonntagnachmittag bis auf Weiteres die deutsch-österreichische Grenze. Damit sollen laut Innenminister Thomas de Maizière Flüchtlinge ohne Ausweispapiere an der Einreise gehindert werden, um Kommunen und Länder bei der Aufnahme von Asylbewerbern zu entlasten. Die Opposition kritisierte diesen Schritt scharf, CSU-Chef Horst Seehofer und die Gewerkschaft der Polizei begrüßten die Maßnahme.