Endlich verständlich Flüchtlinge und Einwanderer: Die wichtigsten Fakten

Flüchtlinge und Einwanderer: Die wichtigsten Fakten
Rechte Gruppen behaupten immer wieder, es gebe eine ungesteuerte Zuwanderung nach Deutschland, jeder könne es sich hier auf Kosten des Sozialstaats bequem machen. Das ist falsch. Grob gesagt haben folgende Menschen das Recht, unter bestimmten Bedingungen in Deutschland zu bleiben: EU-Bürger, Familienangehörige von Deutschen oder Ausländern, die bereits in Deutschland leben, Qualifizierte aus Nicht-EU-Ländern, Spätaussiedler aus Mittel- oder Osteuropa - und eben Flüchtlinge.
Schutzarten
Als Flüchtling oder Asylberechtigter werden in Deutschland nur Menschen anerkannt, die vor Verfolgung oder anderer Gefahr für ihr Leben oder ihre Freiheit fliehen. Armut ist dabei kein Grund, um Schutz als Asylberechtigter oder Flüchtling zu bekommen.
Das im Grundgesetz (Artikel 16a) verankerte Recht auf Asyl bekommen Menschen, die in ihrer Heimat politisch, das heißt durch den Staat, verfolgt werden. Dies betrifft allerdings nur eine kleine Zahl der Flüchtlinge: 2015 wurden weniger als ein Prozent als asylberechtigt anerkannt.
Weitaus mehr Menschen erhalten Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention: 2015 wurde fast die Hälfte der Antragsteller als Flüchtlinge anerkannt, weil sie in ihrer Heimat etwa wegen ihrer Nationalität, ihrer politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt wurden - durch wen auch immer. Fast alle Flüchtlinge aus Syrien und die meisten Flüchtlinge aus dem Irak oder aus Eritrea erhalten einen solchen Flüchtlingsschutz.
Darüber hinaus dürfen Menschen bleiben, denen in ihrem Herkunftsland die Todesstrafe oder Folter drohen oder deren Leben dort individuell bedroht ist. Sie sind "subsidiär schutzberechtigt".
Wenn all diese Schutzgründe nicht zutreffen, prüfen die Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), ob wegen anderer Gefahren im Herkunftsland ein Abschiebungsverbot besteht.
Wird der Asylantrag abgelehnt, muss der Betroffene Deutschland verlassen. Dagegen kann er jedoch vor einem Verwaltungsgericht klagen.
Anerkennungsquote
In den ersten vier Monaten 2016 wurden mehr als 60 Prozent der Asylanträge positiv beschieden - diese Anerkennungsquote ist in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen, weil der Anteil der Flüchtlinge aus Bürgerkriegsländern wie Syrien steigt. Für sie lag die Gesamtschutzquote im Asylverfahren 2015 bei mehr als 90 Prozent, für Afghanen hingegen nur bei knapp 50 Prozent, für Migranten aus den Westbalkanstaaten betrug die Anerkennungsquote weniger als ein Prozent. Der Chef des Bamf, Frank-Jürgen Weise, schätzt, dass insgesamt 55 Prozent der rund 1,2 Millionen Menschen, die seit 2013 als Asylsuchende nach Deutschland gekommen sind, eine Bleibeberechtigung bekommen haben.
Aufenthaltsdauer
Wer als Flüchtling oder Asylbewerber anerkannt ist, kann sich zunächst für drei Jahre in Deutschland aufhalten. Danach kann er eine unbefristete Niederlassungserlaubnis bekommen, wenn die Gründe für die Anerkennung nicht weggefallen sind. Wem "subsidiärer Schutz gewährt wurde, bekommt eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, die für jeweils zwei Jahre verlängert und nach sieben Jahren entfristet werden kann. Ein Abschiebungsverbot führt ebenfalls zu einer Aufenthaltserlaubnis von einem Jahr und kann verlängert werden.
Weltweit sind mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht- ein trauriger Rekord. Die meisten Flüchtlinge suchen dabei Zuflucht in ihrem Heimatland oder in einem Nachbarstaat. Viele aber auch in Europa.
In den vergangenen Monaten und Jahren war der Flüchtlingszugang - in die Nachbarländer der Konfliktstaaten, nach Europa und speziell nach Deutschland - nicht immer gleich groß.
2016 suchten in Deutschland rund 280.000 Menschen Asyl, weniger als ein Drittel als noch im Rekordjahr 2015.
Die Grenzen auf der sogenannten Balkanroute sind inzwischen praktisch geschlossen, aus Griechenland kommen die Menschen kaum noch gen Norden.
Auf den griechischen Inseln werden die Menschen in sogenannten Hotspots zusammengezogen. Seit dem 20. März sollen alle Flüchtlinge, die aus der Türkei ankommen und nicht nachweisen können, dass sie dort verfolgt werden, in die Türkei zurückgebracht werden.
Die Türkei geht verstärkt gegen Schleuser vor, deshalb kamen 2016 deutlich weniger Flüchtlinge nach Griechenland.
Gleichzeitig suchen weiter viele Menschen in den Flüchtlingslagern in Jordanien, der Türkei und dem Libanon Schutz.
Herkunftsländer
Nicht in allen europäischen Ländern verteilen sich die Flüchtlingsgruppen gleich. Für die Mittelmeeranrainerstaaten gilt: In Spanien und Italien kommen vor allem afrikanische Migranten an, in Griechenland Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Und auch in den anderen Aufnahmeländern gibt es Unterschiede. Zum Beispiel machten im dritten Quartal 2016 in Finnland Iraker die größte Gruppe der Asylbewerber aus, in Österreich Afghanen und in der Schweiz Eritreer.
Nach Deutschland kamen 2015 noch viele Asylsuchende aus den Westbalkanländern. Der Zuzug aus diesen Ländern ebbte im Spätsommer 2015 deutlich ab, nachdem die Bundesregierung auch Montenegro, Albanien und das Kosovo zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt hatte. Als sichere Herkunftsstaaten werden Länder eingestuft, bei denen die Bundesregierung annimmt, dass Menschen dort weder politisch noch anderweitig verfolgt werden.
Zum Ende des Sommers 2015 stieg dafür - sowohl absolut gesehen als auch anteilig - die Zahl der Asylsuchenden, die aus Syrien, Afghanistan und dem Irak nach Deutschland kamen. Syrer waren 2016 mit Abstand die größte Gruppe unter den Erstantragsstellern, gefolgt von Afghanen und Irakern.
Geschlecht und Alter
Obwohl weltweit etwa genauso viele Frauen wie Männer auf der Flucht sind und es zum Beispiel auch in den Flüchtlingslagern in der Türkei, im Libanon und Jordanien ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis gibt, war die Mehrheit der Flüchtlinge, die nach Europa kamen, männlich - zumindest im Jahr 2015. Im Jahr 2016 hat sich diese Tendenz jedoch verändert. Laut Uno waren in den ersten Monaten rund 50 Prozent der Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, Kinder und Frauen. Im gesamten Jahr 2016 waren rund 40 Prozent aller Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa kamen, Frauen und Kinder.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Viele Familien, etwa aus Syrien, haben nur Geld, um den Schlepper für eine Person zu bezahlen - häufig wird dann der Mann ausgewählt, weil die Flucht für Frauen und Kinder noch mehr Risiken birgt. Sie bleiben häufig zunächst in Flüchtlingslagern etwa in der Türkei oder im Libanon. Die Väter hoffen dann, dass sie ihre Familien über die Regeln zum Familiennachzug auf sicherem Weg nachholen können, sobald sie in Europa als Flüchtling anerkannt wurden.
Routen
Noch im Jahr 2014 wählten die meisten Menschen die Route von Nordafrika nach Italien. 2015 verlor dieser Weg zahlenmäßig an Bedeutung.
Knapp 750.000 Flüchtlinge nahmen die etwas weniger riskante Route von der Türkei aus über die Ägäis nach Griechenland. Auf Kos und auf anderen griechischen Inseln kamen im Herbst 2015 zeitweise bis zu 10.000 Flüchtlinge täglich an. Von dort reisten die Menschen weiter aufs griechische Festland, überquerten die Grenze zu Mazedonien oder Albanien, um von dort über Serbien und Ungarn oder Kroatien weiter nach Mittel- und Nordeuropa zu gelangen.
Der Weg auf dieser Balkanroute ist seit dem Spätsommer 2015 immer schwieriger geworden, bis im Frühjahr 2016 schließlich kaum noch ein Durchkommen war. Insgesamt kamen 2016 rund 183.000 Menschen über das östliche Mittelmeer nach Griechenland.
Dafür kommen wieder mehr afrikanische Migranten von Nordafrika über das Mittelmeer nach Italien (2016 mehr als 181.000) - die Route ist äußerst gefährlich. Laut UNHCR starben im letzten Jahr über 5000 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer - mehr als je zuvor.
Andere Flüchtlinge versuchen über den Landweg von der Türkei nach Bulgarien weiter nach Norden und Westen zu gelangen.
In der Regel haben Flüchtlinge kaum die Möglichkeit, legal nach Europa zu gelangen, etwa mit dem Flugzeug. Der Grund: Sie bekommen kein Visum - es bleibt ihnen oft nur, sich Schleppern anzuvertrauen. Lesen Sie hier im Detail, wieso Flüchtlinge nicht einfach mit dem Flugzeug kommen können.
Erstaufnahme
Wenn ein Ausländer nach seiner Ankunft in Deutschland erklärt, dass er einen Asylantrag stellen möchte, wird er in die nächstgelegene Aufnahmestelle gebracht. Mithilfe des "Easy"-Systems (Erstverteilung der Asylbegehrenden) wird die Verteilung auf die Bundesländer vorgenommen und die zuständige Erstaufnahmeeinrichtung ermittelt. Hier stellt der Flüchtling persönlich seinen Asylantrag. In der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben die Flüchtlinge bis zu sechs Monate und erhalten überwiegend Sachleistungen für den persönlichen Bedarf.
Um eine einheitliche, zentrale Registrierung zu gewährleisten, wurde im Frühjahr 2016 flächendeckend ein neuer Flüchtlingsausweis eingeführt. In den Erstaufnahmeeinrichtungen wird jeder Flüchtling in einer zentralen Datenbank registriert und erhält einen fälschungssicheren "Ankunftsnachweis", in dem Personendaten wie Name und Geburtsdatum sowie ein Foto und Fingerabdrücke gespeichert werden. Auch Daten zur Schulbildung und zur beruflichen Qualifikation werden hier aufgenommen, um eine schnellere Integration und Arbeitsvermittlung zu ermöglichen.
Asylverfahren
Für das eigentliche Asylverfahren sind Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) verantwortlich. Nach der Antragstellung prüfen sie als Erstes, ob der Flüchtling bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurde und so nach der Dublin-Verordnung ein anderer Staat für das Asylverfahren zuständig ist. In diesem Fall wird ein Überstellungsverfahren in diesen Staat eingeleitet.
Ist Deutschland zuständig, kann der Asylsuchende mithilfe von Dolmetschern in einer persönlichen Anhörung seine Lebensumstände und Fluchtgründe genau schildern. Danach prüfen die Bamf-Entscheider, ob der Flüchtling berechtigt ist, Schutz in Deutschland zu bekommen. Lesen Sie hier, wer in Deutschland bleiben darf.
Im Bamf und in den Außenstellen wurden die Abläufe 2016 reformiert. Asylverfahren sollten so beschleunigt und offene Anträge schneller abgearbeitet werden. Dafür wurde das Personal deutlich aufgestockt. Es wurden sogenannte Ankunftszentren eingerichtet, dort werden alle Schritte von der Registrierung bis zum Bescheid in einem optimierten Asylverfahren gebündelt. Anträge von Flüchtlingen mit guter Bleibeperspektive, aber auch Anträge, bei denen eine Ablehnung zu erwarten ist, werden hier innerhalb von zwei bis sieben Tagen entschieden.
Dauer der Asylverfahren
Die durchschnittliche Dauer der Asylverfahren lag im dritten Quartal 2016 noch bei mehr als 6 Monaten - bei Syrern geht es allerdings deutlich schneller, während sich das Verfahren bei Menschen aus Pakistan oder Iran über ein Jahr hinziehen kann. Hunderttausende alte Verfahren warten beim Bamf darauf, abgeschlossen zu werden.
Asylverfahren im Überblick:

SPIEGEL ONLINE
Im Asylverfahren wird nicht nur geprüft, ob eine Person Anspruch auf Asyl im Sinne des Grundgesetzes hat, sondern auch, ob ein Bleiberecht nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder andere Schutzformen in Frage kommen. Ist all das nicht der Fall, oder ist nach Prüfung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) ein anderer europäischer Staat zuständig, wird der Asylantrag abgelehnt und der Betroffene aufgefordert, Deutschland zu verlassen. Gegen den Bescheid kann der Asylsuchende vor einem Verwaltungsgericht klagen. Hat auch das keinen Erfolg, muss er ausreisen.
Häufig verlassen abgelehnte Asylbewerber Deutschland freiwillig viele dieser Ausreisen werden finanziell von der Bundesregierung gefördert. So sollen Anreize, Deutschland freiwillig wieder zu verlassen, geschaffen werden. 2015 reisten 37.220 Personen mit finanzieller Förderung wieder aus, in den ersten neun Monaten 2016 waren es rund 44.500. Darunter sind auch Flüchtlinge, über deren Antrag noch gar nicht entschieden wurde. Wie viele darüber hinaus ohne Unterstützung in ihr Herkunftsland zurückkehrten, wird nicht erfasst.
Abschiebung
Ausländer, die trotz Ausreisepflicht in Deutschland bleiben, können abgeschoben - das heißt, von der Polizei außer Landes gebracht - werden. Dafür sind die Bundesländer zuständig. Sie gehen mit Abschiebungen allerdings sehr unterschiedlich um, wie Daten zeigen, die SPIEGEL ONLINE vorliegen.
Die Bundesregierung hat in der Flüchtlingskrise zuletzt den Druck auf die Länder erhöht, und es wurden mehr Menschen zurück in ihre Herkunftsländer gebracht: 2015 waren es 20.888 - fast doppelt so viele wie im Vorjahr. Die meisten wurden ins Kosovo, nach Serbien, Albanien und Mazedonien zurückgebracht. 2016 wurden 25.375 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben. Seit Dezember schiebt Deutschland auch wieder vermehrt nach Afghanistan ab allerdings zweifeln mehrere Bundesländer an der dortigen Sicherheitslage und haben die Abschiebungen zunächst ausgesetzt.
Die Große Koalition hat dazu einige Gesetzesverschärfungen beschlossen. Straffällige Ausländer etwa sollen schneller ausgewiesen werden können. Um ein Untertauchen abgelehnter Asylbewerber zu verhindern, sollen Abschiebungen künftig nicht mehr vorher angekündigt werden, und es gelten strengere Regeln, wann aus gesundheitlichen Gründen nicht abgeschoben wird. Lesen Sie hier, mehr zu den gesetzlichen Änderungen. Außerdem soll die Abschiebehaft für sogenannte Gefährder erleichtert werden, in "Bundesausreisezentren" sollen Abschiebungen besser koordiniert werden.
Duldung
In vielen Fällen ist eine Abschiebung nicht möglich. Hindernisse können sein, dass jemand keinen Pass besitzt oder aus gesundheitlichen Gründen nicht reisen kann. Dann muss die Abschiebung vorübergehend ausgesetzt werden und der Betroffene bekommt eine Duldung - das ist kein Aufenthaltstitel, aber ein Nachweis, dass man sich nicht illegal in Deutschland aufhält. Am 31. Dezember 2016 lebten rund 153.000 mit einer Duldung in Deutschland.
Doch auch Zehntausende Ausländer (52.000 zum Stichtag 31.08.2016), die keine Duldung besitzen und eigentlich sofort ausreisen müssten, halten sich weiterhin in Deutschland auf.
Unter den Geduldeten sind zahlreiche Menschen, die seit vielen Jahren in Deutschland sind. Ende 2016 lebten 20.000 Menschen seit mehr als zehn Jahren mit einer Duldung in Deutschland. Ihre Duldung wurde immer wieder verlängert, und doch bekamen sie keinen Aufenthaltstitel, der eine langfristige Lebensplanung in Deutschland ermöglicht hätte. Dies wurde im Sommer 2015 geändert. Nun können Geduldete, die gut integriert sind, nach acht Jahren eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Für Familien mit Kindern gilt dies bereits nach sechs Jahren, für Jugendliche unter bestimmten Umständen schon nach vier Jahren. Doch bis Ende Januar haben nur 4123 Langzeitgeduldete von dieser neuen Regelung profitiert.
Deutschland - Königsteiner Schlüssel
Sobald sich Asylsuchende nach ihrer Ankunft in Deutschland asylsuchend melden, werden sie mit Hilfe des Registrierungssystems Easy auf die Bundesländer verteilt. Das geschieht nicht zufällig, sondern nach Quoten, jährlich neu ermittelt im sogenannten Königsteiner Schlüssel.
Grundlage der Berechnung sind Steuereinnahmen (mit Zwei-Drittel-Anteil bewertet) und Bevölkerungszahl (mit einem Drittel Anteil bewertet) der Länder. Auch innerhalb der jeweiligen Bundesländer gibt es häufig noch einmal einen eigenen Verteilmechanismus für Städte und Kommunen.
Für das Jahr 2016 gilt der Königsteiner Schlüssel wie folgt: Nordrhein-Westfalen muss von allen Bundesländern die meisten Asylsuchenden aufnehmen, nämlich rund 21 Prozent, Bremen am wenigsten mit einer Quote von unter einem Prozent. Zuletzt wurde über eine Reform des Systems nachgedacht.
Europäische Union - Dublin-Verordnung
In der EU gilt grundsätzlich das Dublin-Verfahren: Es regelt, welcher Staat für die Bearbeitung eines Asylantrags innerhalb der EU zuständig ist. So soll sichergestellt werden, dass ein Antrag innerhalb der EU nur einmal geprüft werden muss. Ein Flüchtling muss in dem Staat um Asyl bitten, in dem er den EU-Raum erstmals betreten hat. Dies geschieht besonders häufig an den EU-Außengrenzen, etwa in Italien, Griechenland oder Ungarn. Tut er dies nicht und stellt den Antrag beispielsweise in Deutschland, kann er in den Staat der ersten Einreise zurückgeschickt werden - auch zwangsweise.
Das Dublin-Verfahren warf schon vor Beginn der Flüchtlingskrise größere Probleme auf, da besonders die Mittelmeerstaaten Griechenland und Italien, aber auch das an den Balkan grenzende Ungarn, eine sehr große Zahl an Flüchtlingen aufzunehmen hatten und damit zunehmend überfordert waren. Auf der anderen Seite konnte sich Deutschland - in der Mitte Europas gelegen - rein formal ein komplettes Asylverfahren nur mit Berufung auf Dublin sparen. Mit der zunehmenden Zahl an Flüchtlingen im Jahr 2015 erwies sich Dublin als unzureichend.
Seitdem sucht die EU-Kommission nach einem neuen und gerechteren Verteilungsverfahren. Doch schon die Umverteilung von insgesamt 160.000 in Griechenland und Italien gestrandeten Flüchtlingen, auf die sich die EU-Staaten im Juni und September 2015 geeinigt hatten, geriet zur Farce. Einige osteuropäische Länder weigern sich bis heute, das ihnen zugeteilte Kontingent dieser Flüchtlinge aufzunehmen. Ähnliches gilt für die Verteilung der syrischen Flüchtlinge, die gemäß dem EU-Türkei-Abkommen vom März 2016 in EU-Staaten angesiedelt werden sollen.
Die Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden für die Flüchtlingsaufnahme in Deutschland sind im Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. Im Grundsatz gilt:
Der Bund kümmert sich um das Asylverfahren.
Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge ist Ländersache.
Die Länder übertragen die Aufgabe der Unterbringung ab einem gewissen Zeitpunkt den Kommunen.
In der Praxis sieht es in der Regel wie folgt aus:
Der Bund zahlt zum Beispiel die Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), die über ein Asylgesuch entscheiden. Er zahlt auch die Integrationskurse, die das Bamf jedem anerkannten Flüchtling anbietet.
Die Bundesländer sorgen für die Erstunterbringung der Flüchtlinge, für Geld für Essen, Kleidung und Taschengeld.
Die Asylbewerber sind verpflichtet, bis zu sechs Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. Danach müssen die Kommunen, Landkreise oder Bezirksregierungen dafür sorgen, dass die Flüchtlinge untergebracht werden, in Gemeinschaftsunterkünften oder dezentral in Wohnungen. Die Kosten dafür erstatten die Länder in vielen Fällen mit einer Pauschale, deren Umfang und Höhe unterschiedlich ausfallen kann und damit also auch nicht zwingend kostendeckend ist. Manchmal werden zu einem bestimmten Zeitpunkt auch die tatsächlichen Kosten der Kommune abgerechnet. Je nach Landesaufnahmegesetz wird monatlich, quartalsweise oder am Ende des Jahres gezahlt.
Jedes Bundesland hat also eigene Regelungen, wie Flüchtlinge untergebracht und versorgt werden - eine zentrale Erfassung über jeweils aufgewendete Mittel gibt es nicht. Entsprechend kann die Qualität der Versorgung je nach Bundesland und Kommune oder Landkreis unterschiedlich ausfallen.
Wegen der stark angestiegenen Flüchtlingszahlen im Jahr 2015 sehen sich die Länder und Kommunen überfordert - und verlangen Unterstützung vom Bund. Sie veranschlagen die Gesamtkosten für Flüchtlinge in den Ländern und Gemeinden derzeit auf 20 Milliarden jährlich, rechnen aber mit einem Anstieg auf bis zu 30 Milliarden in vier Jahren. Im September 2015 einigte man sich darauf, dass der Bund den Ländern unter anderem 670 Euro als Pauschale pro Flüchtling und Monat zur Verfügung stellt. Doch auch diese Mittel halten die Länder für zu gering. Deshalb verständigten sich beide Seiten Anfang Juli darauf, dass die Länder bis 2018 insgesamt sieben Milliarden Euro mehr bekommen sollen.
Im Sommer 2015 ist die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge drastisch gestiegen. Seit September hat die Große Koalition darauf mit verschiedenen gesetzlichen Änderungen reagiert.
Asylpaket
Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise wurde im Oktober 2015 in einem Schnellverfahren das erste Asylpaket verabschiedet. Es beinhaltet weitreichende Verschärfungen des Asylrechts. Ziel war es, die Verfahren zu beschleunigen und laut Bundesregierung "Fehlanreize für Menschen ohne Bleibeperspektive zu vermeiden".
Alle Asylbewerber müssen nun bis zu sechs Monate (nicht wie vorher drei) in den Erstaufnahmeeinrichtungen wohnen und sollen dort möglichst nur noch Sachleistungen statt Bargeld bekommen.
Die Westbalkanländer Albanien, Kosovo und Montenegro wurden zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten erklärt, um Asylbewerber aus diesen Ländern schneller in ihre Heimat zurückschicken zu können. Sie müssen bis zum Abschluss des Asylverfahrens in den Erstaufnahmeeinrichtungen leben und dürfen nicht arbeiten.
Menschen mit guter Bleibeperspektive - etwa Flüchtlinge aus Syrien oder dem Irak - erhalten schon während des Asylverfahrens Zugang zu den Integrationskursen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf).
Asylpaket II
Im März 2016 traten weitere Verschärfungen in Kraft.
Es werden besondere Ankunftszentren eingerichtet, in denen alle Schritte des Asylverfahrens von der Registrierung bis zum Bescheid und sogar zur Abschiebung gebündelt werden.
Anträge bestimmter Personengruppen können nun im Schnellverfahren abgewickelt werden. Das gilt für Asylbewerber aus "sicheren Herkunftsstaaten" und für Menschen, die die Behörden "offensichtlich" über ihre Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht haben.
In den neuen Aufnahmeeinrichtungen gilt eine verschärfte Residenzpflicht: Asylbewerber müssen bis zum Abschluss des Verfahrens dort wohnen und dürfen den ihnen zugewiesenen Bezirk nicht verlassen, sonst droht ihnen eine Kürzung der Leistungen.
Für Asylbewerber, die einen "subsidiären Schutzstatus" zuerkannt bekommen haben (siehe Punkt 1), wurde zunächst für zwei Jahre der Familiennachzug ausgesetzt. Im Gegenzug sollen etwa syrische Flüchtlinge, die künftig aus Lagern in der Türkei, Jordanien und dem Libanon nach Europa gebracht werden, ihre Familien leichter nachholen können - dies hängt allerdings von weiteren Vereinbarungen auf EU-Ebene ab.
Abschiebungen werden erleichtert, auch wenn die Betroffenen krank sind: Nur lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankungen werden als Abschiebungshindernis berücksichtigt.
Gemeinsam mit dem Asylpaket II trat infolge der Kölner Silvesterübergriffe ein Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern in Kraft. Dies betrifft auch straffällige Asylbewerber, die nun schneller von einer Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen werden können.
Darüber hinaus sind weitere Änderungen des Asylrechts geplant. Mit einem eigenen Gesetzentwurf hat die Große Koalition im Februar beschlossen, auch Marokko, Tunesien und Algerien als "sichere Herkunftsstaaten" einzustufen, um so die Asylverfahren zu beschleunigen. Allerdings bedarf es hier noch der Zustimmung des Bundesrats und die ist dank der Ablehnung führender Grünen-Politiker ungewiss. Sie prangern Verfolgung und Diskriminierung in Nordafrika an.
Integrationsgesetz
Im Mai hat die Bundesregierung das viel diskutierte Gesetzespaket zur Integration von Migranten auf den Weg gebracht.
Asylbewerbern mit guter Bleibeperspektive soll ein schnellerer Zugang zu Integrationskursen und in den Arbeitsmarkt verschafft werden.
Sollten bestimmte Integrationsmaßnahmen verweigert werden, drohen aber auch Leistungskürzungen.
Die sogenannte Vorrangprüfung wird gelockert, nach der die Arbeitsagentur erst aufwendig prüfen muss, ob ein Job auch mit einem Deutschen oder EU-Bürger besetzt werden könnte.
Der Bund plant ein Programm für zusätzliche gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten ("80-Cent-Jobs"), damit Menschen schon während des Asylverfahrens einer "sinnvollen Betätigung nachgehen" können.
Die Möglichkeit, eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu bekommen wird an "Integrationsleistungen" geknüpft: Sie wird grundsätzlich erst nach fünf statt drei Jahren erteilt und auch nur, wenn die Flüchtlinge hinreichend Deutsch sprechen und ihren Lebensunterhalt weitgehend selbst sichern können.
Geplant ist außerdem eine befristete Wohnsitzzuweisung für anerkannte Flüchtlinge: So will die Regierung vermeiden, dass soziale Brennpunkte entstehen, das schränkt jedoch die Freizügigkeit von anerkannten Schutzberechtigten ein.
Das Integrationsgesetz wurde im Bundestag von der Opposition scharf kritisiert. Sie sieht in dem Gesetz eher Ausgrenzung als notwendige konsequente Integration. Als besonders umstritten gilt die befristete Wohnsitzzuweisung auch für anerkannte Flüchtlinge.
Im März 2016 einigten sich EU und Türkei nach intensiven Verhandlungen auf ein Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen. Ein Großteil der Flüchtlinge war bis dahin bei der Flucht relativ ungehindert über die Türkei nach Europa gelangt. Das Abkommen sollte die Zahl von dort ankommender Flüchtlinge deutlich reduzieren und das Schleuserwesen eindämmen.
Es sieht folgende Maßnahmen vor:
Alle Migranten, die ab dem 20. März 2016 über die Türkei auf irregulären Wegen auf die griechischen Inseln gelangen, sollen wieder in die Türkei zurückgebracht werden. Die Einzelfälle sollen allerdings vorab weiterhin geprüft werden. Ein Flüchtling, der etwa in der Türkei auch Verfolgung oder Repression fürchten muss, soll nicht zurückgebracht werden.
Für jeden auf diese Weise in die Türkei zurückgebrachten Syrer nimmt die EU einen anderen Syrer auf. Bei diesem Eins-zu-eins-Mechanismus werden Migranten bevorzugt, die bislang nicht versucht haben, auf eigene Faust in die EU zu gelangen. Als Obergrenze gilt die Zahl 72.000.
Der türkische Staat soll darüber hinaus das Entstehen von neuen Flüchtlingsrouten in die EU verhindern und gezielt gegen Schleuser vorgehen.
Im Gegenzug hat die EU der Türkei versprochen:
Die Auszahlung der zuvor bereits zugesicherten finanziellen Hilfen (drei Milliarden) für die Türkei soll beschleunigt werden. Außerdem werden weitere drei Milliarden in Aussicht gestellt.
Die ins Stocken geratenen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sollen wiederbelebt werden.
Die Visumspflicht für türkische Staatsbürger in der EU soll aufgehoben werden. Touristen oder Geschäftsleute aus der Türkei sollen künftig für bis zu 90 Tage ohne Visum in den Schengen-Raum einreisen können. Der Weg dazu war zwar schon im Dezember 2013 geebnet worden, doch hatte sich das Verfahren verzögert.
Probleme und Kritik
Der ausgehandelte Eins-zu-eins-Mechanismus wird allerdings bereits infrage gestellt: Nach SPIEGEL-Informationen werden von der Türkei für die Ausreise in die EU vor allem Menschen mit geringerem Bildungsgrad und Kranke ausgewählt. Akademiker dürfen auf diesem Weg nicht mehr ausreisen.
Zum größten Streitpunkt ist der Wegfall der Visumspflicht geworden. Eigentlich sollte diese bis Ende Juni 2016 umgesetzt werden. Dafür muss die Türkei allerdings 72 Anforderungen in Bereichen wie Dokumentensicherheit, Migrationsmanagement oder Grundrechte erfüllen. Die Anti-Terror-Gesetze sind besonders umstritten, weil der türkische Staat sie auch dazu nutzt, um repressiv gegen Journalisten und Oppositionspolitiker vorgehen zu können.
Präsidenten Recep Tayyip Erdogan weigert sich bislang beharrlich, die Gesetze anzupassen und droht, das gesamte Abkommen platzen zu lassen. Damit bringt er Politiker in Deutschland und der gesamten EU gegen sich auf. Das Europäische Parlament, das der Visa-Liberalisierung zustimmen müsste, will sich bis zur Erfüllung aller Kriterien nicht mit dem Thema beschäftigen. Die Bundesregierung rechnet damit, dass die Lockerungen erst 2017 kommen könnten.
Für eine erfolgreiche Integration von Migranten gelten zwei Faktoren als besonders wichtig: der Erwerb der Sprache des Ziellandes und der Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Voraussetzungen sind dabei in den EU-Staaten ganz unterschiedlich. Hier eine Übersicht über die Bedingungen in Deutschland:
Deutsch lernen
Kinder, Jugendliche und Studenten können meist an ihren Schulen, Berufsschulen oder Universitäten an speziellen Deutschkursen teilnehmen. Grundsätzlich werden Deutschkurse für Flüchtlinge oft schon in den Not- oder Erstunterkünften angeboten - häufig von Ehrenamtlichen.
Umfassende staatliche Hilfe beim Deutschlernen bekommen Asylbewerber, deren Verfahren noch läuft, erst seit Kurzem. Im Herbst 2015 hat die Bundesregierung die staatlichen Integrationskurse auch für Asylsuchende und Geduldete mit guter Bleibeperspektive geöffnet - allerdings fehlen Zehntausende Kursplätze. Eine "gute Bleibeperspektive" sieht die Bundesregierung für Asylbewerber aus Herkunftsländern, für die die Anerkennungsquote bei über 50 Prozent liegt. Flüchtlinge etwa aus Afghanistan sind durch diese Regelung pauschal von den Integrationskursen ausgeschlossen. Der Unterricht besteht zusätzlich zum Spracherwerb auch aus Themen wie Landeskunde und deutscher Rechts- und Gesellschaftsordnung.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge organisiert auch berufsbezogene Förderkurse (ESF-BAMF-Programm). Neben einem spezifisch auf einen Beruf abgestimmten Deutschunterricht, bekommen die Teilnehmer Fachunterricht und machen ein Praktikum. An ihnen können Flüchtlinge teilnehmen, sobald sie einen Integrationskurs abgeschlossen haben oder ausreichende Sprachkenntnisse (Niveau B1) nachweisen können und arbeiten dürfen.
Arbeitsmarkt
In Deutschland können Asylbewerber frühestens nach drei Monaten Aufenthalt arbeiten, wenn für den konkreten Job nicht auch ein arbeitssuchender Deutscher oder EU-Bürger infrage kommt (Vorrangprüfung) - und auch das nur unter bestimmten Bedingungen. Migranten aus sicheren Herkunftsstaaten etwa dürfen keinen Job aufnehmen. Sie sind verpflichtet, in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen und ihre Chancen auf ein Bleiberecht ohnehin gering.
Einen schnelleren Einstieg in den Arbeitsmarkt soll das im Mai von der Koalition beschlossene Integrationsgesetz ermöglichen. Für Asylsuchende mit guter Bleibeperspektive soll vermehrt auf die Vorrangprüfung verzichtet werden. Zusätzlich werden 100.000 Arbeitsgelegenheiten geschaffen. Flüchtlingsvertreter begrüßen zwar einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt grundsätzlich, doch bemängeln, dass das Gesetz dies über Leiharbeit und 80-Cent-Jobs erreichen möchte.
Sobald ein Asylverfahren positiv beschieden wurde, gibt es, grob gesagt, schon heute keine Beschränkungen mehr für den Zugang zum Arbeitsmarkt.
Tatsächlich bleiben in der Realität viele Flüchtlinge ohne Job. Im April 2016 waren laut der Bundesagentur für Arbeit 136.000 Männer und Frauen aus den sogenannten Asylzugangsländern erwerbslos gemeldet - 64.000 mehr als vor einem Jahr. Es hapert oft an Deutschkenntnissen, außerdem unterscheidet sich der Bildungsgrad der Flüchtlinge je nach Herkunftsland. Viele haben keine abgeschlossene Berufsausbildung - das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) schätzt, dass das bis zu 70 Prozent betrifft.
Erhebungen zeigen, dass die Integration in den Arbeitsmarkt Zeit braucht. Bezogen auf Menschen, die bereits seit mehreren Jahren in Deutschland leben und als Flüchtlinge eingereist waren, stellt das Nürnberger IAB fest, dass es etwa 15 Jahre gedauert hat, bis 70 Prozent von ihnen dauerhaft Arbeit gefunden haben. Nur ein knappes Zehntel der Zuwanderer im erwerbsfähigen Alter fand gleich im ersten Jahr einen Job. Diese Quote entspricht in etwa den Erfahrungen aus einem aktuellen Modellprojekt der Arbeitsagentur, in dem Zuwanderer gezielt nach ihren Qualifikationen gefragt und entsprechend gefördert wurden.
Schule
Grundsätzlich haben Flüchtlingskinder in Deutschland das Recht, eine Schule zu besuchen. Ob und ab wann es für sie eine Pflicht zum Schulbesuch gibt, ist je nach Bundesland unterschiedlich geregelt. In vielen Ländern beginnt für die Flüchtlingskinder die Schulpflicht, wenn ihre Familien die Erstaufnahmeeinrichtung verlassen und einer Kommune zugewiesen werden. Andernorts, etwa in den Stadtstaaten, besteht dagegen sofort Schulpflicht.
Viele der neuen Schüler besuchen zunächst sogenannte Vorbereitungs- oder Übergangsklassen, in denen sie vor allem Deutsch lernen, bevor sie in eine Regelklasse wechseln. Manche Kinder nehmen jedoch auch sofort am normalen Unterricht teil. An Grundschulen ist das häufig der Fall. Aber auch an weiterführenden Schulen gibt es je nach Bundesland und Schule Modelle, bei denen die Schüler zumindest in manchen Fächern sofort in Regelklassen integriert werden.
Es gibt keine genauen bundesweiten Zahlen zu Flüchtlingskindern an deutschen Schulen. Die Kultusministerkonferenz schätzt, dass in den Jahren 2014 und 2015 rund 325.000 schulpflichtige Kinder und Jugendliche in Deutschland ankamen. Sollten alle 2015 eingereisten Flüchtlingskinder im schulpflichtigen Alter von sechs bis 16 Jahren - unabhängig von der Bleibeperspektive - tatsächlich eine Schule besuchen, würde dies einen Anstieg der deutschlandweiten Schülerzahlen um 1,4 Prozent bedeuten.
Hochschule
Der Deutsche Akademische Austauschdienst schätzt, dass rund 50.000 Flüchtlinge ein Studium aufnehmen können und wollen. Wer einen Schulabschluss besitzt, der in Deutschland als Hochschulzugangsberechtigung anerkannt ist, und Deutsch gut genug beherrscht, kann sich regulär um einen Studienplatz bewerben. Anerkannte Flüchtlinge haben Anspruch auf Bafög, ebenso Geduldete nach einer Wartefrist von 15 Monaten.
Oft können Studienbewerber aufgrund ihrer Flucht keine Zeugnisse und Seminarbescheinigungen vorlegen. Für Fälle, in denen Dokumente fehlen, haben sich die Kultusministerkonferenz und die Hochschulrektorenkonferenz im Dezember auf ein vereinfachtes Zulassungsverfahren geeinigt: Dabei wird unter anderem mit Eignungstest geprüft, ob ein Flüchtling die nötigen Fähigkeiten für das gewünschte Studium mitbringt.
Studierwillige, die keinen anerkannten Schulabschluss besitzen, können sich zunächst an einem Studienkolleg bewerben. Die einjährigen, in der Regel kostenlosen, Kurse vermitteln gehobene Deutschkenntnisse und andere Qualifikationen und schließen mit einer Prüfung ab, die zum Studium berechtigt. In den kommenden Jahren will der Bund 10.000 zusätzliche Plätze an Studienkollegs und ähnlichen Einrichtungen finanzieren.
Hindernisse auf dem Weg zum Studium sind die lange Dauer mancher Asylverfahren und fehlende Deutschkenntnisse. Viele Universitäten bieten mittlerweile zwar Flüchtlingen, über deren Asylantrag noch nicht entschieden ist, Orientierungsprogramme, Sprachkurse oder einen Gasthörerstatus an. Meist können die Asylbewerber dabei jedoch noch keine Leistungsnachweise erwerben.
Die Terroranschläge von Paris im November 2015 haben die Diskussion über ein potenzielles Sicherheitsrisiko durch Flüchtlinge befeuert. Zwei der Paris-Attentäter sind mit gefälschten Pässen als Flüchtlinge getarnt über die Balkanroute eingereist. Auch der junge Afghane, der im Sommer 2016 in einem Regionalzug nahe Würzburg mehrere Menschen mit einer Axt schwer verletzte, sowie der Tunesier Anis Amri, der 12 Menschen auf dem Berliner Breitscheidplatz tötete, waren als Asylsuchende nach Deutschland gekommen.
Terrorismus
Laut Verfassungsschutz gab es Ende 2015 "keine belastbaren Erkenntnisse", dass "dschihadistische Gruppierungen die Flüchtlingsströme zielgerichtet zur Infiltration des Bundesgebiets" genutzt hätten. Ähnlich wurde es beim Bundesnachrichtendienst oder im Innenministerium gesehen.
Seit Ende Juli jedoch gibt es eine neue Entwicklung: Sowohl der Axt-Angreifer im Regionalzug nahe Würzburg als auch der Rucksack-Attentäter aus dem bayerischen Ansbach berufen sich nach bisherigem Stand der Ermittlungen auf den "Islamischen Staat".
Die Sicherheitsbehörden sind auch dadurch alarmiert, dass sich Extremisten und Schwerkriminelle besonders um Flüchtlinge bemühten. Vor allem unbegleitete jugendliche Zuwanderer könnten "leichte Beute für Islamisten" werden, warnte der Verfassungsschutz. Zwischen September 2015 und Mai 2016 habe es mehr als 300 Kontaktversuche zu Zuwanderern durch Salafisten gegeben. Auch organisierte Kriminalität und andere Schwerverbrecher suchten hier Kontakte. Ob die Ankömmlinge tatsächlich in Kriminalität oder Extremismus abrutschten, hänge stark von den Integrationsbemühungen hierzulande ab.
Kriminalität
Es gibt keine verlässlichen Zahlen darüber, ob Flüchtlinge häufiger straffällig werden als andere Ausländer oder Deutsche.
In Bayern etwa ist die Gesamtkriminalität laut des dortigen Innenministeriums sogar leicht gesunken - Verstöße gegen das Ausländerrecht abgezogen. Laut BKA ging es bei den 2015 verzeichneten Straftaten, die von Asylsuchenden begangen wurden, in zwei Drittel der Fälle um Eigentums-, Fälschungs- und Vermögensdelikte. Etwa 18 Prozent sind sogenannte Rohheitsdelikte, also Körperverletzungen, Bedrohungen und Nötigungen - in den meisten Fällen sind andere Flüchtlinge die Opfer.
2015 ist es vermehrt zu fremdenfeindlichen Übergriffen auf Flüchtlingsheime gekommen. Das BKA zählte mehr als tausend Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte. Der größte Teil davon war rechtsradikal motiviert. 2016 blieb die Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte mit 970 erfassten Straftaten nach wie vor hoch. Zudem meldeten die Bundesländer 2.396 Straftaten gegen Flüchtlinge außerhalb der Unterkünfte.
Die Aufklärungsquote bei diesen Gewalttaten ist sehr gering. Nur selten kommt es zu Anklagen und anschließenden Verurteilungen wie im Fall von Salzhemmdorf, wo in der Nacht auf den 28. August 2015 ein Brandsatz auf eine bewohnte Flüchtlingsunterkunft geworfen worden war. Die Täter wurden zu viereinhalb bis acht Jahren Haft verurteilt.
Mangelnde Hilfe und Schutz für Flüchtlinge
Viele Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, haben Traumatisches erlebt - nach Schätzungen der Bundespsychotherapeutenkammer leidet mindestens die Hälfte an psychischen Erkrankungen. Aber oft wird eine Therapie nicht gewährt, und wenn, dann dauert es Monate, bis die Sozialämter darüber eine Entscheidung getroffen haben. Außerdem gibt es viel zu wenige Therapieplätze.
Zwar wurden in einigen Bundesländern schon Gesundheitskarten für Flüchtlinge eingeführt, doch dauert es immer noch 15 Monate, bis sie in die reguläre Krankenkasse aufgenommen werden. Bis dahin ist ihre Anlaufstation meist eines von rund 30 Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer. Eine Fortsetzung der Behandlung in den Psychosozialen Zentren ist jedoch problematisch, die gesetzlichen Krankenkassen tragen die Kosten meist nicht. Die Kosten für die oft benötigten Dolmetscher werden von den Krankenkassen in der Regel ebenfalls nicht übernommen.
Ein weiteres Problem ist mangelnder Schutz für Frauen und Kinder, aber auch für homosexuelle Männer in den Flüchtlingsunterkünften. Eine EU-Richtlinie von 2013, die die Mitgliedstaaten auffordert, "die spezielle Situation von schutzbedürftigen Personen" zu berücksichtigen, hat Deutschland noch nicht umgesetzt.
Das Spektrum der Übergriffe reicht von Drohungen über grapschen bis hin zu Vergewaltigungen. Täter sind oft andere Bewohner, Verwandte - aber Berichten zufolge auch Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten. In einer früheren Studie gaben vier von fünf befragten Frauen an, in den Heimen psychischer Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein, jeder zweiten Frau war körperliche Gewalt widerfahren. Experten halten diese Zahlen auch aktuell noch für realistisch.
Die Möglichkeiten sind vielfältig - sei es mit Deutschunterricht, Hilfe bei Behördengängen oder Kinderbetreuung. Auch Spenden, etwa von Kleidung, Spielzeug oder Geld an gemeinnützige Organisationen helfen.
Bei Sachspenden ist es wichtig, bei der zuständigen Stelle vorher nachzufragen, was konkret benötigt wird. In manchen Städten sind die Kleiderkammern voll, außerdem hat sich im Laufe der Zeit der Bedarf geändert.
Spenden
In Berlin kann man sich auf der Seite des Netzwerks Berlin hilft! schlau machen darüber, was in den unterschiedlichen Bezirken benötigt wird. Münchner können sich auf dieser Website, die von der Caritas und der Sozialbehörde der Stadt betrieben wird, darüber informieren, wie sie helfen können. Wer in Hamburg aktiv werden möchte, findet hier weitere Hinweise.
Wohnen
Prinzipiell ist es auch möglich, Flüchtlinge bei sich zu Hause aufzunehmen oder ihnen Wohnraum zu stellen - wenn ihr rechtlicher Status das zulässt. Die Regelungen sind jedoch von Land zu Land unterschiedlich. Dazu hier eine kleine Übersicht.
In Berlin hat der Senat private Wohnungseigentümer dazu aufgerufen, Flüchtlingen Wohnungen oder Zimmer zu vermieten. Beim Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) können sich Wohnungsanbieter informieren. Die Vermittlung von WG-Zimmern oder ähnlichen privaten Unterkünften erleichtert außerdem die Initiative Flüchtlinge Willkommen.
Hilfe im Alltag und Patenschaften
Flüchtlinge benötigen auch Unterstützung dabei, sich in Deutschland zurechtzufinden. Wer dabei helfen will, kann sie zu Behörden begleiten, in Deutsch unterrichten, Flüchtlingskinder betreuen oder Nachhilfe geben. Bundesweit geben Webseiten wie ProAsyl oder dieses Informationsportal Auskunft darüber, wo man sich wie engagieren kann.
Über Patenschaften oder sogar Vormundschaften für minderjährige Flüchtlinge kann man sich beim Bundesfamilienministerium über das Programm "Menschen stärken Menschen" informieren. Initiativen wie "Start with a friend" vermitteln außerdem Tandem-Partnerschaften.