Unterkünfte nicht winterfest Noch Tausende Flüchtlinge ohne festes Dach über dem Kopf

Heizlüfter blasen warme Luft in Zelte: Flüchtlingscamp bei Celle
Foto: Peter Steffen/ dpaEs wird kalt in Deutschland. Vereinzelt gibt es nachts bereits Frost, und die Luft kühlt sich auf sechs bis minus drei Grad ab - zu kalt, um in einem Zelt zu schlafen, das nicht isoliert ist. Doch noch immer sind Tausende Plätze in Flüchtlingsunterkünften nicht winterfest.
Während Asylbewerber in Berlin, Hessen, Bayern oder Mecklenburg-Vorpommern in der kalten Jahreszeit auf ein festes Dach über dem Kopf hoffen können, werden sie in Bremen oder Niedersachsen womöglich in nachgerüsteten Zelten wohnen müssen. Auch Schleswig-Holstein schließt winterfeste Zelte als letzten Lösungsweg nicht aus, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab.
In Niedersachen wohnen noch 4000 Flüchtlinge in Zelten. Diese sollen laut Innenministerium bis Ende Oktober entweder beheizt oder durch Schnellbauhütten ersetzt werden. In Hamburg müssen der Innenbehörde zufolge 3150 Plätze in beheizbare Gebäude oder Bundeswehrzelte umgelegt werden. Außerdem sollen Holzhäuser Zeltplätze ersetzen.
Und auch in Bremen ist die Situation ernst: "Wir müssen unsere Standards ständig weiter absenken, um den Menschen überhaupt noch ein Dach über dem Kopf zu bieten", sagte Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne). 1000 der fast 5000 Plätze in Notunterkünften seien nicht wintertauglich.
300.000 unbearbeitete Asylanträge
Doch nicht nur das Wetter gibt Anlass zur Sorge: Auch die Bearbeitung von Asylanträgen zieht sich mehr und mehr in die Länge. 300.000 unbearbeitete Asylanträge liegen laut Bundesinnenministerium beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Im September wurde demnach fast die Hälfte der gut 40.000 eingereichten Anträge nicht bearbeitet.
Die Verzögerungen sind nicht nur auf Unterbesetzung zurückzuführen - es gibt einen weiteren, ganz banalen Grund: Die IT-Systeme beteiligter Behörden sind Medienberichten zufolge nicht miteinander kompatibel.
Es gibt beispielsweise keine Schnittstelle zwischen den Programmen der Bundespolizei und des Bamf. Die Polizeibehörde kann somit Daten aufgegriffener Flüchtlinge bislang nur per E-Mail an das Ministerium schicken, wie die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf einen hochrangigen Bundespolizisten berichtete.
Laut Innenministerium verwendet das Bamf die Software MARIS (Migrations-Asyl-Reintegrations-System), die eigens für das Amt entwickelt worden ist und nur einen internen Datenaustausch ermöglicht. Auf die Frage, warum ein Übergang zu den Systemen des Bamf bisher nicht geschaffen worden ist, hat auch die Bundespolizei bislang keine Antwort. Das Bundesinnenministerium überprüft indes, ob sich das Asylverfahren technisch verbessern lasse.
Verschärft werde die Situation zudem durch ein neues Asylantragsgesetz, kritisiert die Organisation Pro Asyl. Laut diesem Gesetz erhalten Flüchtlinge nach ihrer Registrierung zunächst eine sogenannte Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender. Damit laufen "die Asylsuchenden monatelang rum", bevor sie beim Bamf wiederum einen Termin zur Asylantragstellung erhielten, moniert Günter Burkhardt. Der Geschäftsführer von Pro Asyl schlägt deshalb vor, das Antragsverfahren automatisch immer gleich mit der Registrierung eines Flüchtlings zu beginnen. Damit käme das IT-Problem gar nicht auf.
"Es gibt keine Zugbrücke, die wir hoch ziehen können"
Um den Zuzug von Flüchtlingen grundsätzlich zu beschränken, hatte die Bayerische Landesregierung am Freitag sogar angekündigt, vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und sein Kabinett fordern zudem, Flüchtlinge direkt an der deutschen Grenze zurückzuweisen.
Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) reagierte indes mit scharfen Worten auf die Ankündigung aus Bayern: "Weder Gesundbeten hilft, noch Panik- und Angstmache. Und schon gar keine starken Sprüche wie aus der CSU. Es gibt keine Zugbrücke, die wir vor Deutschland hoch ziehen können", sagte der SPD-Vorsitzende der "Bild"-Zeitung. "Und Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett wird selbst die CSU nicht an den Grenzen aufmarschieren lassen, um Flüchtlinge abzuwehren."
Gabriel plädierte weiter dafür, sich dafür einzusetzen, die Ursachen der Flucht zu beseitigen. Bis zu einem Waffenstillstand im Bürgerkriegsland Syrien "müssen wir die Nachbarländer Syriens - Jordanien, Libanon und die Türkei - so stark unterstützen, dass die Flüchtlinge sich gar nicht erst auf den Weg machen müssen, sondern nahe ihrer Heimat bleiben können."
Video: Ein Unternehmer über den Engpass bei Notunterkünften
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