Flüchtlingskrise Das Dilemma der Linken

Pegida-Demo in Dresden: "Da muss man einfach durch"
Foto: Arno Burgi/ dpaFragt man bei den Linken nach der Rolle Oskar Lafontaines, wird meist demonstrativ mit den Schultern gezuckt. "Ach", heißt es dann. "Nö." "Puh." Lafontaine macht mittlerweile wieder Landespolitik im Saarland, weit weg von Berlin - das ist vielen in der Partei auch recht so.
Für den einen oder anderen Aufreger ist der einstige Vorsitzende aber immer noch gut.
Anfang dieser Woche veröffentlichte Lafontaine eine Mitteilung auf seiner Webseite. "Flüchtlingszuzug begrenzen, um in Deutschland den Familiennachzug zu ermöglichen" stand darüber. Flüchtlingszuzug begrenzen. Das ist die Position der Union.
Lafontaine schreibt, "feste Kontingente in Europa" seien menschlicher, wenn man dadurch den Aufgenommenen ermögliche, ihre Ehepartner und Kinder nachzuholen. Allerdings hatten die beiden Linken-Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger gerade erst festgehalten, dass sich Flüchtlinge aussuchen sollten, in welchem Land sie leben. Mit einer Deckelung geht das nicht zusammen.
In Lafontaines Mitteilung heißt es weiter, für die Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung sei der soziale Frieden im Land der Schlüssel. "Die Kosten dürfen nicht diejenigen tragen, die ohnehin schon benachteiligt sind."
"Nicht akzeptabel"
Die Partei zuckte heftig zusammen. Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn schrieb auf Facebook: "Ich teile Oskar Lafontaines Position nicht." Es sei nicht akzeptabel, "die einen Flüchtlinge gegen die anderen auszuspielen". Auch sei es "nicht hilfreich", den sozialen Frieden als gefährdet zu bezeichnen. "Beides tun andere jeden Tag - und ich bin dankbar, dass viele Menschen genau dagegen Woche für Woche auf die Straße gehen."
Halina Wawzyniak, rechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, twitterte: Flüchtlingszuzug gegen Familiennachzug auszuspielen, "ist so bäh".
Auch in der Fraktionssitzung am Dienstag, so ist zu hören, beklagte man sich über "die Töne aus dem Saarland".
Nun ist es so, dass Lafontaine schon in seiner Zeit als SPD-Politiker nicht gerade mit einer besonders liberalen Asylpolitik aufgefallen ist. Doch die Reaktionen auf einen, der angeblich kaum mehr gehört wird, zeigen: Das Thema Flüchtlinge ist in der Partei hochsensibel.
Wunsch nach strengerem Kurs
Und das hat einen Grund: Gerade an der Basis wünschen sich viele einen strengeren Kurs gegenüber Flüchtlingen. Es sind auch traditionelle Linke-Wähler, die bei Pegida mitmarschieren.
Bereits vor einigen Monaten hatte eine Forsa-Umfrage ergeben: 26 Prozent der Linken-Anhänger können sich vorstellen, bei Demonstrationen gegen die "Islamisierung" Deutschlands mitzumachen - doppelt so viel wie in der Gesamtbevölkerung. Gerade erst besagte der ARD-"Deutschlandtrend", dass 15 Prozent bei den Anhängern der Linken Sympathien für Pegida haben - mehr als zum Beispiel bei der Union. Besonders im Osten betonen einzelne Politiker immer wieder, dass es bei den islamfeindlichen Kundgebungen ja auch Bürger mit "echten Sorgen" gebe.
Das Problem sei, dass gerade im Osten viele Linken-Wähler Gleichheit nicht nur sozial sondern auch über Ähnlichkeit definieren, sagt Politikwissenschaftler Torsten Oppelland von der Uni Jena. "Es gibt eine instinktive Ablehnung gegenüber Unbekannten." Deshalb überschneide sich zum Beispiel auch die Wählerschaft von Linken und AfD.
Kein geeignetes Rezept
Für die Parteispitze ist das alles ein Dilemma. Soziale Politik ist das Kerngeschäft der Linken, doch in der Flüchtlingskrise droht sie mit einer solidarischen Haltung gegenüber den Hilfesuchenden, eigene Wähler zu vergraulen. In einer aktuellen Wahlumfrage sackte die Partei bundesweit auf acht Prozent ab.
Ein geeignetes Rezept hat die Partei bislang nicht gefunden. Führende Linken-Politiker versuchen, ihre Stammklientel zu halten. Sie betonen immer wieder, der Mindestlohn oder die Sozialleistungen dürften trotz der starken Zuwanderung nicht angetastet werden. Mitunter schieben sie auch den USA die Schuld an der Misere in die Schuhe. Bei ihrem offenen Asylkurs bleiben sie aber.
Stefan Liebich ist außenpolitischer Sprecher der Linken. Er sagt, Lafontaines Meinung sei in der Partei "nicht mehrheitsfähig." Man dürfe die Zuwanderung nicht begrenzen. Im Zweifel, so sehen es viele, sollen die unerwünschten Positionen einfach ignoriert werden. Es könne sein, dass einzelne Wähler mit Pegida sympathisieren, sagt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion. Mit der Parteilinie habe das aber nichts zu tun. "Da muss man einfach durch."
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