Flüchtlingsstreit CDU-Präsidium stellt sich hinter Merkel - nur Spahn nicht

Im Flüchtlingsstreit mit der CSU erhält Angela Merkel Rückendeckung des CDU-Präsidiums. Nur Jens Spahn bekennt sich nicht zum Vorschlag der Kanzlerin.
Angela Merkel

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Foto: MICHELE TANTUSSI/ REUTERS

Die Auseinandersetzung in der Union um die Zurückweisung von Flüchtlingen droht zu eskalieren. Der CDU-Teil der Fraktion und die CSU-Landesgruppe treffen sich zur Stunde zu getrennten Sitzungen.

Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel hatte zuvor Rückendeckung vom CDU-Präsidium erhalten. Das Gremium unterstütze Merkel in ihrem Bestreben, "im Umfeld des Europäischen Rates mit den am stärksten vom Migrationsdruck betroffenen Ländern Vereinbarungen zu treffen", die eine Zurückweisung von dort bereits registrierten Flüchtlingen ermöglichen würden, teilte die Partei mit. CSU-Chef Horst Seehofer will dies auf nationaler Ebene entscheiden.

In einer Telefonschalte des CDU-Präsidiums stellten sich nach SPIEGEL-Informationen alle Mitglieder hinter den Kompromissvorschlag der Kanzlerin - bis auf Gesundheitsminister Jens Spahn. Spahn forderte dem Vernehmen nach, man möge den Bundestagsabgeordneten der Partei den Vorschlag vorlegen - sollte dieser dort eine Mehrheit finden, würde er sich dem Vorschlag anschließen.

"Steuern und kontrollieren"

Merkels konkreter Vorschlag sah bilaterale Vereinbarungen vor, wohl vor allem mit Italien, Griechenland und Spanien. Erst dann könnte man aus Merkels Sicht Asylbewerber zurückweisen, die schon in anderen EU-Ländern Asylverfahren durchlaufen haben.

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Das CDU-Präsidium signalisierte nun erneut Kompromissbereitschaft. Personen, deren Asylantrag in Deutschland bereits abgelehnt worden sei, sollten bei einem erneuten Versuch der Einreise sofort zurückgewiesen werden, teilte die CDU nach mit.

"Das Präsidium hat heute Morgen das Ziel bekräftigt, die Migrationsprozesse in Europa und die Einreise in unser Land wirksam zu steuern und zu kontrollieren", hieß es in der kurzen schriftlichen Erklärung. Dazu biete der angekündigte Masterplan von Seehofer die nötigen Grundlagen.

Verhärtete Fronten

In der Union wurde die Lage als äußerst schwierig eingeschätzt. Offen war nach wie vor, ob und wann die gesamte Unionsfraktion zu einer Sondersitzung wegen des Asylstreits zusammenkommt. Die Spitzen von CDU und CSU hatten sich am Mittwochabend bei einem dreistündigen Gespräch nicht auf einen Kompromiss einigen können. In Teilnehmerkreisen hieß es, die Fronten hätten sich verhärtet.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) reicht das Angebot der CDU jedoch nicht aus. "Bei der Zuwanderung dürfen wir keine halbe Sachen mehr machen", sagte er in Berlin. Die CSU-Forderung geht deutlich weiter: Demnach sollen künftig auch solche Asylbewerber an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden, die schon in einem anderen EU-Land registriert sind oder die keine Papiere haben. Auch Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) unterstützt laut einem Bericht der "Bild" die Forderungen Seehofers.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach von einer "historischen Situation". Seine Partei wolle eine Neuordnung des Asylsystems, "dazu gehört, dass Entscheidungen jetzt auch fallen und nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden". Seine Partei unterstütze auch alle Bemühungen auf europäischer Ebene, um "wirkungsgleiche Maßnahmen zu erreichen". "Es ist aber nicht kurzfristig abzusehen, so dass wir jetzt selber auch handeln müssen."

"Interne Streitigkeiten beenden"

Seehofer ist offenbar im Falle des Falles auch zu einem Alleingang gegen die Kanzlerin bereit. Sollte es keine Einigung geben, wolle er notfalls per Ministerentscheid handeln und dazu am Montag den Auftrag des CSU-Vorstandes einholen. Das machte Seehofer sowohl gegenüber der CSU-Führung als auch vor CSU-Abgeordneten deutlich.

SPD-Parteichefin Andrea Nahles vermutet hinter der Auseinandersetzung wahltaktische Manöver. "Wir fordern die Union auf, ihre internen Streitigkeiten möglichst bald zu beenden", sagte Nahles nach einer Sondersitzung der SPD-Bundestagsfraktion, deren Vorsitzende sie ebenfalls ist. "Theaterstücke im Dienste von Landtagswahlen sind hier nicht angemessen", sagte sie mit Blick auf die bayerische CSU, die im Oktober ihre Mehrheit bei der Landtagswahl verteidigen will.

Die CDU wird sich jedoch nach den Worten von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther den Kurs in der Flüchtlingspolitik nicht von der CSU diktieren lassen. "Es kann nicht sein, dass von der CSU plötzlich ein Problem aufgeworfen wird und dann quasi per Ultimatum gesagt wird, wir bräuchten jetzt eine Kurskorrektur, die dann auch noch falsch wäre", sagte der CDU-Politiker der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

flo/kev/AFP/dpa
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