Fotostrecke

Flugverkehr in Europa: Warten auf die Wolke

Foto: Monica M. Davey/ dpa

Flugchaos über Nordeuropa Aschewolke zwingt Kanzlerin-Jet zu Zwischenstopp

Das Flugchaos über Nordeuropa trifft auch deutsche Spitzenpolitiker: Das Flugzeug von Kanzlerin Merkel musste auf dem Rückflug aus den USA in Lissabon landen, Verteidigungsminister Guttenberg unterbricht seine Rückreise aus Afghanistan in Istanbul. Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht.

Berlin - Der isländische Vulkanausbruch zwingt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einer ungewöhnlichen Reiseroute. Statt am Freitag von ihrem USA-Besuch nach Deutschland zurückzukommen, wurde die Regierungsmaschine mit der Kanzlerin an Bord kurzfristig nach Lissabon umgeleitet.

Die Landung in Portugal wird gegen 16.30 Uhr deutscher Zeit erwartet, wie ein Regierungssprecher mitteilte. Die Kanzlerin und die sie begleitende Delegation werden in der portugiesischen Hauptstadt übernachten. Dort bereitet die deutsche Botschaft nun die Unterbringung vor.

Die Entscheidung zur Landung in Lissabon wurde den Angaben zufolge aufgrund der Witterungsumstände und der für den europäischen Luftraum geltenden Einschränkungen getroffen. Der Weiterflug kann aufgrund der notwendigen Ruhepause für die Crew frühestens Samstag Mittag erfolgen.

Ursprünglich sollte Merkel um 15.30 Uhr in Berlin-Tegel landen. Der Luftraum in ganz Norddeutschland ist aber wegen der Aschewolke gesperrt. Die Maschine der Kanzlerin war in der Nacht zum Freitag in San Francisco gestartet, der letzten Station ihrer viertägigen USA-Reise.

Auch für Merkels geplanten Flug nach Polen könnte es Probleme geben. Dort will sie am Sonntag neben Bundespräsident Horst Köhler an den Trauerfeierlichkeiten für den bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen polnischen Präsidenten Lech Kaczynski teilnehmen. Ursprünglich war geplant, dass die Bundeskanzlerin gesondert nach Krakau fliegt. Entgegen ersten Planungen wird die deutsche Delegation nun doch nicht mit zwei Flugzeugen nach Polen anreisen, sondern mit einer einzigen Maschine.

Guttenberg fliegt nach Istanbul

Die Aschewolke des isländischen Vulkans hat auch Auswirkungen auf die Bundeswehr in Afghanistan. Die dort am Donnerstag verwundeten Bundeswehr-Soldaten werden nun nach Istanbul ausgeflogen. Dort müssen sie bleiben, bis die Aschewolke über Europa ihren Weitertransport nach Deutschland ermöglicht, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Freitag in Berlin.

Die verletzten Soldaten sollten eigentlich im Laufe des Tages in deutsche Bundeswehrkrankenhäuser gebracht werden. Minister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) begleite die Soldaten in dem speziell für Verletzten-Transporte ausgestatteten Medevac-Airbus. In Istanbul würden die fünf Soldaten in einem Krankenhaus versorgt, bis der Weiterflug nach Deutschland möglich sei.

Bei einem Anschlag und weiteren Angriffen der Taliban waren am Donnerstag in der afghanischen Provinz Baghlan vier deutsche Soldaten getötet und fünf verletzt worden. Guttenberg hatte daraufhin die Rückreise aus Afghanistan unterbrochen und war ins deutsche Regionalkommando nach Masar-i-Scharif zurückgeflogen.

Eurocontrol sagt schwierige Lage am Samstag voraus

Die Lage an den Flughäfen in Europa wird sich nach Vorhersagen der Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol auch am Samstag nicht entspannen. Im Gegenteil - die Aschewolke werde sich über Europa ausbreiten und deutlich größere Teile überdecken als am Freitag, teilten die Luftsicherheitsexperten in Brüssel mit. Darauf deuteten alle Wetterdaten hin. Die Wolke werde weiter nach Süden ziehen und schon am Samstagmorgen eine gedachte Linie von Südfrankreich über Norditalien bis zum nördlichen Balkan erreichen. Das sagte der Chef der Luftraumüberwachung bei Eurocontrol, Brian Flynn.

Als erstes europäisches Land hat Finnland wegen der Aschewolke seinen Luftraum bis Sonntagnachmittag gesperrt. Bis mindestens 14 Uhr am Sonntag werde der Flugverkehr eingestellt, teilte der finnische Flughafenbetreiber Finavia am Freitag in Helsinki mit. Die Aschewolke werde laut Vorhersage mehrere Tage über Finnland bleiben. Die Finnen hatten am Donnerstagabend den Flugverkehr eingestellt.

In Österreich wird der Luftraum ab dem frühen Freitagabend schrittweise gesperrt. Nach Angaben der Behörde Austro Control soll der nördliche Luftraum ab 19 Uhr für den Flugverkehr gesperrt werden, ab 20 Uhr sollen die Flughäfen in Wien, Salzburg und Linz folgen, dann die restlichen. Die Flughäfen von Graz und Klagenfurt sollen jedoch so lange wie möglich in Betrieb bleiben, wie Sprecher Peter Schmidt mitteilte.

Wie lange die Schließung dauern wird, war zunächst unklar. Schon vorher hatte die Fluggesellschaft Austrian Airlines 56 Starts und Landungen annulliert, davon betroffen waren zwischen 2000 und 3000 Passagiere. Die österreichische Bahn stellte Sonderzüge nach Frankfurt, Passau und München bereit.

In Deutschland verkehren derzeit nur Flüge an süddeutschen Airports - in München, Stuttgart und Saarbrücken. Sämtliche weiteren Flughäfen mussten den Betrieb mindestens bis zum Abend einstellen.

14 Flughäfen in Deutschland geschlossen

In Deutschland ist bisher unklar, wann die zwölf internationalen Flughäfen wieder in Betrieb gehen können: "Wann An- und Abflüge wieder möglich sind, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen", sagte eine Sprecherin der Deutschen Flugsicherung (DFS) am Freitagmorgen. Auch der Münchner Flughafen meldete, dass am Freitag mehr als 500 Starts und Landungen gestrichen werden müssen. Das sei ein Ausfall von mehr als 40 Prozent der geplanten 1200 Flüge. Passagiere wurden gebeten, sich im Internet zu informieren und bei ihren Fluggesellschaften nachzufragen.

  • Frankfurter Flughafen: Flugzeuge aus dem europäischen Luftraum durften von 8 Uhr bis 20 Uhr nicht mehr landen. Auch Starts gebe es nicht mehr, sagte Thomas Uber, Sprecher des Flughafenbetreibers Fraport. Da der Luftraum aber offen bleibe, würden Interkontinentalflüge umgeleitet, hauptsächlich nach München.
  • Hamburg: Seit Donnerstagabend geht hier nichts mehr. Der Betrieb soll frühestens am Samstag um 8.00 Uhr wieder aufgenommen werden. Bei der Sperrung handelt es sich nicht um eine generelle Blockade des Luftraums, sondern um eine Beschränkung für den Hamburger Airport auf null, die von der Flugsicherung verordnet wurde.
  • Berlin: Ab 20.30 Uhr waren am Donnerstag auf den Flughäfen Schönefeld und Tegel keine Starts und Landungen mehr möglich - die beiden Hauptstadt-Airports wurden bis 22 Uhr gesperrt. Danach gaben die Behörden den Verkehr bis 2 Uhr in der Nacht wieder frei, um verspätete Starts und Landungen zu ermöglichen. Am Freitag wurden die Flughäfen bis mindestens 20 Uhr gesperrt.
  • Düsseldorf: Um 3.30 Uhr ist hier der Beginn der Sperrung angesetzt worden - ein Flughafensprecher sagte, der normalerweise um 6 Uhr beginnende Betrieb werde zunächst nicht aufgenommen. Die Sperrung wird mindestens bis 20 Uhr andauern.
  • Stuttgart: Am Vormittag wurden 140 von 300 geplanten Flügen gestrichen, ab etwa 12.30 Uhr wurde der Flughafen komplett gesperrt. Am Nachmittag verkehrten wieder vereinzelte Flüge.
  • Hannover, Bremen, Münster-Osnabrück, Köln-Bonn, Leipzig-Halle, Erfurt, Dresden, Saarbrücken, Nürnberg: Auf diesen Flughäfen wurde seit Donnerstagabend nach und nach der Flugbetrieb eingestellt, zuletzt in Nürnberg um 12 Uhr am Freitag. "Wann An- und Abflüge wieder möglich sind, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen", sagte eine Sprecherin der Deutschen Flugsicherung (DFS) am Freitagmorgen.
  • Europa: In Großbritannien, Irland, Belgien, den Niederlanden und den meisten skandinavischen Ländern wurde der Betrieb am Donnerstag komplett eingestellt. In Frankreich wurden schrittweise 25 Airports im Norden dichtgemacht - darunter das Drehkreuz Paris. Auch in Polen wurde der Luftraum in weiten Teilen gesperrt, in Österreich werden die Flughäfen ab Nachmittag nach und nach geschlossen. Auch in den anderen Ländern werden Behinderungen bis zum Wochenende erwartet. Erst dann soll sich die Aschewolke allmählich aufgelöst haben und weitergezogen sein.
  • Transatlantikflüge: Wegen der Aschewolken wird am Freitag nach Einschätzung der europäischen Luftfahrtbehörde nur jeder zweite Flug über den Atlantik stattfinden können: "Wir erwarten, dass wegen der Aschewolke 50 Prozent der Transatlantikflüge abgesagt werden", erklärte eine Sprecherin von Eurocontrol in Brüssel. Die Lage im europäischen Luftverkehr selbst werde "nicht besser sein als am Donnerstag".

suc/mmq/sto/apn/AFP/Reuters
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren