
Berlins Regierender Bürgermeister: Das Prinzip Wowi
Berliner Flughafenchaos Wowereits Desaster
Berlin - Es scheint, als wollte Klaus Wowereit ernsthaft Abbitte leisten. So demütig, so zerknirscht hat man den Regierenden Bürgermeister lange nicht erlebt, wie an diesem Nachmittag im Berliner Abgeordnetenhaus. "Es gibt nichts zu beschönigen", sagt der SPD-Politiker zu Beginn seiner Regierungserklärung. Der Dienstag sei kein guter Tag für die Region gewesen. Der Dienstag - damit meint er die Pressekonferenz, auf der die Verschiebung des Starts für den neuen Großflughafen für Berlin und Brandenburg verkündet wurde.
Am 3. Juni sollte der neue Mega-Airport - Kosten rund 2,5 Milliarden Euro - mit dem Namen Willy-Brandt-Flughafen im Südosten von Berlin eröffnen. Alle hatten sich darauf eingestellt. Die Fluggesellschaften, die Logistiker, die Gastronomen. 40.000 Gäste sollten zur Eröffnungsparty kommen. Und nun das: Aus Brandschutz-Gründen, so die offizielle Erklärung, muss der Starttermin verschoben werden. Vielleicht um ein paar Monate, von August reden manche, vielleicht dauert es auch noch länger.
"Ja, es ist ein Desaster", sagt Klaus Wowereit im Abgeordnetenhaus.
Wowereit sitzt gemeinsam mit Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck dem Aufsichtsrat der Gesellschaft vor, die den Flughafen baut. Er hat sich das Vorhaben zu eigen gemacht, hat es zum Vorzeigeprojekt für Ostdeutschland erklärt. Nun hat Wowereit das vorläufige Scheitern zu verantworten.
Nur: Nach der Pressekonferenz am Dienstag hatte man wieder mal das Gefühl, als würde der Regierende Bürgermeister mit dem Prinzip Verantwortung so umgehen, wie er es gern tun: Wenn etwas nicht klappt, sind immer andere schuld. Und so richtig mitzunehmen schien ihn die Sache auch nicht. Zudem wurde bekannt, dass er sich am Vorabend auf einer Feierlichkeit amüsiert hatte - da wusste Wowereit bereits von dem Flughafen-Flop. Und anstatt alles stehen und liegen zu lassen, um die Verfehlungen aufzuklären, reiste er nach der Pressekonferenz wie geplant zu einem Trip nach Paris.
Wowereit sieht kein eigenes Fehlverhalten
Übernimmt er nun also doch Verantwortung? Wer ihm länger zuhört an diesem Donnerstagnachmittag im Abgeordnetenhaus, wird wieder enttäuscht. Maximale Zerknirschtheit - ja. Aber eigenes Fehlverhalten? Keine Silbe dazu. Der oberste Flughafen-Aufseher Wowereit hat sich nichts vorzuwerfen. Obwohl man natürlich fragen müsse, "was denn der Aufsichtsrat gemacht hat", betont er. Da können ja dann nur die anderen Gremiumsmitglieder gemeint sein.
Bei der letzten Aufsichtsratssitzung am 20. April habe man zwar über die Brandschutzprobleme gesprochen, aber nichts habe auf eine Verschiebung des Starttermins hingewiesen, behauptet Wowereit. Mancher Experte bezweifelt das. Sollte nachgewiesen werden, dass die Aufseher damals doch schon vorgewarnt wurden, hätte der Regierende Bürgermeister mehr als ein Glaubwürdigkeitsproblem.
Klaus Wowereit hat bisher das Prinzip Wurstigkeit zum Kennzeichen seiner Politik gemacht. Die Frage ist: Nimmt Wowereit an den Problemen überhaupt noch Anteil, die er als Regierender Bürgermeister zu verantworten hat? Viele erinnern sich dieser Tage, wie Wowereit im Februar 2010 auf das Winter-Chaos in der Hauptstadt reagierte. Die halbe Stadt schlitterte damals übers Glatteis - Wowereits lapidarer Spruch: "Berlin ist nicht Haiti."
Ein Teil der Stadt liebt ihn dafür. Der Bürgermeister sei eben geradeaus, sagen sie, ein echter schnoddriger Berliner. Man kann es auch anders sehen: Wowereit hat eigentlich schon lange kein wirkliches Interesse mehr an den Menschen dieser Stadt, an ihren Nöten und Sorgen.
Als die Stadt vergangenen Herbst zum wiederholten Mal im S-Bahn-Chaos versank - ein Dauerproblem in Berlin, seit Jahren -, meinte Wowereit: "So etwas kann, glaube ich, immer mal vorkommen." Klar, er muss ja nicht mit der S-Bahn fahren.
Im Wahlkampf war er wieder voll da
Bislang hat es ihm interessanterweise nie geschadet, wenn es darauf ankam: Noch ein Jahr vor der Abgeordnetenhaus-Wahl vergangenen Herbst war Wowereit abgeschrieben, Grünen-Kandidatin Renate Künast galt als kommende Regierungschefin. Aber dann haben ihn die Berliner doch wieder ins Rote Rathaus gewählt. Im Wahlkampf hatte er sich richtig reingehängt, hatte um die Menschen geworben.
Die Flughafen-Krise trifft Wowereit nun in einem sehr kritischen Moment: Seit Wochen gibt es in seiner Partei heftigen Unmut, der sich zwar nicht direkt gegen ihn richtet - aber gegen seinen engsten Vertrauten, Landeschef und Stadtentwicklungssenator Michael Müller. Die Partei-Linke will Müller stürzen, ihr Gegenkandidat ist der populäre Kreischef von Friedrichshain-Kreuzberg, Jan Stöß.
Wowereit ist es nicht gelungen, die Konfrontation der beiden Lager zu verhindern. Stöß hat durchaus Chancen, auf dem kommenden Landesparteitag zum SPD-Chef gewählt zu werden. Und was wird dann aus Wowereit?
Noch gilt er als unangefochten. Aber das muss in der Politik nicht viel heißen.