Grünen-Spitzenkandidat Forscher bringt Trittin mit Pädophilie-Programm in Verbindung

Der Politologe Franz Walter erforscht im Auftrag der Grünen deren Verstrickungen mit pädophilen Aktivisten - nun erhebt er in der "taz" Vorwürfe gegen den Spitzenkandidaten Trittin: Dieser habe 1981 entsprechende Forderungen in einem Kommunalprogramm presserechtlich verantwortet. Trittin bedauert den Vorgang.
Grünen-Spitzenkandidat Trittin: "Es sind auch meine Fehler, die ich bedauere"

Grünen-Spitzenkandidat Trittin: "Es sind auch meine Fehler, die ich bedauere"

Foto: Federico Gambarini/ dpa

Berlin - Die Pädophilie-Debatte bei den Grünen erreicht nun auch den Spitzenkandidaten Jürgen Trittin: Er soll 1981 das Kommunalwahlprogramm einer Grünen-Liste in Göttingen presserechtlich verantwortet haben, das sexuelle Handlungen zwischen Kindern und Erwachsenen unter bestimmten Bedingungen straffrei stellen wollte.

Der Vorwurf kommt von keinem Geringeren als Franz Walter, der im Auftrag der Grünen die Verstrickungen der Partei mit pädophilen Aktivisten Anfang der achtziger Jahre erforscht. Walter schreibt in einem Beitrag für die Montagsausgabe der Tageszeitung "taz", dass Trittin 1981 unter dem Kommunalwahlprogramm der Alternativen-Grünen-Initiativen-Liste (AGIL) in Göttingen als eines von fünf Mitgliedern der Schlussredaktion geführt wurde. Nur hinter Trittins Namen stand laut Walter das Kürzel V.i.S.d.P.: "Verantwortlich im Sinne des Presserechts".

In dem Programm sprach sich die AGIL dem Forscher zufolge für eine strafrechtliche Freistellung von Sex zwischen Kindern und Erwachsenen aus, der ohne Anwendung und Androhung von Gewalt zustande kam. Dabei ging es offenbar um die Strafrechtsparagrafen 174 und 176.

Trittin räumt Fehler ein

Grünen-Spitzenkandidat Trittin räumte den Vorgang gegenüber der "taz" ein: "Franz Walter beschreibt die Sachlage zutreffend." Nicht nur die Grünen seien in ihrer Gründungsphase als Partei dem organisierten Druck von Interessengruppen ausgesetzt gewesen, die den Missbrauch von Kindern legalisieren wollten. "Dies war in der Göttinger AGIL eher noch ausgeprägter. Es war gerade ihr Selbstverständnis, die Forderungen einzelner Initiativen - in diesem Fall der Homosexuellen Aktion Göttingen - eins zu eins zu übernehmen," sagte Trittin.

Diesen falschen Forderungen sei die AGIL nicht energisch genug entgegengetreten: "Wir haben es nicht mal hinterfragt, als wir unser Programm zur Kommunalwahl 1981 erstellt haben", räumte der Grünen-Politiker ein. "Dies ist auch meine Verantwortung. Und dies sind auch meine Fehler, die ich bedauere." Es habe zu lange gedauert, bis diese Haltung korrigiert worden sei. "Es kann keine Straffreiheit für Missbrauch geben", so Trittin.

Die Vorwürfe gegen Trittin kommen für die Grünen in einem äußerst ungünstigen Moment - eine knappe Woche vor der Bundestagswahl. Es ist davon auszugehen, dass vor allem Union und FDP den Sachverhalt nutzen werden, um den Grünen-Spitzenkandidaten zu attackieren. Schon in der Vergangenheit hatten Vertreter von Schwarz-Gelb im Bund und den Ländern immer wieder versucht, die Grünen mit dem Pädophilie-Vorwurf anzugreifen.

Vertreter der Grünen-Spitze wollten sich zu dem Vorgang nicht äußern. "Kenne ich nicht, kann ich nichts zu sagen", sagte Parteichef Cem Özdemir dem "Tagesspiegel". Auch Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke will sich erst am Montag nach der Lektüre des Zeitungsartikels äußern, wie sie erklärte.

Der Parteienforscher Walter hat von den Grünen einen Forschungsauftrag im Volumen von 209.000 Euro erhalten, um die pädophile Vergangenheit der Partei aufzugreifen. Walter und sein Team vom Göttinger Institut für Demokratieforschung arbeiten seit Monaten an diesem Thema. Zuletzt stießen der SPIEGEL und andere Medien auch auf die Verstrickung der FDP mit Pädophilen und ähnliche Probleme des Kinderschutzbunds.

flo/AFP
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