Fracking-Streit im Bundestag "Das ist heuchlerisch, was Sie hier tun"

Das Thema Fracking hat im Bundestag eine hitzige Debatte ausgelöst. Ein Grünen-Abgeordneter bezichtigte die Große Koalition, die Sorgen der Menschen zu ignorieren. Die SPD warf der Opposition Populismus vor.
Umweltschützer beim Anti-Fracking-Protest

Umweltschützer beim Anti-Fracking-Protest

Foto: Bernd Von Jutrczenka/ dpa

Anfang April vergangenen Jahres hatte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) den Gesetzentwurf präsentiert, der Fracking unter strengen Auflagen in Deutschland ermöglichen soll. Seitdem ist wenig geschehen - der Entwurf passiert den Bundestag nicht.

Nun hat die Opposition die umstrittene Methode zum Thema im Parlament gemacht. Die Grünen brachten am Donnerstag einen Gesetzentwurf ein, der die Nutzung der Fracking-Technik untersagen würde. Die Linkspartei formulierte ebenfalls eine solche Forderung. Beide Parteien haben aber nicht genug Stimmen im Bundestag, um ein Gesetz zu beschließen. Die Fraktionen beantragten zudem, dass die Abgeordneten namentlich abstimmen mussten. Noch bevor das geschah, erlebte der Bundestag eine hitzige Debatte.

Eigentlich war das nicht vorgesehen. Doch der SPD-Abgeordnete Lars Klingbeil gab eine persönliche Erklärung ab und warf der Opposition vor, in ihren Gesetzentwürfen wichtige Fragen auszuklammern. Es brauche umfassendere Regeln. Besonders verärgerte die Opposition sein Vorwurf, sie wolle das Fracking-Gesetz nur populistisch ausschlachten.

Dagegen verwehrte sich der Grünen-Abgeordnete Oliver Krischer lautstark: "Das ist heuchlerisch, was Sie hier tun", warf er der Großen Koalition vor. Statt eine Diskussion über die umstrittene Förderung zuzulassen, liege das Thema auf Eis. "Sie drücken sich, Sie ignorieren die Sorgen und Nöte der Menschen."

Beim Gesetzentwurf der Grünen stimmte dann zwar ein Großteil der Großen Koalition gegen ein Fracking-Verbot. 40 SPD-Abgeordnete und drei CDU-Politiker enthielten sich jedoch, sechs Regierungspolitiker stimmten sogar dafür.

Wie haben die Bundestagsabgeordneten im Einzelnen abgestimmt? Alle Antworten finden Sie im Bundestagsradar:

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"Wir sind jetzt tatsächlich an einem Punkt, wo die Koalition seit einem Jahr diesen Gesetzesentwurf blockiert", sagte der Linken-Politiker Hubertus Zdebel. Der Opposition nun Populismus vorzuwerfen, bezeichnete er als "Gipfel an Heuchelei". "Mit dem Thema - das sagen sogar einige CDU-Abgeordnete - ist kein Blumentopf zu gewinnen. Lernen Sie endlich daraus und ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück."

Beim Fracking wird Gestein mit hohem Druck aufgebrochen, dazu wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepresst.

Laut Beschluss der Bundesregierung soll die testweise Förderung von unterirdischem Gas mittels Chemikalien in Deutschland künftig erlaubt sein. Vorerst unter strengen Auflagen und nur zu Probezwecken. Konkret sieht der Gesetzentwurf von 2015 vor, dass Bohrungen einerseits direkt unterhalb der Erdoberfläche, bis zu einer Tiefe von 3000 Metern mit klaren Vorschriften geregelt werden. Auch die Suche nach potenziellen Fracking-Gebieten soll für diesen Bereich ausdrücklich erlaubt werden. Konzerne sollen testweise fracken dürfen, sofern eine Kommission zustimmt.

Wie setzt sich die Fracking-Expertenkommission zusammen?

1. Ein Vertreter der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)
2. Ein Vertreter des Umweltbundesamtes (UBA)
3. Ein Vertreter eines Landesamtes für Geologie, das nicht für die Zulassung der Erprobungsmaßnahmen zuständig ist
4. Ein Vertreter des Helmholtz-Zentrums Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrums (Helmholtz -Gesellschaft)
5. Ein Vertreter des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung Leipzig
6. Ein vom Bundesrat benannter Vertreter einer für Wasserwirtschaft zuständigen Landesbehörde, die nicht für die Zulassung der Erprobungsmaßnahmen zuständig ist

Insgesamt sollen sieben Einzelgesetze im Berg- und Wasserrecht umgeschrieben werden. Die Fracking-Regeln kommen 2021 auf den Prüfstand.

Streit innerhalb der Koalition

Dem Beschluss des Kabinetts war ein monatelanger Streit zwischen Hendricks und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vorangegangen, in dem das Kanzleramt vermitteln musste. Hendricks drückte mehrfach Zweifel aus. Ob Fracking jemals umweltverträglich hinzubekommen sei, müsse sich erst zeigen, sagte sie im April. Entstanden sei ein Gesetz, dass das Fracking so weit wie möglich einschränke. Der Bundestag genehmigte die Reform bisher nicht.

Nach Verkündung der geplanten Reform zeigte sich, dass viele Wähler von Union und SPD laut einer Umfrage damit nicht einverstanden waren. Im Mai sprachen sich nicht nur Anhänger der Oppositionsparteien Grüne und Linke gegen die Gasfördermethode aus. Unter den Unterstützern der SPD waren es 68 Prozent, unter denen der Union 58 Prozent. Die Umfrage wurde von abgeordnetenwatch.de  in Auftrag gegeben.

Die Fördermethode wird heftig kritisiert: Aktivisten warnen vor Gift im Trinkwasser und Erdrutschen. Ängsten gegenüber steht das Versprechen der Wirtschaft, die Technologie im Griff zu haben. Neue Wege der Energiegewinnung müssten zumindest ausprobiert werden, fordern Befürworter, auch um weniger abhängig von Energieimporten zu sein.

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Foto: DER SPIEGEL


Haben Sie Fragen an Ihren Abgeordneten? Dann stellen Sie diese - mithilfe des Politikportals abgeordnetenwatch.de , das die Grafiken zusammen mit SPIEGEL ONLINE erstellt hat. Klicken Sie einfach auf den jeweiligen Parlamentarier.


Zusammenfassung: Seit etwa einem Jahr liegt der Gesetzentwurf zum Thema Fracking von Umweltministerin Hendricks, der Fracking unter strengen Auflagen in Deutschland ermöglichen soll, auf Eis. Mit eigenen Vorschlägen brachte die Opposition ein Verbot der umstrittenen Fördermethode in den Bundestag und sorgte so für eine heftige Debatte. Bei der namentlichen Abstimmung votierten sechs Regierungsabgeordnete für den Grünen-Entwurf, 43 enthielten sich.

vek/amz
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