Rechtspopulismus Bundespräsident Steinmeier nennt AfD "antibürgerlich"

Die rechtspopulistische AfD beschreibt sich selbst als "bürgerlich". Das sieht Bundespräsident Steinmeier anders. Im SPIEGEL spricht er von "autoritärem, gar völkischem" Denken - und ermahnt die Große Koalition.
Frank-Walter Steinmeier: "Frust ist kein Freifahrtschein für Menschenfeindlichkeit"

Frank-Walter Steinmeier: "Frust ist kein Freifahrtschein für Menschenfeindlichkeit"

Foto: Stefan Sauer/ DPA

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht der AfD ab, bürgerlich zu sein. "Man reibt sich doch ein wenig die Augen", sagte Steinmeier in einem Gespräch mit dem SPIEGEL mit Blick auf Äußerungen von AfD-Chef Alexander Gauland, die Rechtspopulisten seien die Vertreter des Bürgertums.

Bürgertum, Rechtsstaat und individuelle Freiheitsrechte gehörten zusammen, sagte der Bundespräsident. "Wer sich in dieser Tradition sieht, der kann nicht gleichzeitig einem ausgrenzenden, autoritären oder gar völkischen Denken huldigen. Das ist das Gegenteil von bürgerlich: Es ist antibürgerlich."

Steinmeier sagte: "Jede Partei muss sich entscheiden, wo sie stehen will: entweder völkisch kollektivistisch oder aufgeklärt bürgerlich. Beides gleichzeitig geht nicht." Das Bürgerliche zeige sich "in der Verteidigung der Freiheit, der Anerkennung des Individuums und damit auch im Respekt vor Andersdenkenden", so Steinmeier. "Um diese Haltung geht es." Demokratie lebe von der Kontroverse und brauche auch den Streit: "Aber Frust ist kein Freifahrtschein für Menschenfeindlichkeit."

Steinmeier signalisierte, dass er einen entschiedeneren Kampf der Großen Koalition gegen Rechtsextremismus vermisst. "Ich glaube nicht, dass die Regierungsparteien den Rechtsextremismus unterschätzen", sagte er. "Aber beide Volksparteien befinden sich nicht erst seit Beginn der Großen Koalition in Diskussionen über ihre politische Führung, über Strategie und inhaltliche Orientierung. Das raubt ihnen Kraft, Zeit und Energie für notwendige Debatten in einer Öffentlichkeit, die zu Recht hohe Erwartungen an die Problemlösungskompetenz einer Regierung stellt."

Reaktionen von Meuthen und Gauland

Die AfD reagierte über ihre Vorsitzenden Jörg Meuthen und Alexander Gauland am Freitag mit Presseerklärungen auf Steinmeiers Einlassungen im SPIEGEL. "Der Bundespräsident verlässt mit solchen Äußerungen erstens seine Rolle, die eine parteipolitisch neutrale zu sein hat. Zweitens redet er Unfug, wenn er der strikt rechtsstaatlichen, konservativ-freiheitlichen AfD die Bürgerlichkeit abspricht", sagte Meuthen.

Gauland schrieb, ein Bundespräsident sollte sich nicht in Parteipolitik einseitig einmischen. "Er ist Bundespräsident für alle Parteien und für alle Deutschen. Ich unterhalte mich gerne mit ihm unter vier Augen über das, was bürgerlich ist und sein sollte. Öffentliche Parteinahme gegen eine demokratische Partei gebührt nicht dem Amt des Bundespräsidenten", so Gauland.

vme/sev
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten