Steinmeier-Vorstellung Das große Bundespräsidenten-Theater

Triumph und Niederlage stehen bei der Vorstellung des Bundespräsidentenkandidaten Seite an Seite - aber dazu sagen Merkel, Gabriel und Seehofer lieber nichts. Frank-Walter Steinmeier übt derweil seine neue Rolle.
Seehofer, Steinmeier, Merkel, Gabriel

Seehofer, Steinmeier, Merkel, Gabriel

Foto: Sean Gallup/ Getty Images

Angela Merkel ist angeschlagen. Gesundheitlich. Die halbe Hauptstadt schnieft und hustet dieser Tage ja, also darf sich keiner wundern, wenn die Kanzlerin am Mittwoch nicht so aussieht, als könnte sie Bäume ausreißen. Auch Merkel schnieft und hustet.

Aber es ist eben auch eine brutale Niederlage, die die CDU-Chefin mit ihrem gemeinsamen Auftritt mit dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer und dem SPD-Kollegen Sigmar Gabriel öffentlich einzugestehen hat: Die Sozialdemokraten haben ihren Kandidaten Frank-Walter Steinmeier durchgesetzt. Gegen die Unionsparteien. So eine Niederlage tut weh. Und auch das sieht man Merkel an.

Man hat im dritten Stock des Reichstagsgebäudes, auf der sonst die Fraktionen zu ihren Sitzungen zusammenkommen, noch rasch eine Deutschland- und eine EU-Fahne rechts und links von den vier grauen Pulten aufgestellt. Ein bisschen feierlich soll es schon aussehen, schließlich wird hier das voraussichtlich kommende Staatsoberhaupt der Deutschen vorgestellt. Mit diesem gemeinsamen Auftritt der schwarz-roten Parteispitzen wird es offiziell: Die Große Koalition schlägt Steinmeier als Nachfolger für den scheidenden Bundespräsidenten Joachim Gauck vor. Seine Wahl mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung am 12. Februar gilt als gesichert.

Kandidatur in Zeiten schriller Diskurse

Noch ist Steinmeier Außenminister. Am Vortag ist er in Ankara gewesen, hat sich dort harsche Worte seines türkischen Amtskollegen anhören müssen. Jetzt wirkt es, als sei er bereits dabei, sein aktuelles Amt hinter sich zu lassen. "Heute stehe ich nicht als Außenminister vor ihnen, sondern als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten", sagt Steinmeier. Es fällt ein bisschen schwer in diesem Moment, hinter dem SPD-Politiker den künftig höchsten Mann des Staats herauszuhören.

Natürlich ist es zu früh, um zu erkennen, welche zentrale Botschaft Steinmeier aus dem Amt in die Gesellschaft tragen wird - so wie es bei Gauck, dem Pfarrer aus der untergegangenen DDR, der Ruf nach "Freiheit" war. Aber Steinmeier versucht sich an einer Skizze seines künftigen Amts.

Er weiß, dass er in Zeiten kandidiert, in der öffentliche Diskurse schriller und unbarmherziger werden. Und so wirbt er "für eine politische Kultur, in der wir miteinander streiten können, aber respektvoll miteinander umgehen, in der wir uns nicht in Feindbildern oder Echokammern verschanzen, sondern den anderen um uns herum offen in die Augen schauen". Das Vertrauen in die Demokratie sei ein "wichtiges Gut, eine zentrale Ressource", um die "wir immer wieder gemeinsam miteinander ringen müssen".

Im Video: Auszug aus Steinmeiers Rede

SPIEGEL ONLINE

Steinmeier schließt mit einer Selbstverpflichtung. Ein Bundespräsident könne die Welt nicht einfacher machen, als sie sei, sagt er, "ein Bundespräsident darf kein Vereinfacher sein, er muss ein Mutmacher sein". Dafür wolle er die Kräfte, die in der Gesellschaft steckten, fördern und wertschätzen.

Fotostrecke

Frank-Walter Steinmeier: Auf dem Weg nach Bellevue

Foto: © Reuters Photographer / Reuter/ REUTERS

Als Steinmeier erstmals seine neue Rolle übt, haben ihn die drei Parteichefs rechts und links von ihm schon kräftig angepriesen. Interessanter noch als ihre Lobesreden ist das, was sich hinter ihren freundlichen Worten verbirgt.

Angela Merkel: "Ich freue mich darüber, weil ich überzeugt bin: Frank-Walter Steinmeier ist der richtige Kandidat in dieser Zeit."

Die Wahrheit ist: Die Kanzlerin hat bis zuletzt versucht, Steinmeier als Gauck-Nachfolger zu verhindern. Aber weil sie keinen Unionskandidaten fand, der entweder gegen den Außenminister angetreten wäre oder einen überzeugenden überparteilichen Bewerber, in dessen Angesicht die SPD Steinmeier zurückgezogen hätte, gab sie schließlich ihren Widerstand auf.

Dass der kleinere Koalitionspartner mit deutlich geringerer Stimmkraft in der Bundesversammlung einen Mann aus den eigenen Reihen durchsetzte, sorgt für Kopfschütteln in Reihen der Union. Merkels Autorität in der Union erodiert weiter.

Sigmar Gabriel: "Es gibt in der Bundesrepublik eine gute Tradition, dass die Parteizugehörigkeit zurücktritt, sobald es um das höchste Amt unseres Landes geht."

Man muss nur in die Augen von SPD-Generalsekretärin Katarina Barley sehen, die am Rande steht und das Strahlen während des Chef-Auftritts gar nicht mehr aus dem Gesicht bekommt, um den Triumph der Sozialdemokraten zu erahnen. Einer von ihnen wird Bundespräsident! Die Union ausgespielt! Gabriels Coup verschafft der SPD einen Selbstbewusstseinsschub, wie sie ihn lange nicht erlebt hat. Und dem Parteichef hilft es, sein ramponiertes Image zu verbessern.

Horst Seehofer: "Für uns kommt es entscheidend darauf an, dass wir nach Joachim Gauck wieder einen guten Bundespräsidenten für unser Land bekommen."

Der CSU-Chef ist froh, dass er mit Steinmeier den potenziellen Grünen-Kandidaten und Merkel-Verehrer Winfried Kretschmann verhindert hat. Ein schwarz-grünes Signal vor der Bundestagswahl kam für Seehofer nicht infrage.

Er hat ein strategisches Ziel: Die CSU muss weiter allein in Bayern regieren, dafür ordnet Seehofer alles andere unter. Bayerns Ministerpräsident will den Bundestagswahlkampf 2017 und seinen eigenen Landtagswahlkampf im Jahr darauf gegen das Schreckgespenst Rot-Rot-Grün führen. Deshalb war ein grüner Kandidat für Schloss Bellevue aus Seehofers Sicht inakzeptabel.

Das alles aber wird am Mittwoch nicht ausgesprochen. Und damit auch ja keiner nachbohren kann, geht das Quartett direkt wieder ab: Fragen der Journalisten sind nicht erlaubt.

Foto: DER SPIEGEL
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren