

Frauen in Führungspositionen Es braucht mehr als eine Frau im Vorstand


Fröhliche Geschäftsleute im lockeren Gespräch (Symbolbild)
Foto:Luis Alvarez / Digital Vision / Getty Images
Es gab viel Lob, als die Koalitionsarbeitsgruppe kürzlich überraschend eine Einigung über das Führungspositionengesetz verkündete. Doch der Gesetzentwurf, der am 6. Januar 2021 im Kabinett beschlossen werden soll, wird dem Lob nicht gerecht, denn er greift viel zu kurz. Erstens sieht er keine feste Quote in Unternehmensvorständen vor. Stattdessen soll eine sogenannte Mindestbeteiligung eingeführt werden, die aber zweitens nur für eine verschwindend kleine Gruppe von Unternehmen gilt. Von über 15.000 Großunternehmen in Deutschland gilt eine Mindestbeteiligung nur für etwa 70 Unternehmen. Lediglich bei paritätisch mitbestimmten und börsennotierten Unternehmen mit einem Vorstand von mehr als drei Personen müsste bei Neubesetzungen mindestens eine Frau in den Vorstand nachrücken. In etwas mehr als der Hälfte dieser Unternehmensvorstände gibt es aber bereits mindestens eine Frau. Das bedeutet, dass mit diesem neuen Gesetz nur 29 Frauen in Vorstände berufen würden. Das ist Fortschritt mit angezogener Handbremse.
Der aktuelle Blick auf Deutschlands Chefetagen erinnert an ein überkommenes Frauenbild. Während in anderen europäischen Ländern der Frauenanteil in Führungsetagen steigt, ist er in den Dax-Vorständen in der Coronakrise sogar noch gesunken: 101 der 160 wichtigsten börsennotierten Unternehmen haben laut Allbright-Stiftung keine Frau im Vorstand. Das sind 63 Prozent der deutschen Börsenunternehmen. Dazu gehören Unternehmen wie Hugo Boss, Fielmann, Adidas und Sixt, obwohl sie in ihrer Belegschaft viele weibliche Beschäftigte haben. In den Chefetagen sind wir von einem Umdenken noch weit entfernt. 55 der börsennotierten Unternehmen planen auch in Zukunft mit einer »Zielgröße null«. Eine Frau im Vorstand? Nein, danke.
Auch bei den Aufsichtsräten ist kein echter Fortschritt in Sicht. Obwohl die Evaluation der seit 2015 geltenden Quote von 30 Prozent für Aufsichtsräte börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen ihre positive Wirkung klar belegt, wurde die ursprünglich im Gesetzentwurf enthaltene Ausweitung der Quote auf die etwa 600 paritätisch mitbestimmten Unternehmen wieder kassiert. Sie soll jetzt nur auf die etwa hundert Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes ausgeweitet werden.
Eigentlich wollte der Bund selbst mit gutem Vorbild vorangehen, aber auch da hat er einen Rückzieher gemacht. Statt in bundeseigenen Unternehmen die Vorstandspositionen paritätisch zu besetzen, wie der Gesetzentwurf ursprünglich vorsah, soll auch hier nur die Mindestbeteiligung von einer Frau pro Vorstand gelten. So viel ist sicher: Das Führungspositionengesetz leistet eines gewiss nicht: eine faire Verteilung der Macht.
Dabei hat die Große Koalition gar keinen Grund zur Verzagtheit. Denn die Unternehmen würden am meisten davon profitieren, wenn mehr Frauen mitbestimmen. Frauen in Führungspositionen sind aufgeschlossen gegenüber Modellen wie flexible Arbeitszeit, die eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Lebenszeit begünstigen. Das erhöht die Zufriedenheit des gesamten Teams und trägt zu einer Verbesserung der Unternehmenskultur bei, wie Beispiele aus Schweden und Norwegen zeigen, wo Frauen an der Spitze selbstverständlich sind.
In Deutschland dagegen schöpfen die meisten Unternehmen nur aus dem männlichen Pool der Talente, dabei sind Frauen bestens qualifiziert und motiviert. Den Unternehmen fehlt ein Schub für mehr Vielfalt. Denn es reicht nicht, wenn Frauen in den Vorständen Einzelkämpferinnen sind. Die Forschung zeigt, dass es für einen Wandel der Unternehmenskultur etwa ein Drittel Frauen braucht. Wir brauchen eine feste Quote von mindestens 30 Prozent für Unternehmensvorstände. Das hätte die Unternehmen weitergebracht, nicht der mutlose Vorschlag der Großen Koalition.