Frauenrechte im Bundestag Opposition fordert besseren Schutz vor Zwangsehen

Zwangsehen sind ein Übel, das alle Parteien im Bundestag  verurteilen. Doch sie streiten über den Weg, dieses "Integrationshindernis" zu bekämpfen. Die Anträge von FDP, Grüne und Linken wurden von der Großen Koalition heute abgelehnt: Man habe das Problem im Griff. Wirklich?

Berlin - Vor einer Woche war der dritte Jahrestag des Mordes der Türkin Hatan Sürücü, die 2005 in Berlin Opfer eines Ehrenmordes wurde. Weil sie sich aus einer Ehe befreit hatte, nahmen ihre Angehörigen Rache. Ein tragisches Beispiel für den Ausgang einer Zwangsehe.

Zahlen zu solchen Verbindungen, die unter Druck der Familien geschlossen werden, wurden bislang nicht bundesweit, sondern nur in regionalen Erhebungen ermittelt. Im Jahr 2004 hatte eine Befragung des Berliner Senats bei Jugendämtern, Schulen und Projekten rund 300 Fälle von Zwangsverheiratung gezählt. Im Jahr 2006 ermittelte die Polizei bundesweit in weniger als 20 Fällen - Experten schätzen die Zahl der jährlich unter Zwang vollzogenen Ehen jedoch auf mehrere Tausend.

Um Zwangsehen zu erschweren, hatte die Bundesregierung im vergangenen Jahr das Aufenthaltsgesetz ergänzt: Nachziehende Ehepartner müssen seither ein Minimum an Deutschkenntnissen nachweisen - schon vor der Einreise. Als Begründung galt CDU/CSU und SPD damals, Frauen hätten ohne Sprachbarriere weniger Schwierigkeiten, in deutschen Beratungsstellen und Frauenhäusern Hilfe zu erhalten.

Außerdem erhöhte die Bundesregierung das Mindestalter für nachziehende Ehepartner auf 21 Jahre - um jüngere Frauen vor einer Zwangsheirat nach Deutschland zu schützen.

FDP, Grüne, Linke: Kritik am Nachzugalter 

Für FDP, Grüne und Linke bietet das aktuelle Aufenthaltsgesetz jedoch immer noch keinen ausreichenden Schutz vor der Zwangsheirat. Übereinstimmend wertete die Opposition die Erhöhung des Nachzugsalters von Ehegatten auf 21 Jahre als ungeeignet, um solche Ehen zu verhindern. Der Nachzug einer minderjährigen Zwangsverheirateten würde lediglich verzögert werden. Sevim Dagdelen (Die Linke) warf der Bundesregierung vor, sie habe durch die Erhöhung des Nachzugsalters nur Einwanderung verhindert - jedoch keine einzige Zwangsehe. Ein Vorwurf, den auch die Grünen-Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk an CDU/CSU und SPD richtete.

Alle Oppositionsparteien übten zudem Kritik an der Pflicht, die Sprache bereits vor der Einreise zu lernen. So bezweifelte Schewe-Gerigk (Grüne), dass solche rudimentären Deutschkenntnisse die Migrantinnen ausreichend rüsten würden, um Hilfe von Frauenhäusern und Beratungsstellen zu erbitten. 

Als Alternative zur Regelung von CDU/CSU und SPD schlagen FDP, Linke und Grüne ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für zwangsverheiratete Frauen vor. Bislang hängt ihr Aufenthalt noch an der Fortsetzung der Ehe - selbst wenn sie unter Zwang geschlossen wurde.

Ins Ausland verschleppt - Bleiberecht verloren

Auch soll das Rückkehrrecht nach Deutschland für zwangsverheiratete Frauen erleichtert werden. Heute verlieren Migrantinnen, die ins Ausland verschleppt werden, um dort eine Ehe zu führen, nach spätestens sechs Monaten ihr Bleiberecht. Eine unrealistische Frist, findet die Opposition. Die Frauen sollen auch später zurückkehren dürfen.

Den umfassendsten Antrag stellte die FDP-Fraktion. In 17 Punkten forderte sie von der Großen Koalition ein "schlüssiges Integrationskonzept". Zwangsheiraten sollten künftig als "besonders schwerer Fall der Nötigung" gelten - mit verschärften strafrechtlichen Auswirkungen. Die FDP-Abgeordnete Sibylle Laurischk forderte in ihrer Rede - vor dem zur Mittagszeit fast leeren Plenarsaal - außerdem eine gesicherte Finanzierung von Frauenhäusern. Sie bieten den Frauen Schutz, sind jedoch regelmäßig in ihrer Existenz bedroht.

Der Fraktion der Linken gelten Zwangsehen als Form "patriarchaler Gewalt" - die schärfste Formulierung. Auch wollen die Linken nicht nur Frauen, sondern auch Jugendliche "vorsorglich" vor Zwangsehen schützen.

Die Grünen gehen in ihrem Antrag noch weiter: Sie wollen auch Migrantinnen, die keine unbefristete Aufenthaltserlaubnis haben, nach ihrer Verschleppung die legale Wiedereinreise erlauben - vorausgesetzt, die Frauen sind zu einer Ehe im Ausland gezwungen oder ihre Rückkehr nach Deutschland ist verhindert worden.

Das Menschenrecht wird verletzt

Stellvertretend für die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD verteidigte Michaela Noll (CDU) die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung gegen Zwangsehen. Sie sieht die Ehen als "integrationshemmende Menschenrechtsverletzungen", gegen die die Bundesregierung allein im vergangenen Jahr erfolgreiche Maßnahmen eingeleitet habe. Neue Online-Beratungsstellen in Berlin, Frankfurt und Stuttgart und Nothilfe-Broschüren böten Frauen Unterstützung.

Noll verwies auch auf den Zweiten Aktionsplan des Bundesfamilienministeriums gegen Gewalt an Frauen, der Maßnahmen gegen Zwangsehen enthalte. Auch ein vom Bundesfamilienministerium produzierter Sammelband mit Artikeln von Experten habe das Thema stärker ins Bewusstsein gerückt.

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