Freiburger Wahlverlierer Salomon "Ich gehe jetzt in Ruhestand"

Der Grüne Dieter Salomon verliert bei der Oberbürgermeisterwahl gegen einen parteilosen Außenseiter - für Freiburger Verhältnisse ist das ein politisches Erdbeben. Die Realos haben nun einen Mitstreiter weniger.
Dieter Salomon

Dieter Salomon

Foto: Patrick Seeger/ dpa

Dieter Salomon hakt sich bei seiner Frau ein, dann gehen sie die Straße hinunter: Es ist eine Fußgängerzone, eines der typischen Freiburger Bächlein fließt am Rand, links liegt ein Schmuckgeschäft, rechts ein kleines Theater. Und fürs perfekte Freiburg-Klischee scheint noch untergehende Abendsonne warm auf die Flaneure.

Für den grünen Oberbürgermeister ist der Gang durch die Rathausgasse trotz der Sonne wohl der schwerste seiner politischen Laufbahn. Denn gerade erst ist Salomon von der Bühne der zentralen Wahlparty auf dem Freiburger Rathausplatz hinuntergestiegen. Dort musste er seine Niederlage bei der Oberbürgermeisterwahl eingestehen, im zweiten Wahlgang.

Dem Grünen-Politiker rutscht ein paar Mal fast die Stimme weg, doch er bewahrt die Fassung. "Wenn ein Außenseiter vorne liegt, wollen viele beim Sieger sein", analysiert Salomon. Womöglich habe man nach so langer Zeit sein Gesicht nicht mehr sehen wollen. Neben Applaus gibt es auch Buhrufe, der Großteil der Menge wartet schon auf den Wahlsieger.

"Ich gehe jetzt in Ruhestand", sagt Salomon noch in die Mikrofone. Ein paar Umarmungen mit den Mitstreitern, ein paar tröstende Schulterklopfer, dann ist er weg.

Der Einsatz der grünen Parteiprominenz half nicht mehr

Die Freiburger haben ihren Oberbürgermeister abgewählt, nach 16 Jahren im Amt verlor Salomon gegen einen parteilosen Politikeinsteiger. Und das als Grüner in der grünen Hochburg Deutschlands. Dort war Salomon 2002 ins Amt gekommen, als erster Oberbürgermeister der Grünen in einer Großstadt, inzwischen ist er Präsident des Städtetages in Baden-Württemberg.

Salomon, einst Fraktionschef der Grünen im Stuttgarter Landtag, ist neben Winfried Kretschmann, Boris Palmer und Cem Özdemir ein Frontmann der Realos im Südwesten. Ein Politiker, den man auch in eine Talkshow setzen konnte, um die richtigen Worte zu finden, zum Beispiel nach dem Mord durch den Asylbewerber Hussein K. an einer Studentin in Freiburg.

Salomons Niederlage kommt also, zumindest für Freiburger Verhältnisse, einem politischen Erdbeben gleich. Denn die Niederlage fiel überaus deutlich aus, Wahlsieger Horn kommt auf 44,2 Prozent der Stimmen, Salomon hingegen nur auf 30,7 Prozent.

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Zum Verhängnis wurde Salomon unter anderem, dass er lieber managte als erklärte und gelegentlich durchblicken ließ, wie sehr ihn das Klein-Klein und manche Befindlichkeitsdebatten nervten. Die drohende Niederlage sah er nicht kommen.

Als der erste Wahlgang vor zwei Wochen verloren ging, war es fast schon zu spät. Die grüne Prominenz eilte Salomon zu Hilfe, Kretschmann, Özdemir und Claudia Roth traten in Freiburg auf, die CDU blieb bei ihrer Wahlempfehlung für Salomon. Doch es half nichts, der grün-schwarze Kandidat fand keine Mehrheit mehr.

Die Wahlergebnisse aus den Freiburger Bezirken zeigen: Salomon konnte weder in den grün-alternativen Viertel rund um die Innenstadt noch in den ländlich geprägten Außenbezirken punkten. Am Ende wussten wohl weder Grüne noch Schwarze, wofür Salomon eigentlich steht. Nur etwas mehr als die Hälfte aller Wahlberechtigten gab überhaupt ihre Stimme ab.

Martin Horn

Martin Horn

Foto: Patrick Seeger/ dpa

"Platt und dankbar"

Folgerichtig wird Salomon nun von einem Bewerber beerbt, der sich besonders als Zuhörer profiliert hat: Martin Horn, 33, ist Sozialwissenschaftler ohne politische Erfahrung. Vor seiner Kandidatur arbeitete er als Europa- und Entwicklungskoordinator im Hauptamt der Stadt Sindelfingen und als freiberuflicher Dozent an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg.

Im Kampf um die Stimmen setzte Horn vor allem auf Authentizität und Frische ("Ein Korn mit Horn"), flankiert durch einen professionellen Wahlkampf im Internet. Ein Freund Horns, der im Bundestag arbeitet, orchestrierte die Kampagne.

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"Platt und dankbar", sei er, erklärt der junge Familienvater denn auch nach seinem Sieg auf der Wahlbühne. Und nimmt für sich in Anspruch: "Ich bin empathisch näher dran an den Problemen." Mehrmals habe seine Familie umziehen müssen, weil sie keine passende Wohnung gefunden habe - die hohen Mietpreise waren ein zentrales Thema der Freiburger Debatten.

Horn bei Wahlparty angegriffen

Später am Abend schlug ein Mann bei einer Wahlparty dem Sieger unvermittelt mit der Faust ins Gesicht, Horn wurde leicht verletzt. Doch der Angriff hat wohl keinen politischen Hintergrund, der 54 Jahre alte Angreifer war laut Polizei  schon in der Vergangenheit psychisch auffällig. Über das Motiv gebe es "zur Stunde keine neuen Erkenntnisse", sagte ein Sprecher am Montagmorgen. Der Angreifer wurde vorläufig festgenommen.

Horn betont stets, er habe in seinem Leben noch nie ein Parteibuch besessen. Doch die SPD darf mit ihm erstmals seit längerer Zeit wieder einen Sieg feiern: Denn die SPD unterstützte die Kandidatur, die SPD-Generalsekretärin Luisa Boos empfahl Horn den Genossen.

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"Der Aufstieg der Grünen begann mit einem Sieg in Freiburg vor 16 Jahren, nun beginnt womöglich der Abstieg der Grünen mit einer Niederlage in Freiburg", hofft nun die SPD-Parteichefin im Südwesten, Leni Breymaier. Die in Stuttgart mit der CDU regierenden Grünen führen hingegen vor allem lokale Faktoren für die Niederlage an.

"Das hat schon Symbolcharakter, wenn die grüne Hauptstadt verloren geht", sagt Michael Wehner von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. Allerdings liege der Kern der Niederlage weniger in Parteipolitik als im Kommunikationsstil des Amtsinhabers. Nun müsse auch der designierte Nachfolger liefern, so Wehner: "Horn hat bislang vor allem einen Nettigkeitswahlkampf geführt."

Der Wahlsieger dämpfte schon mal die Hoffnungen: Wie schnell Wohnungen geschaffen werden sollten, dafür habe er auch kein Generalrezept.

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