"Friedenswinter"-Demos Protestbündnis ruft zum Marsch gegen Gauck auf

Unter dem Motto "Friedenswinter" wollen am Wochenende Tausende auf die Straße gehen, das Bündnis versammelt Putin-Fans, Pazifisten und Verschwörungstheoretiker. Im Zentrum ihrer Kritik steht Bundespräsident Gauck.
Bundespräsident Joachim Gauck: Demo vor seinem Amtssitz geplant

Bundespräsident Joachim Gauck: Demo vor seinem Amtssitz geplant

Foto: Burhan Ozbilici/ AP

Berlin - Die Liste der Unterstützer für das Bündnis "Friedenswinter" ist lang. Bundesweit ruft die Veranstaltungsreihe am Wochenende zu Demos und Aktionen gegen Krieg und Aufrüstung auf. Im Internet haben mehrere tausend Menschen den Appell unterschrieben, darunter die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht.

Am Samstag soll die erste "Friedenswinter"-Demonstration durch mehrere Städte ziehen. Die zentrale Kundgebung findet in Berlin statt, dort ziehen die Teilnehmer vor das Schloss Bellevue, Amtssitz von Joachim Gauck. "Stahlhelm ab, Herr Gauck!", steht auf dem Flugblatt zur Demo, auf der dazugehörigen Facebook-Seite wird der Bundespräsident als "Kriegstreiber" beschimpft. Gauck habe "wiederholt in unverantwortlicher Weise eine militaristische Außenpolitik Deutschlands gefördert", heißt es im Protestaufruf. Gauck hatte in den vergangenen Monaten daran appelliert, Deutschland müsse international mehr Verantwortung übernehmen.

Ein Blick auf die offizielle Unterstützerliste im Internet zeigt: Wagenknecht befindet sich bei ihrem Engagement für "Friedenswinter" in fragwürdiger Gesellschaft. Denn der Initiative haben sich führende Anhänger und Organisatoren der sogenannten Montagsmahnwachen angeschlossen.

Diese Mahnwachen, nicht zu verwechseln mit den islamkritischen Montagsdemos der Pegida, wurden zu Beginn der Ukraine-Krise in vielen Städten ins Leben gerufen. Sie sympathisieren lautstark mit Russland und Wladimir Putin. Einen Verweis auf den Völkerrechtsbruch durch die Krim-Annexion sucht man hier vergeblich. Zuletzt waren sie wegen antisemitischer und verschwörungstheoretischer Reden von Teilnehmern in Verruf geraten. Immer weniger Menschen kommen zu den Mahnwachen, etablierte Friedensaktivisten haben sich von der Strömung abgewandt. Kamen im Sommer noch mehrere hundert Teilnehmer zu den Mahnwachen, hat der Zustrom in letzter Zeit stark nachgelassen.

Auf dem Trittbrett einer neuen Bewegung

Beim "Friedenswinter" fühlen sich viele Montagsdemonstranten offenbar gut aufgehoben.

Auf Facebook haben sich allein für Berlin rund tausend "Friedenswinter"-Demonstranten angemeldet. Unter den angekündigten Teilnehmern ist Ken Jebsen, der kurze Zeit nachdem er wegen des Vorwurfs einer antisemitischen Äußerung in die Kritik geraten war, seinen Job als Radiomoderator verlor - Begründung: wiederholte Verstöße gegen journalistische Standards.

Unterzeichnet hat auch Lars Mährholz, einer der führenden Köpfe hinter den Montagsdemos. Der Aktivist Marsili Cronberg, der regelmäßig auf den Montagswachen auftritt, ist ebenfalls dabei. Auf seinem Blog fragt er: "Warum wird Putin der Abschuss von MH17 ohne einen einzigen Beweis angelastet?"

Seine Freundin Lea Frings - jung, blond, Dreadlocks - arbeitet als Außenreporterin für RT Deutschland, dem deutschen Internetableger des russischen Propagandasenders Russia Today. Die Titel der Sendungen lauten "Die Eroberung Europas durch die USA", "Die Deutsche Presse schaut in den Spiegel und mag das Bild nicht" oder "MH17: Warum schweigt die Bundesregierung".

Kritik an Wagenknecht

Verläuft der "Friedenswinter" erfolgreich, könnte die Initiative ein neues Sammelbecken für Strömungen aus allen Lagern werden. "Es ist vor allem die Verschwörungsideologie, die diese Gruppen eint", sagt der Antisemitismusforscher Carsten Koschmieder von der Freien Universität Berlin. Über dem Netz der Aktivisten, ob bei Montagsdemos oder "Friedenswinter", wabere eine diffuse Ablehnung des Westens, der USA, Israels und der Nato. "Da wird schon mal der US-Notenbank die Schuld an allen Kriegen des letzten Jahrhunderts gegeben", sagt Koschmieder.

Vor allem die grundsätzliche Kritik am Vorgehen des Westens scheint die Teilnehmer anzusprechen. "Der Krieg gegen den Terror und die erklärten geostrategischen und ökonomischen Interessen des Westens tragen maßgeblich bei zu einer Welt, die zunehmend aus den Fugen gerät", heißt es im Aufruf zur "Friedenswinter"-Demo. Eine Aussage, die auch viele Montagsdemo-Anhänger begeistern dürfte.

Eine scharfe Abgrenzung zwischen den Gruppierungen ist unmöglich, schließlich darf am Samstag jeder mitmarschieren, der möchte. Bislang machen die "Friedenswinter"-Organisatoren auch keine Anstalten, sich von den Montagsdemos zu distanzieren.

"Friedenswinter"-Unterstützerin Wagenknecht musste für ihr Engagement zuletzt Kritik aus den eigenen Reihen einstecken. Der Berliner Linken-Landeschef Klaus Lederer griff seine Parteifreundin indirekt öffentlich dafür an , den "Friedenswinter"-Aufruf unterschrieben zu haben.

Wagenknecht sagte am Mittwoch ihre Teilnahme an der Demo ab, offiziell aus Termingründen. Die Bewegung unterstützen möchte sie aber weiterhin ausdrücklich. "Frau Wagenknecht steht zu dem, was sie unterschrieben hat", teilte ihr Büro mit.

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