
Attacke à la Trump Merz schlägt Merz


CDU-Vorsitz-Kandidat Friedrich Merz
Foto: Sebastian Gollnow / picture alliance/dpaFriedrich Merz hat herausragende Qualitäten. Er ist scharfsinnig, gebildet, eloquent. Kaum ein CDU-Politiker kann einen Saal so in Verzückung versetzen wie der Mann aus dem Sauerland. Und zwar nicht etwa, weil er wie im Bierzelt spricht, sondern weil Merz seine Zuhörer intellektuell und rhetorisch zu fesseln vermag.
Merz hat allerdings auch zwei große Schwächen: Da ist zunächst sein Furor, der ihn poltern lässt, auch wenn einmal Zurückhaltung klüger wäre. Und da ist seine bemerkenswerte Unfähigkeit, den Unterschied zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung zu erkennen.
Zu Wochenbeginn hat Merz diese Schwächen neu unter Beweis gestellt, auf eindrucksvolle Weise. Sie könnten all seine politischen Ambitionen zunichtemachen - diesmal endgültig.
Seine Enttäuschung darüber, dass der für den 4. Dezember geplante Parteitag am Montag abgesagt wurde, ist nachvollziehbar. Der Kandidat für den CDU-Vorsitz hatte sich gute Chancen ausgemalt, in Stuttgart zum Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer gewählt zu werden.
Dass er sich dieser Chancen durch Teile der eigenen Partei beraubt sieht, ist eine aus seiner Perspektive legitime und möglicherweise zutreffende Einschätzung. Diese nun allerdings in Interviews öffentlich zu machen und damit massiv die CDU-Führung anzugreifen, war ein schwerer Fehler.
"Es läuft seit Sonntag der letzte Teil der Aktion 'Merz verhindern' in der CDU", sagte Merz der "Welt". Dies passiere "mit der vollen Breitseite des Establishments hier in Berlin". Es gebe "einen gewaltigen Druck, und große Teile der Parteiführung entziehen sich dem leider nicht", glaubt er. In mehreren TV-Interviews wiederholte Merz seine Vorwürfe.
Ein bisschen klingt das wie Trump
Da klingt er ein bisschen wie Donald Trump, als dieser sich 2016 die Nominierung als US-Präsidentschaftskandidat der Republikaner erkämpfte, indem er sich gegen das sogenannte Establishment der Partei stellte.
Nur: Weder ist Merz - jahrelang Europa- und Bundestagsabgeordneter, zeitweise dort sogar Chef der Unionsfraktion und 2018 nur denkbar knapp Kramp-Karrenbauer im Rennen um den Parteivorsitz unterlegen - ein politischer Seiteneinsteiger wie Trump, noch gleichen die Verhältnisse in Deutschland und der CDU denen in den USA und der republikanischen Partei. Aktuell ist Merz übrigens Vizepräsident des Wirtschaftsrats der CDU. Mehr Establishment geht kaum.

Kandidaten Röttgen, Merz, Laschet
Foto: Adam Berry / Getty ImagesDie Christdemokraten hat es zwar unter der langen Parteiführung von Angela Merkel und ihrer andauernden Kanzlerschaft inhaltlich einigermaßen durchgeschüttelt, und sie rutschten mit dem Aufkommen der AfD zeitweise auch in Umfragen und Wahlergebnissen ab. Aber sie sind eine funktionierende Partei der Mitte und des Pragmatismus geblieben.
Dass ein gelernter und etablierter CDU-Politiker sich nun so harsch gegen Teile der eigenen Partei wendet, wird deshalb selbst Merz-Anhängern bitter aufstoßen. So etwas tut man einfach nicht in einer Partei, deren Ehrenvorsitzender Helmut Kohl einst seine Geldgeber in der Spendenaffäre nicht verraten wollte, weil er ihnen angeblich sein Ehrenwort gegeben hatte. Wer sich so im Ton vergreift, dem vertraut man erst recht nicht die Führung dieser Partei an.
Kaum ein Unterstützer von Merz hat seine Tiraden vom Montag öffentlich unterstützt. Dass die Basis wegen der Parteitagsabsage hellauf empört sei, ist bislang nur als Behauptung des Vorsitzendenkandidaten bekannt.
Merz beschädigt auch den Rivalen Laschet
Indem Merz allerdings seinen Kontrahenten Armin Laschet als einen Drahtzieher der angeblichen Intrige benennt, beschädigt er den Parteivize und nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten - unabhängig vom Wahrheitsgehalt des Vorwurfs – gleich mit.
Merz und Laschet beschädigt, der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen als dritter Bewerber nicht mehrheitsfähig - am Ende könnte mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn derjenige profitieren, den sich manche in der Partei ohnehin als Vorsitzenden wünschen, obwohl er bislang gar nicht kandidiert.
Ausgerechnet Spahn, den Merz bis heute nicht so ganz ernst nimmt. Das wäre dann allerdings eine hübsche Pointe.